• Dietmar Grobi Dath Vaders “Heute keine Konferenz”

    “Ich mache jetzt nur noch Scheiße”, heißt es in einem Tagebucheintrag von Arno Schmidt; gemeint sind: journalistische Texte für Zeitungen. Dietmar Dath hat seit 1990 einen ganzen Haufen – nun: journalistische, satirische und essayistische Texte veröffentlicht und sich damit eine eigene Fangemeinde erschrieben. Diese Zeitungstexte werden nun in dem Buch “Heute keine Konferenz” gebündelt. Susanne Lederle hat es für die Berliner Gazette gelesen. weiterlesen »

  • Ich halt mich kaum noch fest

    Ich bin jetzt einen Monat hier in Lomé und habe mich echt schnell eingewoehnt. Ich finde alles hier schon ganz normal, die Lehmstrassen voller Schlagloecher, die Hitze (obwohl die nervt immer noch), die Muecken und so weiter… beim Motofahren halt ich mich auch kaum noch fest! Das Haus, in dem ich wohne, ist sehr schoen und ich hab ein eigenes Zimmer und sogar ein eigenes Bad! Es gibt kaum Kakerlaken, nur Ameisen und manchmal ganz kleine Geckos, die an der Wand langlaufen. Ich wohne in einem netten Viertel mit dem schoenen Namen Nyakonakpoé (hab ewig gebraucht, bis ich mir das merken konnte), direkt neben dem Friedhof. weiterlesen »

  • Auf der Zeitbohrinsel

    Ich bin Choreograph und arbeite an einem Tanzstueck mit meinem Vater. Der erste Impuls dazu kam im letzten Jahr, als mein Vater mich fragte, ob ich ihn nicht in seinem Elternhaus besuchen moechte, um dort gemeinsam mit ihm im Garten die Kirschen zu pfluecken. Er hatte das schon oefter gefragt und ich hatte seine Einladung jedes Mal abgelehnt. Ich hatte nie Zeit – entweder war ich auf Gastspielreise oder probte gerade an einem neuen Stueck. Also ueberlegte ich, wie es moeglich waere, mehr Zeit mit meinem Vater zu verbringen, vielleicht nicht unbedingt Kirschen pflueckend, aber doch das mit Mitte 30 wiedergekehrte Beduerfnis befriedigend, meinem Vater und mir mehr Naehe zueinander zu ermoeglichen. Der praktikabelste Weg schien, meinen Vater in meinen Zeitplan zu integrieren, was nichts anderes hiess, als ein Stueck mit ihm zu machen. Als Pensionaer hat er viel Zeit, also sagte er zu. Ein Jahr lang trafen wir uns gelegentlich zur Vorbereitung und seit vier Wochen leben und arbeiten wir zusammen, um das Stueck zu kreieren. weiterlesen »

  • Weiche Schale, harter Kern

    Ein Loser mit Lockenschopf torkelt angetrunken durch die Notaufnahme. Ist mal wieder eine lange Nacht gewesen fuer Kinderarzt Dr. Ross. Die Schwestern schuetteln verstaendnislos die Koepfe ueber den Womanizer im Arztkittel. Dass dieser huebsche Tollpatsch mit der wuschligen Maehne und den Knopfaugen mal zum Oberarzt mit grauer Kurzhaarfrisur wird, der fuer seine Patienten ueber Leichen geht, ahnt zu diesem Zeitpunkt keine der Schwestern. Dr. Ross ist zwar ein fiktiver Charakter, doch sein Werdegang in der TV-Serie ER, in der von 1994 bis 1999 festes Team-Mitglied ist, aehnelt dem seines Gesichtsgebers George Clooney sehr. weiterlesen »

  • Daumenkino in Zeitlupe

    Superheldencomicverfilmungen – kennen wir. Aber Adaptionen fuer das Theater? Spannend genug, wie ein Kinoregisseur zwischen den Medien uebersetzt. Doch ein Theaterregisseur, der den Stoff eigentlich als Hoerspiel angelegt hat? Ganz einfach: Joerg Buttgereits Captain Berlin vs. Hitler, das einen frei erfundenen Superhelden gegen eine historische Figur antreten laesst, ist ein Theaterstueck, das zwischen Hoerspiel und Comic changiert. Der Tontechniker sitzt wie ein Orchester vor der Buehne und bastelt die Sounds der Geschichte live. Das Buehnenbild besteht aus handgemalten, immer wieder neu verschobenen Papp-Zitaten. Die Figuren selbst kommen mit Zitaten von Gesten und Kostuemen aus: Die Nazi-Sekraeterin, der Vampir, die blonde Jungfrau, etc. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #24

    Einerseits haben die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm nur geringe praktische Konsequenzen (z.B. ein voruebergehender Zulauf fuer einige globalisierungskritische Gruppen). Andererseits sind sie auf der symbolischen Ebene nicht unbedeutend. Es gab nur wenig Streitereien in der Vorbereitungsphase – eine Seltenheit unter den Linken; die moderaten und die staerker offensiven, zu Blockadeaktionen bereiten Gruppen haben sich nicht auseinanderdividieren lassen; die physische Abschirmung der Spitzenpolitiker hat die Exklusivitaet ihrer Zirkel bildstark vor Augen gefuehrt. weiterlesen »

  • Temponauten-Theater

    Wenn alles unter Kontrolle ist, fahren Sie noch nicht schnell genug. Das ist der Sound des Neoliberalismus. Klingt mitunter ganz witzig, wie Lenin auf Speed. Dennoch – seit Jahren beherrscht mich ein merkwuerdiges Gefuehl der Zeitlosigkeit. Als ob der Globalisierungs-Countdown nach 1989 ins Leere gelaufen sei. Vielleicht ist auch eine Schallmauer durchbrochen worden und wir befinden uns im freien Fall nach oben. Eigentlich herrscht nur in den Metropolen rasender Stillstand, waehrend die Walze der Weltwirtschaft durch die Peripherie mahlt. weiterlesen »

  • Virtuelle Zauberwelt

    Es war einmal ein verliebter Mann. Der wollte seiner Geliebten ein kleines, feines Geburtstagsgeschenk kaufen. Er war froh, eine gute Idee zu haben und hatte noch sooo viel Zeit… Er schaute mal hier, mal da, aber immer vergeblich: Es gab immer viel Schoenes, auch Aehnliches, aber nirgends genau das, was sich ihm in den Kopf gesetzt hatte. Der verliebte Mann war in der Welt weit und breit als ueber die Massen stur und unflexibel bekannt. Er schaute in den Spiegel und fragte, ob er einfach etwas Anderes schenken solle. Aber sein Spiegel sagte: Gib nicht so schnell auf! Wenn Du weisst, WAS Du willst und WARUM Du es willst, wirst Du es schon! weiterlesen »

  • genau zwischen die augen

    tausend jahre spaeter und ich bin immer noch da. jeden tag multiple welten, jede stunde eine umschreibung. der autor ist und bleibt eine vorsintflutliche erfindung. das schreiben? bleibt auch. eine bewegung. ich sag’ jetzt mal Godard sagt: le bonheur n’a pas d’histoire. Godard ist einer dieser ueberautoren hier. das glueck ist ein kampf zwischen den augen. genau zwischen die augen. und der zunge. da haelt man manchmal lieber still. ganz still. weiterlesen »

  • Die Rolle der Zeit

    Manche Geschichten sind Verrat, manche sind vertraeumt, manche sind grausam, manche sind zu komisch, um sie zu glauben, manche sind zu schmerzhaft, um sie einfach zu erzaehlen, manche sind zauberhaft, andere sind schlecht gemacht, manche moegen die nackte Wahrheit sein, und manche sind wunderschoen aber man vergisst sie leicht. Eine Erzaehlung ist ein glitschiges Ding. Diese Geschichten werden in Kate McIntoshs Theaterperformance Loose Promise durch jenes Papier miteinander verbunden, auf dem sie geschrieben stehen: Es liegt unter dem Teppich und muss hervorgeholt werden, es zittert und wird nass in den Haenden der Kuenstlerin oder es wird kurzzeitig zur Atemmaske. weiterlesen »

  • Das Kapital in der Handtasche

    Haben Sie schon mal Das Kapital von Marx gelesen? Ich ja – neulich im Theater. Waehrend der Vorstellung wird der erste Band von Das Kapital an die Besucher verteilt, so dass fast jeder eines auf dem Schoss hat. Das Licht geht an, die Seitenzahl wird angesagt, und der ganze Saal blaettert. Wir lesen ueber Akkumulation, vogelfreie Proletarier und kapitalistische Exploitation. Zwischendurch spielt ein Blinder Platten mit lustigen Liedern, die verheissungsvoll auf zukuenftig zu erwerbende Produkte hinweisen. Er ist eigentlich Call-Center-Agent und laesst uns am naechsten Morgen sagen: Last night a DJ saved my life!. weiterlesen »

  • TV, beam me up!

    Fernsehbilder sind Ikonen des fluechtigen Goetzendienstes unserer Zeit. 25 mal pro Sekunde werden sie als 13 Millionen Punkte auf einem 625-Zeilen-Raster auf- und wieder abgebaut, ein prozessuales und punktuelles Mosaik bewegten Lichts. Die Wirklichkeit, die uns das omnipraesente TV-Bild vermittelt, wird als piktorales Potpourri entworfen, auf dessen Flaeche der hyperaktive Blick des Zuschauers von Punkt zu Punkt wandert und wechselnde Verbindungen und Vernetzungen aufleuchten und wieder verloeschen: die Flaeche wird zur Oberflaeche, das Bild zur Punktmenge. weiterlesen »