Der Herbst ’89 ist fuer mich gekennzeichnet durch drei Grenzueberschreitungen. Die erste war eine illegale. Nur wenige Tage nach der Maueroeffnung besuchte ich, elfjaehrig, meinen Onkel im Theater Mirakulum in der Brunnenstrasse. Auf Blickweite lag der Grenzuebergang. Ob wir nicht rueber wollten, fragte er. Noch waren Papiere notwendig, Kinder nur in Begleitung ihrer Eltern. Wir verkleideten mich, ein noch androgynes Kind, mit Kopftuch und Kleid als meine Cousine und ueberschritten mit Herzklopfen die Grenze, um den westlichen Teil der Brunnenstrasse ganz Benjamin-isch einmal rauf und runter zu flanieren. weiterlesen »
Ich musste ehrlich gesagt etwas ueberlegen, was ich mit dem Fall der Mauer verbinde. Ich war gerade erst sechs Jahre alt und so richtig habe natuerlich nicht realisiert, was passiert, nur, dass etwas auf einmal anders war. Ich hab noch vage die Bilder aus dem Fernsehen im Kopf, die immer wieder Leute freudig auf der Berliner Mauer zeigten. Ich habe mich gefragt, ob sich fuer mich in den naechsten Tagen, Wochen, Monaten irgendetwas gravierend veraendert hat, aber ich kann mich an kein explizites Ereignis erinnern. Komisch eigentlich, wenn ich im Nachhinein so darueber nachdenke. weiterlesen »
Nano-Technik fuer die Haare, Acthyderm und Mesoportation, Botox in die Falten, ein Sixpack aus Silikon. Spanier und Spanierinnen versuchen die Schoensten der Welt zu werden – und der Rest Europas zieht eifrig nach. Brueste muessen groesser sein, das Fett am Bauch muss weg, Oberschenkel werden abgesaugt, Hintern kuenstlich aufgeblasen. Nasen, Ohren und was weiss ich noch alles, werden zurecht geschnipselt, in Form gebracht
nichts soll mehr an die Natur erinnern, nichts darf krumm wachsen und bleiben wie es ist. weiterlesen »
Auf einem blauen Hintergrund haengen sechs quadratische Rahmen nebeneinander. Sie drehen sich um ihre eigene Achse und werden in Leserichtung nacheinander mit Bildern gefuellt. Nach einer Umdrehung werden die Bilder wieder ausgeblendet. Just in diesem Moment fuellt sich der Rahmen mit einer Farbe: erst gruen, dann dunkelblau, zuletzt beige-orange. Die Bilder, die einen Wimpernschlag lang aufflackern, zeigen junge Menschen. Froehlich, vertraeumt und zufrieden spielen sie mit einem Globus.
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Das Element Wasser hat schon immer eine grosse Faszination bei mir ausgeloest, vor allem visuell. Das stundenlange Betrachten des Wasserspiels, der Spiegelungen von Farben, Formen und die Abstraktion durch Wellen und Wind – immer neue Reflexionen und Strukturen anzusehen und zu entdecken, den staendigen Fluss und Fortlauf dieses Elements. Dabei geniesse ich, Zeit in der Natur und am Ufer zu verbringen, und vor allem die Stille. weiterlesen »
Obwohl ich zum Zeitpunkt des Mauerfalls noch so klein war, dass ich nur auf den Schultern meines Vaters für die Oeffnung der Mauer demonstrieren konnte, hat dieses historische Ereignis eine emotionale Bedeutung fuer mich. Als Angela Merkel vor kurzem darueber im amerikanischen Kongress gesprochen hat, hatte ich mit den Traenen zu kaempfen. Und trotz meiner Skepsis gegenueber den USA hat mein persoenlicher Mauerfall, genau wie der vor 20 Jahren, mit Amerika zu tun. weiterlesen »
Am 9. November 1989 sass ich tief im Westen der Bundesrepublik vor dem Fernseher, mit einem grossen Fragezeichen im Gesicht. Mein persoenlicher Mauerfall war ein rein telemedialer, denn vor diesem Datum verband mich mit dem Osten Deutschlands herzlich wenig, um nicht zu sagen: Nuescht! Die Teilung Deutschlands kam in meiner Jugend einem stahlbetonierten Naturgesetz gleich, wie Ebbe und Flut, Tag und Nacht, schliesslich hier
und drueben
. Da es unserer rheinischen Familie seit jeher an jeglichem verwandtschaftlichen Bezug zu irgendwelchen Gebieten oestlich der Wupper gebrach, war mein Interesse in jenem Herbst rein intellektueller Natur. weiterlesen »
Software, speziell Open Source, avanciert zum Modell für das große Ganze – auch für Kultur. Kunst, Literatur, Musik aber auch Kino stehen im Zeichen der offen-kollaborativen Programmierung ohne klassischen Urheber. Der Medientheoretiker und Berliner Gazette-Autor Florian Schneider atmet die frische Luft des Open Source Kinos. weiterlesen »
Am Tag, als die Berliner Mauer faellt, bin ich noch nicht einmal zwei Jahre alt. In einem Dorf in Mecklenburg nuckele ich an meinem Daumen und spiele mit meinen neuen Schuhen, waehrend etwa 100 Kilometer entfernt Geschichte geschrieben wird. Wovon ich damals keine Ahnung habe: Berlin ist an diesem Tag zur Einbahnstrasse geworden. Es gibt nur noch eine Richtung. Der Weg fuehrt in den Westen. Was in diesem Moment nicht mehr aufzuhalten ist, hat sich in den Wochen und Monaten zuvor bereits abgezeichnet. Tausende Buerger der DDR kehren ihrer Heimat den Ruecken. weiterlesen »
Mauern fallen nicht so leicht. Wie beginnen, wenn man sich selbst eingestehen muss, dass man zwar den Mauerfall
bewusst, als politisches Ereignis mitbekommen und gut geheissen hat, dass man sich aber nicht sicher ist, ob in einem selbst nicht noch der Rest einer Mauer existiert? Als Kind fuhr ich mit meinen Eltern in die Ostzone, denn eine Haelfte der Verwandtschaft lebt dort. Dort, das war weit weg. Die Bahnfahrt dort hin dauerte 20 Stunden. weiterlesen »
Meine Eltern, die frueher lange Zeit ein Aquarium im Wohnzimmer hatten, erzaehlen gerne, dass sie mich als Baby oft mit der Wippe davor setzten – eine todsichere Methode der Ruhigstellung, da die kinematische Schau ihren Effekt bei mir nie verfehlte. Etwas spaeter wurde ich dann selbst stolze Besitzerin eines eigenen Zimmeraquariums samt einer Horde fortpflanzungsfreudiger Guppyfische, doch nach und nach verlor ich das Interesse an den ewig stummen Gefaehrten hinter ihrer Glaswand und zog es vor, die heimische Flora und Fauna und das kalte Nass leibhaftig zu erkunden. weiterlesen »
Am Fall der Mauer 1989 war ich nicht beteiligt. Am deutschen Einheitsgehudel habe ich keinen Anteil gehabt und das seit einigen Jahren bestehende neue Deutschland ist mir fremd. Fussballumwogendes Weltmeisterderherzengedoehns, das sich nicht nur auf Balltreter bezieht oder bezog, sondern fuer eine Landesbewohnermentalitaet sprechen will, stoesst mich ab. Warum malen sich die Menschen schwarzrotgold auf die Backen? An jeder Berliner Museumsfahne prangt: ALTES dies und ALTES das. Und dann noch ein neues Schloss in Berlin und eins in Potsdam. Ich verstehe es nicht; es macht mir schlechte Laune. weiterlesen »