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König, Christoph; Most, Glenn W. (Hg.): Wunsch, Indianer zu werden.

Versuche über einen Satz von Franz Kafka.
Göttingen: Wallstein 2019.
64 S.; geb.; m. Abb.; EUR 12.90.
ISBN 978-3-8353-3401-4.

"Franz Kafka schrieb seinen Satz 'Wunsch, Indianer zu werden' um 1911 und veröffentlichte ihn, als einen von neunzehn kurzen Prosatexten, Ende 1912 in seinem ersten Buch 'Betrachtung'." (S. 7) Die beiden Herausgeber Christoph König und Glenn W. Most haben über dieses knapp siebenzeilige Prosastück selbst nachgedacht und sechs weitere Autorinnen und Autoren eingeladen, dasselbe zu tun. Es ist ein schmales Buch geworden, das in der Bandbreite der Ansätze und der herausgefundenen Interpretations-Optionen durchaus eindrucksvoll ist.

Wenn in Kafkas Text der titelgebende Wunsch "zurückgenommen" wird, heißt es in der Vorbemerkung der Herausgeber, "dann, auf eine Weise, dass die Spuren davon noch erkenntlich sind". Ist dieser sprachliche Lapsus niemandem aufgefallen? Nicht den Verfassern und nicht dem Verlag? Man kann sich "erkenntlich" zeigen, und etwas kann "erkennbar" oder "kenntlich" sein. Wenn auf der ersten Seite eines Buches so wenig sprachliches Feingefühl oder eigentlich Basiswissen zur Schau gestellt wird, erwartet man nicht allzu viel, wenn es darum geht, einen mit enigmatischen Fragen auf syntaktischer, grammatikalischer und semantischer Ebene aufgeladenen Kafka-Text nach allen Regeln der Kunst zu analysieren. Doch genau das passiert dann in den meisten der Beiträge.

Christoph König geht es von der syntaktischen Seite an, Glenn W. Most mit dem Bild der bewussten Regelverstöße. Der Kafka-Biograf Peter-André Alt nähert sich dem Text mit dem Blick auf Realien aus Kafkas Leben wie seinen regelmäßigen Besuchen von Pferderennen in Prag und 1910 im Pariser Bois de Boulogne; der Text reflektiere die Seh-Erfahrungen von der Rennbahn. Christian Benne beginnt mit der vorgelagerten Problematik des Indianer-Wunsches, denn eigentlich ist Indianer ja "kein Ausbildungsberuf" (S. 36). Heinrich Deterings Ausgangspunkt ist das Motiv des Reitens in Kafkas Werk, in dem "der Ritt selten an ein gutes Ziel" (S. 42) kommt, und er verweist als einziger auf Peter Henischs "vergnüglich-spekulatives Buch" (ebd.) Vom Wunsch Indianer zu werden. Wie Franz Kafka Karl May traf und trotzdem nicht in Amerika landete (2012), immerhin erschien Kafkas Text im Todesjahr Karl Mays. Auch Heinz Schlaffer geht vom damaligen Karl-May-Fieber aus, angeheizt durch die quer durch Europa tourenden Buffalo-Bill-Shows, doch "Der Wunsch, ein Indianer zu sein, ist trivial, der 'Wunsch, Indianer zu werden' ist es nicht"; der rhythmische Bau des Textes, in dem der trochäische Beginn und die 12 Jamben am Ende den größeren, metrisch ungebundenen Satzteil einrahmen, zeige: "Das Pferd, auf das der Reiter sich geschwungen hat, ist kein amerikanischer Mustang; es ist der alteuropäische Pegasus" (S. 60).

Auch eine Autorin und ein Autor wurden zu einer kritischen Lektüre des Textes eingeladen. Dagmar Leupold liest ihn als "Rückgängigmachung von Spuren. Sich selbst ungeschehen machen und davon schreiben, Zeugnis abzulegen – ein zutiefst widersprüchliches Unterfangen" (S. 55). Für Daniel Kehlmann hält der Text "die innere Dynamik des Kinderspiels fest […], mit seiner traumartig-unfesten Verbindung zur Wirklichkeit" (S. 52). Existentiell Abgründiges in etwas konsumierbar Harmloseres herunterzubrechen – das ist etwas anderes als "banalisieren" – könnte man durchaus als eine Qualität von Kehlmanns Romanen bezeichnen, was sie bei professionellen LeserInnen wie beim breiten Publikum so erfolgreich macht.

RED
21. 02. 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

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