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Magazin für Verrisse aller Art    Archiv

Herausgegeben von Hans Dieter Eberhard

   



AUSGABE 7


HANDKE: GÖTZENDÄMMERUNG II


NICHT OHNE EINE MUTTER

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Der frühe Handke war mal so etwas wie einer unserer letzten zornigen jungen Männer. Da war noch der unverdiente Glanz von Jugend um ihn. Dann geschah etwas oder schlich sich ein, warum weiß ich nicht. Es begann ungefähr mit der linkshändigen Frau. Der Dichter nahm mehr und mehr einen hohen Ton an, vielleicht vom Erfolg geblendet und hochmütig gemacht. Sein Schreiben bekam etwas prophetisch Tosendes, dröhnte von immer weiter oben auf uns herunter mit unduldsamem Anspruch auf absolute Wahrheit. Ein oft zürnend Rechthaberisches war darin, etwas priesterlich Weihevolles, zugleich Bekehrendes und Kündendes, ja zuletzt Fundamentales von islamischer Humorlosigkeit, das der Kritik sich nicht mehr stellte.

Handke wurde mir von da an immer unleidlicher und im gleichen Maße langweilig. Die Geister schieden sich. Eine Gemeinde von Handke-Jüngern scharte sich weiter um den Meister und fraß ihm aus der Hand. Andere wandten sich ab. Zuletzt hat der Dichter durch seine politischen Stellungnahmen sich außerliterarisch unmöglich gemacht, indem er von seinem Mutterland Slowenien narzistisch gekränkt, wie es schien, sich lossagte und ohne einsehbaren Grund in das serbische Lager überlief, vorgeblich aus einer allgemeinen Verstimmung über die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Jugoslawien nach dem Fall des Kommunismus.

In Wahrheit - leicht ist es zu sehen - war er wohl auf der Suche nach einer neuen Mutter. Die alte Mutter Slowenien, die leibliche, die nun eigenständig wurde und mit der verhaßten westlichen Welt sich enthemmt verbandelte, drohte, den Sohn zu verlassen, aber Ödipus verzeiht Liebesentzug nie. Die neue Mutter, Serbien, erwies sich als böse Stiefmutter, als seltsame Chimäre aus Niobe und Polyphem, doch der Gekränkte, der sich zur Adoption ihr andiente, konnte es nicht sehen, zu sehr blieb er verbockt und verbohrt in der Pathologie seines Irrtums und dessen kompensatorische Natur.

Dieser Dichter, der ausgezogen war, die eigene Sprache gegen die öffentlich herrschende zu erfinden, endet nun in Verschrobenheit und Manierismus, unbescheiden, ohne die leiseste Begabung zur Selbstkritik. Die Träume einer unerreichbaren Reinheit sind ausgeträumt. Blind wird der eingeschlagene Weg fortgesetzt. Ich sehe Anmaßung, ja Gewissenlosigkeit darin, sich selber zum Pharao der Poesie dermaßen zu erhöhen. Sehr rasch degeneriert solch ein Pharao zum Pharisäer. Es wäre wohl besser, wenn der Dichter sich nun Schweigen auferlegte. Er hat das Seinige zur Genüge gesagt.

Elisabeth v. Joolen und Schwallbach

P.S. Preisverweigernden Düsselorfer Altbierprolls sei damit nicht das Wort geredet.





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