• Texte taeuschen

    Luat enier Sidtue an eienr elgnhcsien Uvrsnaeiett, ist es eagl in wcheler Rhnfgeeloie die Bstuchbaen in eniem Wrot agnoredent snid. (…) Das legit daarn, dsas wir nhcit jeednn Bstuchbaen aeilln lseen, srednon Wrote als Gzanes. Dieser kleine Text hier scheint zu funktionieren wie eine optische Taeuschung. Wir kompensieren irgendwie das, was erfahrungsgemaess fehlt, falsch oder erwartbar scheint. Optische Taeuschungen kennt – glaube ich – doch jeder, aber linguistische Taeuschungen sind neu – mir zumindest. Oder ist so eine Taeuschung durch Texte doch verbreiteter, als man meinen koennte? weiterlesen »

  • Lesejunkie

    Lesen und Schreiben lernen war fuer mich das groesste Ereignis meiner Kindheit. Nicht, dass ich der fleissigste Schueler war und mich anstrengte, um meine schulischen Pflichten im Sinne der Lehrerauftraege zu erfuellen, im Gegenteil. Mit dem Erlernen dieser Faehig- und Fertigkeiten erschloss sich mir erst muehselig, dann jedoch die Bedeutung erkennend, immer schneller jene andere Welt, die ausserhalb der alltaeglichen Kleinlichkeiten lag. Wenn ich heute einem Jugendlichen erzaehle, dass meine erste Lesekarte, das erste ausgeliehene Buch in der Stadtbuecherei einem Initiationsritus gleichkam, scheint der sich kringeln zu muessen. weiterlesen »

  • Wenn gestern heute wieder morgen ist

    Unser europaeisch-abendlaendisches Zeitverstaendnis beruht auf der Vorstellung der Linearitaet. Demnach spult sich eine einzige gerade Zeitlinie ohne Umwege gleichmaessig ab. Zeit hat demzufolge auch einen Anfang. Zunaechst aufgrund der Bibel und der darin geschilderten Generationenfolge noch in der fruehen Neuzeit auf 4000 Jahre vor Christi Geburt berechnet, uebernahm nach der Aufklaerung (einer Zeitepoche, die en passant auch unsere Zeitvorstellungen aenderte) die Wissenschaft die Rechnungspruefung und schickte die Astronomie und Archaeologie ins Feld, um den Beginn der Erde und den Beginn der Menschheit zu bestimmen. Wenn die Zeit einen Anfang hat, dann muss sie theoretisch auch ein Ende haben. Die Bibel erklaert das mit der Ewigkeit. In ihr ist die lineare Zeit aufgehoben und ein zeitloser Gluecks- oder Elendszustand im Himmel oder in der Hoelle steht am Ende unserer messbaren Zeit. Das juengste Gericht, von den Ur-Christen noch zu ihren Lebzeiten erwartet, leitet diese Nicht-Mehr-Zeit ein. Die Naturwissenschaften erklaeren das Ende der Zeit mit dem Vergluehen der Sonne und dem Verschwinden der Erde in der Bedeutungslosigkeit des Sternenstaubs. weiterlesen »

  • Das stille Oertchen

    Kommt eine Blondine in die Bibliothek und bestellt lauthals ein paar Fritten und einen Milchshake. Die Bibliothekarin guckt sie unglaeubig an und gibt ihr zu verstehen: “Wir sind hier in der Bibliothek.” Die Blondine schaut sich kurz um und dann macht es klick: “Also Fritten und Shake bitte”, wiederholt sie im Fluesterton. Stille und Bibliothek gehoeren zusammen wie Sex und Autokino. Das weiss ja nun wirklich jeder. In der Staats- bibliothek Berlin wird diese Regel sogar von richtigen Biblio- theksschergen durchgesetzt – das mit der Ruhe versteht sich. weiterlesen »

  • Naomi Klein in Berlin

    Oh yeah, I can do optimism, too!, sagt sie und lacht, wie sie schon die ganze Zeit ein Hollywood-Laecheln auf den Lippen hat, obgleich es bislang nichts zu lachen gab, bleckt die Zaehne, schlaegt die Augen auf, lehnt sich nach vorne und sagt: >Katastrophen-Kollektivismus ist die Alternative zu Katastrophen-Kapitalismus. Ueber Letzteres hat Naomi Klein an ihrem ersten Abend in Berlin bislang gesprochen, also darueber, wie sich die Wirtschaft Verwuestungen durch Terror, Natur und Unfaelle zu Nutze macht, um eine neue Welt gaenzlich nach den Regeln des Neoliberalismus zu erschaffen, des Kapitalismus in seiner reinsten und gewaltsamsten Form. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #21

    2001 war die globalisierungskritische Bewegung in einer doppelten Krise. Einerseits wegen der Gewalteskalation beim G-8-Treffen in Genua. Andererseits wegen des 11. September. Damit wurden die Kapitalismuskritik nicht nur aus den Schlagzeiten verdraengt. Sie wurde auch delegitimiert, weil einzelne Argumentationsreihen, etwa Kommerzkritik und Kritik an der US-Hegemonie den Argumenten der bin-Laden-Leute aehnelten. weiterlesen »

  • Von einem der auszog

    Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die schon bunt schimmernden Baeume, Kastanien und Eichen saeumen hier und dort den Wegesrand und die Geraeuschkulisse zeichnet sich durch sanftes Hundegebell, munteres Entengeschnatter, das Kikeriki eines Hahns oder das laute I-A eines Esels aus. Die Szene koennte einem Bilderbuch entnommen sein, und doch darf ich ein so idyllisches Doerfchen meinen Heimatort nennen – noch. Denn Herbst, das heisst nicht nur Stoppelfelder und Drachensteigen, sondern fuer viele junge Menschen auch der Beginn der Ausbildung oder des Studiums. Das zieht oft eine voellige Umstrukturierung des Lebens nach sich und damit verbunden vielleicht auch einen Wohnortwechsel und genau dort zeigen sich die ersten Schwierigkeiten. weiterlesen »

  • Von Sozialschmarotzern, Flaschensammlern und Juergen

    Ich hatte mein Portemonnaie verloren. Vielleicht stahl man es mir. So meine Hoffnung. Wahrscheinlich aber habe ich es einfach nur verbaselt, Schusseligkeit, eigene Bloedheit also. Es war zum Schreien. Ich verlor mein Portemonnaie schon oefter, drei mal lief es mir schon nach. In Mexiko Stadt sogar wortwoertlich. Ich musste schnell Geld abheben und rannte zu einer Bank in der Naehe des Restaurants, in dem der Kellner auf die Begleichung der Rechnung wartete. Ploetzlich wurde ich von einem jungen Mann verfolgt, der mir schreiend und wild gestikulierend folgte. Ich rettete mich voll Angst bis in die Bank, wo er mir wortlos, mit boesem Gesicht, mein Portemonnaie in die Hand drueckte. weiterlesen »

  • Abenteuer auf wirren Lesekontinenten

    Wenn ich die gruen-schwarz-gescheckte Glastuer zu dem schwimmhallenaehnlichen Gebaeude oeffnete, wurde ich sofort von diesem Geruch empfangen: Buecher. Vermutlich roch es nur nach ranzigem Teppich, dem heimlichen Klo-Zigarettenqualm der Bibliothekarinnen und anderen olfaktorischen Ungereimtheiten einer oeffentlichen Bibliothek. Doch wie bei Pawlows Hund loeste dieser Geruch bei mir einen Reflex aus. Ich wusste: Hier wird mein Lesehunger gesaettigt. Meine Ausfluege in die Bibliothek waren ein Ritual. Zunaechst blaetterte ich wichtigtuerisch in der NdL, dann verzog ich mich in die Geschichtsabteilung und knabberte an ein paar Nazi-Schinken. Und schliesslich war die Belletristik dran. weiterlesen »

  • Lesen und lesen lassen

    Ich bin bekennende Leseratte und trage seit meiner Jugend eine Brille, die fuer mich wie ein Orden fuer Leseratten ist. Durch das viele Lesen im Neonroehrenlicht bei einem laengeren Studienaufenthalt in China, wurden die Glaeser meiner Brille immer dicker. Heute bin ich halbblind, aber es reicht noch nicht fuer einen Blindenzuschlag. Frueher, in meiner Jugend und im Zeitalter ohne Internet, ging ich einmal woechentlich in die Bibliothek, um stapelweise Weltliteratur wie Fuenf Freunde oder Die drei ??? zu holen. Mit einer Geschichte ueber das Pony Struwwel und seine Begleiterin gewann ich sogar einen Vorlesewettbewerb, obwohl ich Pferde eigentlich hasste. weiterlesen »

  • Religiöse Zeitumstellung

    Ich habe mich schon im Studium Anfang der 90er Jahre mit den islamischen Bewegungen und dem Politischen Islam beschaeftigt. Und dann tauchte da ploetzlich eine neue Richtung auf: Junge, sehr modebewusste, sehr erfolgsorientierte Muslime, die zugleich tiefreligioes sind. Viele der Jugendlichen kommen aus der Mittelschicht, oder sogar die Kinder der Oberschicht in den arabischen Laendern sind dabei. Die Jugendlichen also, von denen wir, der Westen, immer dachten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie ganz so werden wie wir. Zunaechst erscheint diese Bewegung unpolitisch. Sie setzt darauf, dass jeder einzelne Muslim etwas aus seinem Leben macht, ein besserer Mensch und ein besserer Muslim wird und dadurch im Endergebnis die Gesellschaft besser, also islamischer wird. So soll dann auch die islamische Ummah aus ihrer derzeitigen Krise gezogen werden. Wichtig fuer die Bewegung sind Prediger wie Amr Khaled oder Musiker wie Sami Yusuf. Das Phaenomen ist sehr global: Junge Muslime in Kairo, Dschidda, Tokio und Berlin hoeren die gleiche Musik, sehen die gleichen religioesen Talk-Shows und tragen sogar das Kopftuch nach aehnlicher Mode gebunden. Der Terror im Namen des Islam und der Kampf dagegen bestaerkt sie eher in ihrer muslimischen Identitaet – nach dem Motto: Ihr seht mich als anders, ich bin auch anders und das ist cool. weiterlesen »

  • Autopilot Text

    Das Wort “Lesen” bedeutet eigentlich sorgfaeltiges Aufsammeln. Wein wird gelesen, gute und schlechte Linsen, oder Faehrten. Doch meist Sammeln wir Zeichen auf in Form von Texten. Die urspruengliche Sorgfalt unterliegt dabei einem immer staerker werdenden Beschleunigungsdruck und wird an ihrer Effizienz gemessen. So sind Schnelllesekurse auch Symptome eines multimedial forcierten Blicks vor dem immer naechsten “switch” und einer Flucht vor der Beharrlichkeit. (Keine Sorge, ich frage hier nicht wie oft der Buchstabe “e” im obigen Abschnitt vorkommt.) weiterlesen »