In der Weihnachtszeit sind die Strassen hier in Berlin wie leergefegt. Die umtriebige Kreuzung an der Eberswalder zum Beispiel, wird so beschaulich wie ein Provinzboulevard. Leere Trambahnen, geschlossene Geschaefte, verlassene Kneipen. Wo sind denn alle? Ganz einfach: In Bebra und Krefeld, Bautzen und Fulda, Ingolstadt und Deggendorf, Mannheim, Dortmund
Kurzum: in der Provinz, da wo se herkommen. weiterlesen »
Es gab Momente im Jahr 2007, an die ich mich besser erinnern kann, als mir und meinen Sinnen lieb ist. Einer davon ergab sich im September in der U2 zwischen Potsdamer Platz und Mohrenstrasse. Ich stand eingezwaengt, umringt von Feier- abendlern, die empfindlich in meinen natuerlichen Sicherheits- abstand eindrangen und ich in ihren. Bei jedem Ruckeln stiess meine Nase an den Ruecken meines Stehnachbarns und zu al- lem Ueberfluss liess einer der zugestiegenen Anzugtraeger im unentrinnbaren Beisammensein einen fahren, aber so richtig. weiterlesen »
Was als Todeswelle
und Sintflut
gehandelt wurde, letzten Endes aber den Namen Weltbeben
verpasst bekam, war in erster Linie ein Medienereignis und in zweiter Linie ein Naturereignis. Es war ein Ereignis, das zwar viele vor Ort erlebten beziehungsweise nicht ueberlebten, das aber ungleich mehr Menschen im engeren Kreis der Familie neben dem Weihnachtsbaum und vor dem Fernseher sitzend erfuhren. Der unmittelbare Bezug zum christlichen Fest der Liebe
war nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich gegeben: Das Paradies war in groesster Not und somit auch alle christlichen Kodierungen, die die Zeichenmaschine des Tourismus in die Postmoderne hinuebergerettet hatte. weiterlesen »
Die Zeit der wirklichen Beschleunigungsdramen ist, glaube ich, vorbei. Das war die Sache des 20. Jahrhunderts. Es mag zwar sein, dass heute Monate wie frueher Tage vergehen, das alles aber hat nicht nur mit erhoehten Geschwindigkeiten und deren Infrastrukturen, mit dem Schwinden zeitlicher Ressourcen und gesteigerten Ungeduldsqualen zu tun. Viel eher scheinen mir Zeitverlaeufe selbst ihre ordnende, strukturierende und somit zwingende Funktion verloren zu haben. Wenn Fristen, Zeitdruck und eine fliehende Zeit einmal das Mass fuer biographische Umstaendlichkeiten, fuer Hast und Ueberstuerzug, fuer Verfehlungsaengste und atemlose Glueckfaelle, also fuer intensive Zeiterfahrungen gewesen sein moegen, so folgt die Zeit heute eher einer Logik der Zerstreuung. Damit sind zwei Dinge gemeint. weiterlesen »
Am 18.09. diesen Jahres langten wir am fruehen Abend in einer Handvoll weisser Jeeps im gleichen Takt wie es schien mit der schrittweis’ fuer uns untergehenden und rotgluehenden Sonne in einem Wuestencamp der sogenannten Sahara
an. Auch diese Zone hart am Rande des Castellum Europensis war selbstverstaendlich schon hinreichend civilisiert und artificialisiert, drahtloser Netzzugang wie fliessend Wasser. weiterlesen »
Ok. Ich heisse Alison Boland und ich komme aus den USA. Genauer gesagt, komme ich aus Little Rock, Arkansas. Ich wohne jetzt zum dritten Mal in Berlin. Ich bin in den letzten drei Jahren insgesamt ein Jahr hier gewesen und ich bin gerade mit der Uni fertig geworden. Jetzt bin ich Englischlehrerin und bin total ausgestresst mit der Frage: Was mach ich eigentlich mit meine Leben?
An Weihnachten bin ich normalerweise zu Hause bei meiner Familie. Wir schmuecken jedes Jahr einen Weihnachtsbaum und manchmal gehen wir in die Kirche. Aber wir sind eigentlich nicht religioes. weiterlesen »
Nichts braucht der Kulturbetrieb so dringend wie Stichwortgeber. Stichwortgeber sind wie die Souffleusen im Theater, sie fluestern anderen Woerter zu, wenn die nicht weiter wissen. Einer, der die Kunst des Einsagens in den letzten Jahren der Vollendung nahe gebracht hat, ist Herfried Muenkler. Er hielt in der Reihe der renommierten Mosse-Lectures an der Humboldt-Uni einen Vortrag unter dem Titel: “Nach den grossen Kriegen. Die postheroische Gesellschaft und die terroristische Herausforderung”. weiterlesen »
Maerz: Sauwetter in Zagreb. Frostige Kaelte, grauer Schnee. Gerade von der sommerlichen Kueste zurueckgekehrt, wo es 25 Grad und kein Problem war, im Mittelmeer zu planschen. April in Amsterdam: Die Sonne sticht. Leute im Park ziehen ihre Oberteile aus und raekeln sich pornoreif auf Sommerdecken. Die Haut auf der Nase zuckt schon unter den ersten Sommersprossen. Die verziehen sich in Berlin. Hier gibt es Einheitskost. Von Mai bis November das gleiche Grau. weiterlesen »
Es gibt sicherlich kaum ein Genre, in dem die Halbwertszeit heutzutage so gering ist, wie im Musikgeschaeft. Staendig treten neue Bands an die Oberflaeche um wenig spaeter wieder zu verschwinden. Was uebrig bleibt ist meist nur ein: Ach waren das nicht die
und ein nerviger Klingelton auf dem Handy einiger Kids. Die Rueckbesinnung auf Musik vergangener Tage scheint da doch mehr als nachvollziehbar. Zurueck in die Zeit, als man seine Eltern noch mit seiner Lieblingsband schocken konnte. Eine Zeit in der echte Maenner noch ihr Brusthaar zur Schau trugen und sich in enge Jeans quetschten. weiterlesen »
Zweitausendundsieben ist ein pralles Jahr, ein schnelles Jahr, eine kalendarische Beschleunigung. Und ich, ich bleibe im historischen Praesens; zum einen, weil dieser Aufschriebs noch in ebenjenes Jahr faellt, wie man so sagt. Zum anderen, da so ein Jahr ja abgeschlossen wird und fertig gemacht und dann ab in die Geschichtsbuecher. Oder wie veraendert sich ein einmal abgelebtes Jahr im Laufe seines Daseins als vielseitig aufgezeichnete Erinnerung dann immer wieder? In den zahlreichen und moeglichen Subjektiven sicherlich nach Bedarf. In meinen zahlreichen und moeglichen Subjektiven ganz bestimmt nach Bedarf. weiterlesen »
Theater ist eine zeitbasierte Kunst, Vergaenglichkeit und Aktualitaet sind die beiden Koordinaten, zwischen denen sich die Darstellende Kunst aufspannt. Der wahre Segen dieses Metiers ist die Vergaenglichkeit, denn sie alleine erlaubt es, radikal bis zum Aeussersten zu sein. Die Vergaenglichkeit loest die Kompromisse anderer Kunstgattungen in Zeit auf und oeffnet einen leeren Horizont. weiterlesen »
Leider ist ja die Kunstkritik in Deutschland inzwischen so oede, aengstlich und todlangweilig – was ich allerdings gut verstehen kann, seitdem ich ein gratis Flugticket hin und -rueck nach Reykjavik/Island fuer eine Ausstellungsbesprechung bekommen habe -, dass an einer geistigen Auseinander- setzung interessierte Kuenstler gezwungen sind, selbst zum Kunstkritiker zu werden. weiterlesen »