AUSGABE 2
Sabine Csampai: Hasenjagd
Sabine Csampai stellen wir
uns als eine streitbare Frau mit spitzer Zunge vor, die im Stadtrat (oder
sonstwo) auf keine Unflätigkeit oder Dumpfheit insbesondere der männlichen
Ratskollegen, egal welcher Couleur, die passende Antwort schuldig bleibt. Die
Passagen im Buch, eine Handvoll, die uns zu dieser Einschätzung veranlassen,
sind höchst amüsante Lektüre. Scharfzüngigkeit dürfte für jemanden, der sein
Brot mit dem Mundwerk verdient, wie es bei Politikern der Fall ist, eine
nützliche und - sofern er/sie höhere Ambitionen hat - unverzichtbare Gabe sein.
Zum Verfassen eines Romans allerdings reicht sie nicht aus. Neben die
Gewandtheit beim Einsatz von Schimpf- und Ätzvokabeln sollte die Fähigkeit
treten, die deutsche Sprache in einer Weise zu verwenden, welche die Fallen der
Ausgedroschenheit, des modisch Jargonhaften, also Sinnleeren, umgeht und auf
diese Weise die eine oder andere 'existenzielle' Wahrheit ans Licht zu bringen
vermag. Diese Fähigkeit geht der Verfasserin bedauernswerterweise vollkommen ab.
Frau Csampai sieht im Romanschreiben die Gelegenheit, ihren gesamten
aktiven Wortschatz vor dem staunenden Publikum auszubreiten. Und sie nutzt diese
Gelegenheit mit dem Eifer einer höheren Schülerin, die einen Aufsatz über ihr
schönstes Wochenenderlebnis verfertigen muß. Motto: 'Schau mal, Herr Lehrer, ich
kenne dieses tolle Wort und jenes dort ebenfalls'. Ihr Wortschatz ist dabei
keineswegs so arg begrenzt, wie man es bei Politikern und anderen
Sprachversehrten vermuten würde. Leider besteht er zu nahezu hundert Prozent aus
abgegriffenen Wendungen, Gefloskel oder Fremdworthuberei. Da schafft es die
Heldin nicht, damenhaft zu wirken und "übersprayt sich kompensatorisch mit
Parfüm". Vom "kriminogenen Sumpf" ist die Rede, "der giftige Blüten des
Verbrechens gebäre" (wenn schon, dann: 'treibe'). Es tritt eine "frustrierte
Bürofrau mit Helfersydrom" auf, die später auf "den Automatismus Solidarität"
setzt. Die Heldin ist eine gestrenge Grüne. "Autofahrer dürfen nicht auf
Empathie bei ihr rechnen." Zweifelt jemand an dem, was ein anderer sagt, ist er
"unverholen skeptisch". Wird es eng für die Heldin, "baut sich nervöse Spannung
auf", wahlweise überkommt sie "bohrende Unruhe". Wenn's dann wieder gelassener
zugeht, wird die kleine Tochter "hingebungsvoll" abgeknutscht. Wie auch sonst?
Kommt der Ehemann dazu, gerät ein "vielsagendes Lächeln" in ihre Züge und es
"stellen sich Nähe und Vertrautheit sofort ein". Bleibt er hingegen eine Nacht
lang aus, "lassen Verlustängste das Herz laut klopfen" und "sie wartet
sehnlichst auf die Rückkehr". Wenn "bleierne Schwere auf ihrem Körper lastet",
bestellt die Heldin Brettljause und Wein. Folge: "Ihre Lebensgeister kehren
zurück, ihre Neugier erwacht." Na prima. Nach diesem Strickmuster geht es vom
Anfang bis zum bitteren Ende des Romans. Wir könnten seitenweise zitieren. Ein
einziges Mal gelingt der Autorin ein halbwegs empfindsamer Satz: "Heimatgefühle
sind eben kleinräumig".
Auch wenn es zugegebenermaßen besonders
nachteilig für Frau Csampai ist, daß wir einzelne Passagen aus dem Zusammenhang
reißen und gegen sie verwenden, so wird doch jeder sensible Mensch fühlen, daß
die beispielhaft angeführten Zitate, egal wo und wie sie im Text stehen,
denselben verderben und zwar rest- und hoffnunglos. Egal wie famos der Inhalt
sein mag (und drei Leichen in Rathauskreisen sind ja durchaus beachtlich) -
aufbereitet in dieser Sprache, wirkt er nur lächerlich. Es gibt kein anderes
Wort. Getreu ihrer politischen Gesinnung, läßt die Autorin nichts verkommen.
Unermüdlich recycelt sie noch die elendsten Unworte, statt sie in den Sprachmüll
zu geben, wohin sie gehören. Diesem Umstand verdankt der Text seine
erschreckende Leblosigkeit. Es wird kaum je beschrieben und erzählt, sondern
praktisch immer nur benannt und behauptet. Die Autorin macht sich die Sprache
für ihre erzählerischen Zwecke nicht untertan, sondern wird von derselben
überwältigt. Irgendein Gespenst scheint ihr durchs Hirn zu spuken, das ihr
vorzugsweise die flachsten und abgegriffensten Wendungen einflüstert. Und die
schreibt sie dann brav nieder. Statt zu schildern, wie sich "nervöse Spannung"
aufbaut, präsentiert sie nur das ausgelutschte Etikett; statt zu beschreiben,
was "hingebungsvoll" ist, knallt sie dem Leser die ausgeleierte Vokabel vor den
Latz. Auf diese Weise kommt nicht Literatur zustande (deren Schilderungen
nacherlebbar und mitreißend wären), sondern eine hohltönende
Begriffsaufsageorgie, die den Leser völlig kalt läßt. Und aus dem Aufsagen der
einzelnen Wendungen wird ein Aufsagen des gesamten Textes. Wir haben keinen
(sorgfältig und einfühlsam erzählten) Roman vor uns, sondern eine hecktisch
hingeworfene Inhaltsangabe in Romanlänge.
Wenn wir einmal, spaßeshalber,
retrograd rückschließen von der Romanfigur Rita auf die Existenz der Autorin,
dann ergibt sich ein wenig erfreuliches Bild: Wir sehen eine Person, die ein
verwaschenes Dasein führt, das sich in blindwütigem Herumgerase erschöpft. Sie
weiß nicht, wozu sie auf Erden ist und will es auch gar nicht wissen. Sie hängt
den konventionellsten, lieschenmüllerhaften Vorstellungen über die Welt an, die
sie mit bißchen grünen und feministischen Inhalten zu progressiven Einstellungen
verklärt. Sie denkt nicht selber, sondern wird völlig beherrscht von den Denk-
und Deutungsmustern, die der Jargon bereitstellt, der sich in ihrem Kopf
festgesetzt hat. In Ermangelung jedweden ernsthaften Talents und
Leistungswillens ist sie Kommunalpolitikerin geworden, weil sie in diesem Job
bloß bißchen rumzuquatschen und ab und an ein Affärchen zu überstehen braucht.
In den kühnsten Alpträumen haben wir uns unsere Volksvertreter so nicht
vorgestellt. Oder doch?
In Wirklichkeit dürfte Frau Csampai mit größter
Wahrscheinlichkeit eine sympathische, intelligente, hochengagierte Politikerin
sein, der das (teil)authentische Selbstportrait in ihrem zweiten Roman mißlungen
ist, weil sie schlicht und einfach nicht schreiben kann. Vielleicht lernt sie's
ja noch. Nix für ungut,
Fritz Gimpl
AUSGABE 2 Dezember 1998
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