Pick of the Week N° 5
Seit Jahren bibliografiert, archiviert und kommentiert der Ehrenglauser-Preisträger Thomas Przybilka in seinem BoKAS (= Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur) wissenschaftliche und publizistische Arbeiten aus aller Welt, die sich mit den unendlichen Facetten von Kriminalliteratur befassen. In unregelmäßig regelmäßigen Abständen erscheinen dann seine unschätzbar wertvollen Zusammenfassungen der aktuellen Sekundärliteratur, die jeder zur Kenntnis nehmen muss, der sich auch nur ein bisschen über seine Lieblingsliteratur kundig machen möchte. Ein solcher „Newsletter“ hat leicht einmal 160 bis 200 Seiten; deswegen empfiehlt CrimeMag jede Woche ein paar Titel aus dieser Fülle, die uns besonders bemerkenswert erscheinen.
Es ist mir immer wieder ein Vergnügen,
auf Referenzliteratur zum Krimi hinzuweisen, wenn diese Bücher eine Vielzahl an Informationen transportieren. In der Reihe Greenwood Icons ist im Sommer letzten Jahres das 2-bändige Nachschlagewerk zu Säulenheiligen der „Western Popular Culture“ erschienen. Mitzi M. Brunsdale hat auf 780 Seiten 24 „Icons“ porträtiert: Ermittler aus Kriminalliteratur & Kriminalfilm/TV und Autorinnen und Autoren des Genres. Naturgemäß fiel die Auswahl auf Figuren und Autoren des anglo-amerikanischen Sprachraums, einziger „Ausreißer“ ist das Porträt von Inspektor Jules Maigret. Jedes der 24 sehr umfangreichen Kapitel wird mit einem Foto eröffnet, gefolgt von einem Artikel zum „Historical/Cultural Context“, weiterhin eine ausführliche Biografie und Hintergründe zum Personal in Buch und Film. Clever gemacht ist die „Parallel Chronology“, in dieser Zeitleiste stehen wichtige Ereignisse z.B. im Leben des Autors denen gegenüber, die seinerzeit die Welt bewegten (Major Events Related to … / World Events). Jedes Kapitel wird mit einem Werkverzeichnis abgeschlossen, dem schließt sich eine erfreulich große Auflistung der Sekundärliteratur an, vielfach ergänzt durch ein Verzeichnis relevanter Websites. In den Artikeln selbst sind grau hinterlegte Texteinschübe z.B. über „Important Navaja Terms“ oder „Selected Native American Fictional Sleuths and Their Authors“ (Kapitel zu Tony Hillerman) eingefügt. Ein Index erschließt die beiden Bände „Icons of Mystery and Crime Detection“. Diese beiden Bände rechtfertigen aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses den recht üppigen Preis von £ 120,95. Liebhaber der nachfolgend aufgeführten Personen, Darsteller und/oder Autoren dürften mit diesem informativen Nachschlagewerk voll auf ihre Kosten kommen. In ihrem Vorwort nimmt Mitzi M. Brunsdale kurz Stellung zu ihren Auswahlkriterien: „The choice of subjects for any such study is always open to question. I regret that although impressive black and gay/lesbian figures appear in comtemporary detective film and fiction, like Sidney Poitier’s portrayal of Virgil Tibbs in The Heat of the Night and private detective Dave Brandstetter in Joseph Hansen’s novel, Western popular culture has not yet awarded them iconic status.“ Wer bereits „Mystery & Suspense Writers. The Literature of Crime, Detection, and Espionage“ von Winks & Corrigan in seine Handbibliothek zum Krimi eingereiht hat, den werden die Informationen in den „Icons“ als Ergänzungen freuen.
Inhalt:
- Band 1. Batman – The Herculean Detective / James Bond – The Byronic Spy / Father Brown – The Clerical Sleuth / Charlie Chan – „The First Nonwhite Popular Datective“ / Agatha Christie – Creator of Hercule Poirot, the Foreign Sleuth, and Miss Jane Marple, the Elderly Snoop / Inspector Clouseau – The Detective as Buffoon / Columbo – The Disheveled Detective / „Dragnet“ – Television’s Most Famous Police Drama / Nancy Drew – The Girl Detective / Jessica Fletcher – The Mystery Writer Snoop / Mike Hammer – A Very Imperfect, Far from Gentle Knight / Dirty Harry – The Vigilante Cop.
- Band 2. Tony Hillerman – Creator of Ethnic Detectives Joe Leaphorn and Jim Chee / Alfred Hitchcock – Cinema’s Master of Suspense / Sherlock Holmes – The Genius Detective / Inspector Jules Maigret – The Gallic Gumshoe / Philip Marlowe – The Detective as Knight Errant / Perry Mason – The Legal Sleuth / Edgar Allan Poe – The Father of Detective Fiction / Dorothy L. Sayers – Creator of Lord Peter Wimsex, the Aristocratic Sleuth / Sam Spade – The Hard-Boiled Private Eye / Dick Tracy – The First Comic Strip Police Detective Hero / Nero Wolfe – The Armchair Sleuth / Zorro – The Masked Avenger.
Mitzi M. Brunsdale ist Professor für Englisch an der Mayville State University, Mayville, North Dakota.
Brunsdale, Mitzi M.: Icons of Mystery and Crime Detection. From Sleuths to Superheroes. 2010, 2 Bde, 780 S., 24 s/w Fotos, ABC-Clio (Greenwood, Greenwood Icons), 978-0-313-34530-2, £ 120,95
Die Herausgeber baten diverse AutorInnen um Beiträge zu den verschiedenen Formen und Darstellungen von Gewalt in der zeitgenössischen Kriminalliteratur aus Mexiko, den USA und Australien. Es entstand so ein Blick auf die vielen Variationen der (schriftlichen) Verbrechensdarstellung in der Gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts (la subversion des codes policiers / la fictionnalisation du crime / la barbarie ordinaire).
Neben den literaturwissenschaftlichen Analysen diskutierten aber auch zeitgenössische Autoren über dieses Thema (Paco Ignacio Taibo II, Jérôme Leroy, Claude Mesplède und Claudie Guimet: „Les littératures policières – une écriture de l’inquiétude?“).
Fourez, Cathy / Martinez, Victor / Villatte, Raphaël (Hg): Quand le délit est dans les textes. Le genre policier, une littérature de l’excès? 2011, 177 S., 1 Illustration, Verlag Peter Lang (Comparatisme et Société, Bd. 14), 978-90-5201-691-7, 38,00 Euro.
Wenn Sonny Crockett und Ricardo Tubb …
… den Biscayne Boulevard durch Venice in ihrem schwarzen Ferrari hinunterbretterten, dann war im Fernsehen die Polizei-Serie „Miami Vice“ angesagt. Vermutlich war keinem der Zuschauer seit Mitte der 1980er Jahre bekannt, dass jede Episode dieser TV-Serie unglaubliche 1,3 Millionen US-Dollar verschlang. Produzent Michael Mann gelang es, mit „Miami Vice“ – stets zur Prime Time im TV – den Polizeifilm im Fernsehen neu zu definieren. Laut Steven Sanders, Professor für Philosophie am Massachusetts State College in Bridgewater, ist diese Serie auch noch nach 25 Jahren auf Grund ihrer visuellen und filmmusikalischen Einzigartigkeit, der Darstellung sozialer, moralischer, politischer und philosophischer Gegegebenheiten dieser Zeit sehenswert. Er gliedert seine Analyse von „Miami Vice“ in vier Kapitel.
Der soziale, politische und kulturelle Hintergrund wird im 1. Kapitel analysiert. Im 2. Kapitel wählte Sanders vier Schlüsselepisoden der Serie, um bestimmte Themen (z.b. visueller Stil und Umsetzung) zu überprüfen. In Kapitel 3 wird beleuchtet, ob die Umsetzung und Darstellung von Authentizität, politischer Korruption und dem Kampf gegen Drogen innerhalb der Serie gelingt. Im 4. Kapitel legt Sanders dar, warum „Miami Vice“ auch heute noch an Filmhochschulen Eingang in der Lehrplan findet.
Steven Sanders ist emeritierter Professor für Philosophie, er ist Herausgeber von „The Philosophy of Science Fiction Film“ und u.a. Autor von Beiträgen zu den Büchern „Film Noir. The Encyclopedia“ und Blackwell’s „Companion to Film Noir“.
Sanders, Steven: Miami Vice. 2010, 128 S., 23 Fotos, Wayne State University Press (TV Milestones Series), 978-0814334195, US $ 14,95
Thomas Przybilka
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