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Magazin für Verrisse aller Art     Archiv

Herausgegeben von Dieter Conen & Hadi Eberhard

   




AUSGABE 2


Sabine Csampai: Hasenjagd


Sabine Csampai stellen wir uns als eine streitbare Frau mit spitzer Zunge vor, die im Stadtrat (oder sonstwo) auf keine Unflätigkeit oder Dumpfheit insbesondere der männlichen Ratskollegen, egal welcher Couleur, die passende Antwort schuldig bleibt. Die Passagen im Buch, eine Handvoll, die uns zu dieser Einschätzung veranlassen, sind höchst amüsante Lektüre. Scharfzüngigkeit dürfte für jemanden, der sein Brot mit dem Mundwerk verdient, wie es bei Politikern der Fall ist, eine nützliche und - sofern er/sie höhere Ambitionen hat - unverzichtbare Gabe sein. Zum Verfassen eines Romans allerdings reicht sie nicht aus. Neben die Gewandtheit beim Einsatz von Schimpf- und Ätzvokabeln sollte die Fähigkeit treten, die deutsche Sprache in einer Weise zu verwenden, welche die Fallen der Ausgedroschenheit, des modisch Jargonhaften, also Sinnleeren, umgeht und auf diese Weise die eine oder andere 'existenzielle' Wahrheit ans Licht zu bringen vermag. Diese Fähigkeit geht der Verfasserin bedauernswerterweise vollkommen ab.

Frau Csampai sieht im Romanschreiben die Gelegenheit, ihren gesamten aktiven Wortschatz vor dem staunenden Publikum auszubreiten. Und sie nutzt diese Gelegenheit mit dem Eifer einer höheren Schülerin, die einen Aufsatz über ihr schönstes Wochenenderlebnis verfertigen muß. Motto: 'Schau mal, Herr Lehrer, ich kenne dieses tolle Wort und jenes dort ebenfalls'. Ihr Wortschatz ist dabei keineswegs so arg begrenzt, wie man es bei Politikern und anderen Sprachversehrten vermuten würde. Leider besteht er zu nahezu hundert Prozent aus abgegriffenen Wendungen, Gefloskel oder Fremdworthuberei. Da schafft es die Heldin nicht, damenhaft zu wirken und "übersprayt sich kompensatorisch mit Parfüm". Vom "kriminogenen Sumpf" ist die Rede, "der giftige Blüten des Verbrechens gebäre" (wenn schon, dann: 'treibe'). Es tritt eine "frustrierte Bürofrau mit Helfersydrom" auf, die später auf "den Automatismus Solidarität" setzt. Die Heldin ist eine gestrenge Grüne. "Autofahrer dürfen nicht auf Empathie bei ihr rechnen." Zweifelt jemand an dem, was ein anderer sagt, ist er "unverholen skeptisch". Wird es eng für die Heldin, "baut sich nervöse Spannung auf", wahlweise überkommt sie "bohrende Unruhe". Wenn's dann wieder gelassener zugeht, wird die kleine Tochter "hingebungsvoll" abgeknutscht. Wie auch sonst? Kommt der Ehemann dazu, gerät ein "vielsagendes Lächeln" in ihre Züge und es "stellen sich Nähe und Vertrautheit sofort ein". Bleibt er hingegen eine Nacht lang aus, "lassen Verlustängste das Herz laut klopfen" und "sie wartet sehnlichst auf die Rückkehr". Wenn "bleierne Schwere auf ihrem Körper lastet", bestellt die Heldin Brettljause und Wein. Folge: "Ihre Lebensgeister kehren zurück, ihre Neugier erwacht." Na prima. Nach diesem Strickmuster geht es vom Anfang bis zum bitteren Ende des Romans. Wir könnten seitenweise zitieren. Ein einziges Mal gelingt der Autorin ein halbwegs empfindsamer Satz: "Heimatgefühle sind eben kleinräumig".

Auch wenn es zugegebenermaßen besonders nachteilig für Frau Csampai ist, daß wir einzelne Passagen aus dem Zusammenhang reißen und gegen sie verwenden, so wird doch jeder sensible Mensch fühlen, daß die beispielhaft angeführten Zitate, egal wo und wie sie im Text stehen, denselben verderben und zwar rest- und hoffnunglos. Egal wie famos der Inhalt sein mag (und drei Leichen in Rathauskreisen sind ja durchaus beachtlich) - aufbereitet in dieser Sprache, wirkt er nur lächerlich. Es gibt kein anderes Wort. Getreu ihrer politischen Gesinnung, läßt die Autorin nichts verkommen. Unermüdlich recycelt sie noch die elendsten Unworte, statt sie in den Sprachmüll zu geben, wohin sie gehören. Diesem Umstand verdankt der Text seine erschreckende Leblosigkeit. Es wird kaum je beschrieben und erzählt, sondern praktisch immer nur benannt und behauptet. Die Autorin macht sich die Sprache für ihre erzählerischen Zwecke nicht untertan, sondern wird von derselben überwältigt. Irgendein Gespenst scheint ihr durchs Hirn zu spuken, das ihr vorzugsweise die flachsten und abgegriffensten Wendungen einflüstert. Und die schreibt sie dann brav nieder. Statt zu schildern, wie sich "nervöse Spannung" aufbaut, präsentiert sie nur das ausgelutschte Etikett; statt zu beschreiben, was "hingebungsvoll" ist, knallt sie dem Leser die ausgeleierte Vokabel vor den Latz. Auf diese Weise kommt nicht Literatur zustande (deren Schilderungen nacherlebbar und mitreißend wären), sondern eine hohltönende Begriffsaufsageorgie, die den Leser völlig kalt läßt. Und aus dem Aufsagen der einzelnen Wendungen wird ein Aufsagen des gesamten Textes. Wir haben keinen (sorgfältig und einfühlsam erzählten) Roman vor uns, sondern eine hecktisch hingeworfene Inhaltsangabe in Romanlänge.

Wenn wir einmal, spaßeshalber, retrograd rückschließen von der Romanfigur Rita auf die Existenz der Autorin, dann ergibt sich ein wenig erfreuliches Bild: Wir sehen eine Person, die ein verwaschenes Dasein führt, das sich in blindwütigem Herumgerase erschöpft. Sie weiß nicht, wozu sie auf Erden ist und will es auch gar nicht wissen. Sie hängt den konventionellsten, lieschenmüllerhaften Vorstellungen über die Welt an, die sie mit bißchen grünen und feministischen Inhalten zu progressiven Einstellungen verklärt. Sie denkt nicht selber, sondern wird völlig beherrscht von den Denk- und Deutungsmustern, die der Jargon bereitstellt, der sich in ihrem Kopf festgesetzt hat. In Ermangelung jedweden ernsthaften Talents und Leistungswillens ist sie Kommunalpolitikerin geworden, weil sie in diesem Job bloß bißchen rumzuquatschen und ab und an ein Affärchen zu überstehen braucht. In den kühnsten Alpträumen haben wir uns unsere Volksvertreter so nicht vorgestellt. Oder doch?

In Wirklichkeit dürfte Frau Csampai mit größter Wahrscheinlichkeit eine sympathische, intelligente, hochengagierte Politikerin sein, der das (teil)authentische Selbstportrait in ihrem zweiten Roman mißlungen ist, weil sie schlicht und einfach nicht schreiben kann. Vielleicht lernt sie's ja noch. Nix für ungut,

Fritz Gimpl




AUSGABE 2    Dezember 1998


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