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Magazin für Verrisse aller Art    Archiv

Herausgegeben von Hans Dieter Eberhard

   



AUSGABE 8


SCHUBIAK'S CORNER

ZEITGEISTMUMIE: OSKAR ROEHLER


Sehr verheerter Herr Roehler,

Wir wiederholen uns ungern, und zum Thema deutsches Filmschaffen ist hier eigentlich schon alles gesagt, aber wir hatten Sie, Herr Oskar Roehler, vergessen. Wie konnten wir nur? Das möchten wir jetzt gerne nachholen, denn Sie haben sich um das deutsche Filmelend seit langem mehr als verdient gemacht. Von den Rezensenten der Süddeutschen Zeitung hatten wir uns zwei- oder dreimal verleiten lassen, eins Ihrer Movies über uns ergehen zu lassen, und kamen nicht umhin, uns eine Meinung zu bilden. Wie Sie zuletzt aus einem schlechten Roman (Michel Houellebec: Elementarteilchen) einen noch wesentlich schlechteren, rundum stumpfsinnigen Film gemacht hat, ist eine triumphale, ja exorbitante Leistung, von der sich der deutsche Film kaum je erholen wird. Dafür möchten wir Ihnen, Herr Oskar Roehler, in schwerster Ergriffenheit unsere vorzügliche Mißachtung aussprechen.

Lassen Sie uns das bitte knapp erläutern. Aus Tausenden von miserablen bis hundsschlechten Romanen wurden erträgliche, bisweilen gute Filme gemacht - Hollywood weiß, wovon wir sprechen -, während aus guten Büchern oft, wenn nicht meistens schlechte Filme werden - Hollywood weiß, wovon wir sprechen. Aus einem markant schlechten Buch wie Elementarteilchen hätte also ein markant guter Film werden können, und wir wissen auch, wie das geht:

Gerade an der Stümperhaftigkeit jenes Gutgemeinten, nämlich der nahezu jesuitischen erzmoralischen Untergrundgesinnung des Buchs, hinter der wir einen verheulten Spätromantiker vermuten, hätte ein Filmregisseur ansetzen können, indem er das Gutgemeinte radikal eliminiert und stattdessen die Methodik des schlecht Geratenen auf den ganzen Film angewendet hätte. Der Film hätte dann möglich gemacht, was der Autor des Buches nicht gebracht hat. Ein solcher Film hätte ein Bacchanal der Melancholie, ein monströser pornographischer Exzeß von de Sadeschen Ausmaßen, eine radikal böse Orgie des Hasses werden können, ein Film, der in jedem Fall sofort verboten worden wäre, den kein Schnitt hätte retten können, der niemals öffentlich gezeigt worden wäre, der höchstens ab 80 zugelassen worden wäre.

Aber nein, genau dazu waren Ihr larviertes Spießertum und Ihre kaum verhüllbare Provinzialität, Herr Oskar Roehler, nicht fähig. Hier, wie in allen Ihren Filmen, offenbart sich denn nicht mehr als eine scheinintellektuelle Alltagsverquasung, deren Muffigkeit durch keine ironische Brechung erträglicher würde. An Ihrer Filmtätigkeit klebt unabwischbar etwas doppelkornartig Biedermännisches, sie repräsentiert das geistesschwache Komplement zum geistesschwachen deutschen Filmkomödiensulz, der immer noch aussichtslos dem Niveau der Sahnetortenschlacht hinterherrobbt.

Für Ihre Arbeiten, Herr Oskar Roehler, verleihen wir Ihnen hiermit feierlich den Rang einer Zeitgeistmumie in Gold und würdigen damit Ihre unermüdliche Umtriebigkeit als Widergänger einer versunkenen Epoche, die sich nicht einmal wirklich miterlebt haben. In Ermangelung jedweder ästhetischen Urteilsfähigkeit gelten Sie ja schon lange als Lieblingsunhold der Spät- und Postachtundsechziger, jener altlinken, gerontotropen Stammtischegomanen, deren Stündlein längst geschlagen hat, und eine gleichgesinnte Presse bläst die Wasserpfeife dazu. Infolgedessen werden wir Ihr Schaffen kaum unterbinden können, und so sind wir denn auch wenig gespannt, welche Höhepunkte des Scheiterns Sie noch erklimmen werden, wir sind sicher, Sie werden.

An dieser Stelle möchten wir nicht versäumen, Herrn Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, zum Ehrenpräsidenten des Kuratoriums blinder Filmkritiker zu ernennen. Diese Auszeichnung hat er sich durch stupende Inkompetenz und eine überwältigende Anzahl ästhetischer Fehlurteile in Sachen Kino sauer verdient. Die Gesundschrumpfung der Münchner Lichtspielszene geht wesentlich auf seine Kappe. Die Gattung Filmkritik wurde durch ihn zur Kunst der völligen Ausdruckslosigkeit geadelt. Auch die Subspezies Gefälligkeitsrezension die er bundesweit beflügelte, erfuhr durch ihn einen glanzvollen ungeahnten Aufschwung.

Mit cinematophorischen Grüßen

Ihr

Karl-Heinz Schubiak





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