Wow, ich habe doch erst neulich an dem Jahresrueckblick fuer 2008 gesessen! Aber das Gerede von wegen wie schnell die Zeit voruebergeht, ist bei der heutigen Schnelllebigkeit und Zukunftsfixierung ja Schnee von gestern und hat was von Nostalgie. Vielleicht liegt dieses Gefuehl von Zeitschwinden aber auch weniger am gesellschaftlichen Zeitempfinden, als vielmehr an regelmaessigen Ausfluegen in die Parallelwelt. Diesen Gedanken nehme ich als Anstoss fuer ein paar Zeilen ueber das berliner Nachtleben. weiterlesen »
Dieses Jahr ist mein Kind 5 Jahre alt geworden. Das bedeutet eine Menge, wenn man 5 Jahre alt ist. Und zum ersten Mal wieder meine Stereoanlage aktiviert. Das bedeutet eine Menge, wenn man ueber 40 Jahre alt ist. Nachdem ich seit meinem Umzug nach London vor 14 Jahren alles Musikhoeren erst auf einen Kassettenrekorder verlegte und schliesslich auf einen Laptop. Endlich ohne iTunes, ohne Listen und softwarediktierte Ordnungssysteme. “Draussen am Bahnhof liegt ne alte Pizza, komm und nimm sie, worauf wartest du.” Elektroirrsinn allenorts. Gegen fortschreitend digitalisiertes Denken und Hoeren im Ja-Nein. Mehr Inkompatibilitaet. weiterlesen »
In ihrer Neujahrsrede versprach Angela Merkel, dass trotz schwerer Zeiten weiterhin in Bildung
investiert werde. Auf dem Bildungsgipfel in Berlin im Dezember letzten Jahres versprachen die Beteiligten mehr Geld fuer Bildung. Wir zweifeln: Wie viel Geld wird die Politik noch fliessen lassen, bevor im gesellschaftlichen Diskurs bestimmt wird, was dieses ganze Geld ueberhaupt bewirken soll? Wer gestaltet eigentlich die ‘Bildungsrepublik Deutschland’? Merkels griffige Wendung hat es bis in den Koalitionsvertrag geschafft, ist sogar eine der wichtigsten Saeulen fuer die Arbeit der schwarz-gelben Regierung. Doch was steckt dahinter? Ein engagiertes Reformanliegen oder ein Rekrutierungsprogramm wie ‘Du bist Deutschland’? weiterlesen »
Mein Grossvater erzaehlte mir immer wieder gern die Geschichte, dass sein Vater die Uhr einmal am Tag stellte: nach der Bahn. Und zwar nach dem D-Zug aus Koenigsberg, der puenktlich um vierzehn Uhr und drei Minuten am Bahnuebergang im Dorf zweimal laut pfiff. Nur einige Male im Schneewinter 1929, als die weisse Pracht so hoch lag, dass die Kinder sich Iglus bauten, kam er bisweilen zu spaet. Als ich ihm von vereisten Weichen bei knapp drei Grad Frost erzaehlte, sagte er: Da muss der Streckenwaerter aber geschlafen haben!
Heute sind das nette, kleine Anekdoten – die Wirklichkeit in den widrigen Engen des Berliner Nahverkehrs sieht anders aus. weiterlesen »
Ich schreibe diesen Text in einem Zustand extremer Muedigkeit, hervorgerufen durch exzessive Arbeit gepaart mit ebenso exzessiven Abendessen (Tatsaechlich: uendlich viel roher Fisch und Sake). Kurz zum Setting: Ich sitze im Studentenwarteraum der Faculty of Letters
an der Hokkaido University. Vor mir blinken Getraenkeautomaten, daneben lungern abgestellte Geldautomaten (Geldabheben nur bis 17 Uhr moeglich, wohl eine Erziehungsmassnahme). Ein Stueckchen weiter entfernt sind die Toiletten. Nach sieben Tagen in Tokio sind mein Kollege Krystian Woznicki und ich inzwischen in Sapporo gelandet und stellen das Berliner Gazette-Projekt McDeutsch
an der hiesigen Universitaet vor. Mein persoenliches side project: Reisetagebuch schreiben. weiterlesen »
Das Jahr 2009 war ein Erfolgjahr fuer den Neo-Individualliberalismus. Dieser geht davon aus, dass es unsere westliche Gesellschaft erfolgreich geschafft hat, die urspruenglich linksalternative Emanzipationsutopie der freien, individuellen Selbstentfaltung zu verwirklichen: Eine Frau aus Ostdeutschland ist Kanzlerin, ein Homosexueller ist CDU-Buergermeister in Hamburg, ein Schwuler aus der SPD ist es in Berlin, ein Gay von der FDP ist deutscher Aussenminister und ein nicht weisser Deutscher Gesundheitsminister. Eine lesbische Premierministerin rettet 2009 Island vor dem Staatsbankrott und in den USA wird zeitgleich ein Schwarzer Praesident. Allen Minderheiten und Benachteiligten stehen nun scheinbar die Tueren weit offen. Was zu der Annahme verleitet: Es gibt keine Randgruppen mehr! weiterlesen »
Februar. Blicke in der Bibliothek, zuerst schuechtern, dann sicherer, dann beinahe fordernd. Aus den Blicken wird ein Gespraech, ein Kaffee, ein Essen, ein Museumsbesuch, es folgen weitere Essen. Caruso und Eric Clapton. Der Beginn von etwas sehr Schoenem: sonnige Tage am See, lange Spaziergaenge, Gespraeche, Cafébesuche, Theater und Kino, Abende auf der Couch, auch Streit, Versoehnung. Sich gefunden haben. weiterlesen »
Vor vielen Jahren, bei der Recherche ueber U-Boot-Kommunikation, erfuhr ich, dass die damaligen Supermaechte UdSSR und USA mit ihren strategischen U-Booten, die in grosser Tiefe operierten, nur ueber extrem langwellige Signale Kontakt halten und Kommandos senden konnten. Elektronische Radiowellen dringen nur fuer wenige Meter ins Wasser. Wenn man aber 100 Meter lange Betonbalken als Antenne und Pulsgeber kontrahieren kann, entsteht ein Impuls, der durch alle Ozeane bis ans gegenueberliegende Ende der Welt wahrnehmbar ist. weiterlesen »
Wie eine unbestimmte Zeit zum herausragenden Moment des Jahres 2009 werden konnte. Du und ich, wir finden uns, an einem hohen Nachmittag, nach einigem Suchen, wieder an einer gut geeigneten Stelle im Feld oder Wald. Wir haben das Tal, den See im Blick. Die Hitze ist um uns. Hier wollen wir uns niederlegen. Zwischen den Straeuchern und Fruechten, wenige Schritte nur weg von der Wegbiegung. Selten kommt dort jemand vorbei. Ich bereite das grosse, dunkle Tuch fuer uns aus. Wir legen uns nieder. Und ueber uns bereitet die Hitze eines Augusttages uns einen wunderbaren Himmel. weiterlesen »
Am 15. Dezember 2009 hielten Magdalena Taube und Krystian Woznicki einen Workshop an der University of Hokkaido ab. Das Thema: Deutsch als wandernde Sprache. Die TeilnehmerInnen: StudentInnen der deutschen Sprache, Ethnologie und Philosophie. Das Lernmaterial: das Berliner Gazette-Buch McDeutsch.
Dieses Jahr endet in der Farbe, welche es nahezu durchgehend gepraegt hat: in Grau. Es war das Grau des Himmels. Das Grau der meisten Haartrachten, die ueber die Mattscheiben geisterten. Das Grau der vielen Archivfilmaufnahmen, die in diesem Jahr in die Koepfe der Republik implantiert wurden. In den vergangenen zwoelf Monaten wurde sich viel erinnert. An den Beginn des letzten grossen Krieges und auch der letzte Hilfskanonier, der im zarten Alter von siebzehn und dreiviertel Jahren dabei war auf der Westplatte wurde als Zeitzeuge in ein dunkles Studio gezerrt. weiterlesen »
Am 15. Dezember 2009 hielten Magdalena Taube und Krystian Woznicki einen Workshop an der University of Hokkaido ab. Das Thema: Deutsch als wandernde Sprache. Die TeilnehmerInnen: StudentInnen der Germanistik, Ethnologie und Philosophie. Das Lernmaterial: das Berliner Gazette-Buch McDeutsch.
weiterlesen »