Geschrieben am 14. April 2012 von für Carlos, Crimemag

Carlos


Jeder Mensch hat seine zarten und sensiblen Seiten. Manchmal brechen sie mit aller Macht durch. So wie hier, in

Carlos‘ Tagebuch,

das uns durch den April begleiten wird …

1. Liebes Tagebuch! Dann wollen wir mal den vierten Monat angehen, wenn der rum ist, wird alles besser. Ich weiß, das schrieb ich dieses Jahr schon drei Mal.

D. schickt mich in den April, mehrfach. Dass ich den Rücktritt Gaucks wegen Uranhandels geglaubt habe, ist ja noch verzeihlich, aber das mit den Marsmenschen in Radolfzell … Ich glaube ihr sogar den angeblich diagnostizierten Gebärmutterhalskrebs eine Weile, aber sie ist dann doch zu heiter dafür. Manchmal frage ich mich, ob meine Frau ein guter Mensch ist.

Am Nachmittag habe ich mich noch ein bisschen an meinen Plot gesetzt – ein bisschen. Dann war schon alles rum.

Abends Dauerwerbesendung für Messer, D. verhindert eine Bestellung. Danach einen Geschlechtsverkehr.

2. Neuer Tag, neues Glück! Um mich zu motivieren, google ich mich selbst! Stelle fest, dass jedes meiner Bücher inzwischen für einen Cent zu erwerben ist. Das war dann wohl keine so gute Idee. Geh in den Wald und renne vor einer Wildsau davon.

Am Nachmittag dann doch noch eine Idee – die Nonne war es gar nicht alleine, sondern sie hat aus ihrer Zeit als Soulsängerin noch Briefkontakt mit einem Bandmitglied, das aber bei einer Schießerei den Finger, daher nicht mehr, das das das das bringt auch nichts. (Was soll ich um Gottes Willen am Ostersamstag in der Kolumne schreiben? Oder gibt’s Osterpause? Hoffnung!)

Habe plötzlich so starken Hunger! Aber ’s ist kein Brot nit im Haus! Bin zu faul, zum Bäcker zu gehen und fresse Lyoner aus der Hand.

Abends eine E-Mail: Ob ich einem dreizehnjährigen Mitbürger mit osmanischem Migrationshintergrund erklären könne, worum es in meinem Buch „Schattendasein“ geht, er halte morgen ein Referat. Etwas naiv – aber: Selbst wenn ich helfen wollte – ich erinnere mich überhaupt nicht mehr an den Inhalt.

Panisches Kettenrauchen auf der Terrasse, zumal mir auch D.’s Aufenthaltsort plötzlich entfallen ist. Sie war dann im Wohnzimmer und steckte Nadeln in eine kleine Vodoopuppe. Die Puppe ähnelt mir überhaupt nicht, schließlich bin ich nicht klein!

3. Der juvenile Migrant schreibt, ich sei ein Arschloch, weil ich nicht antworte und er hat jetzt eine Sechs und er wird sich rächen.

D. ist arbeiten – ich sitze vor dem Rechner und arbeite nicht.

Gegen Mittag eine Wissenssendung im Fernsehen. Feststellung: Wenn man zu einem Schulprogramm parralell parallel paralell  gleichzeitig der Gattin die hustensaftähnlichen Aperitifbestände wegtrinkt, dann gelingt es sogar während Werbepausen das Thema der Sendung zu vergessen.

Dann an die Arbeit … Ich lösche alles und fange neu an: Ich schreibe: ______________

Anruf meines Agenten, ich gebe mich als Installateur aus. Gegenfrage, warum ich dann überhaupt an anderer Leute Telefon gehe.

Ich hänge auf.

Jetzt weiß ich es wieder: Es ging in dem Film um Zebras und deren Gefährlichkeit.

D. kommt nach Hause.

Später sitzen wir auf der Terrasse und rauchen. Wortlos trinkt sie meinen Maltwhisky. Ich lasse mir nichts anmerken.

4. Heute habe ich zehn Seiten geschrieben! Dann alles durchgelesen und weinend gelöscht. D. fragt, was es gibt. Ich sage: Let’s dance. Sie meinte, zu essen. Reste, müssen weg!, antworte ich schneidig!

Scheiße, die Kolumne!!!!!

Reste sind leider in eine andere Daseinsform getreten. Aber eine Dose Ravioli aus dem Nachlass meiner Mutter s. a. ist ja sozusagen auch ein Rest.

(Die Kolumne …)

5. Alles wird gut! Ich hab‘ noch eine über Möllemann aus grauer Vorzeit, das wird schon keiner mitkriegen.

Schonend formulierte, aber eindeutige Antwort aus Berlin. Ist schon lange tot (Teufel auch!), „passt irgendwie nicht …“ Seitdem habe ich ein hartnäckiges Trommelfellflattern, das sich aber, wie ich unter der Abfassung dieser Zeilen feststellen darf, mit Pinot Blanc heilen lässt. Merke: Wenn man Psychopharmaka zu niedrig dosiert, wirken sie nicht!

Gehe euphorisch zu Edeka, gedenke, D. durch ein raffiniertes Mahl mit mir zu versöhnen, habe aber leider keinen Euro für einen Wagen.

Ich bestelle eine „Alles-Big“ und eine Marinara zum Holen – schließlich ist D. von der Ostsee! Und der kleine Schlenker zu „Mehmet’s Pizzaservice“, wo sie doch ohnehin schon eine Stunde Pendelzeit gewohnt ist, der wird sie schon nicht umbringen!

6. Karfreitag ist ein Feiertag – ja, doch seit dem Nasenbluten an der Rewe-Tür ist mir das auch wieder klar. Dabei hatte ich diesmal einen Euro!

Arbeit am Plot, erstes Kapitel zum dritten Mal angefangen, rasche Trunkenheit – das einzig verlässliche in meinem Leben ist diese Fledermaus in der Dämmerung und dass D. alle Tankrechnungen aufbewahrt, ohne dass das steuerlich o. ä. das Geringste brächte.

7. Ein Migräneanfall – der erste, seit ich unsere Haushaltshilfe beim hochsommerlichen Nacktputzen überrascht habe.

Teilweiser Gesichtsfeldausfall – an Schreiben ist nicht zu denken. Eigentlich gar nicht schlecht, so ein Migräneanfall.

Aha: Meine Kolumne sei „in der Osterpause“. Mich kann nichts mehr kränken …

8. D. hat mir ein Ostergeschenk, ich habe ihr keines. Ich schäme mich. Andererseits: Sie hat mir ein Produkt gegen Mundgeruch geschenkt. Sie hat eben keinen.

Abendlicher Versuch, das Eheleben aufzupeppen:

Ich: Auf einer Skala von 1 = gar nicht bis 20 = unermesslich, wie stark ist momentan dein erotisches Verlangen nach mir?

D.: Solche Fragen mag ich nicht.
Ich: Warum denn nicht?
D: So was kann man nicht messen!
Ich: Aber schätzen.
D: –
Ich: Ach, komm!
D: –
Ich: Ist es einstellig?
D.: Was? Ja. Natürlich.

Der Osterabend endet unschön, aber immerhin verschwommen.

9. Mail vom Migranten: Ich sei schwul, fett und dumm. Dabei bin ich doch gar nicht schwul.

Totale Schreibblockade, Krämpfe, später fernsehen.

D. hat sich ein neues Kleid gekauft und fragt, wie es mir gefällt, es erinnert mich ein wenig an die späte Hannelore Kohl. Um D. nicht zu kränken, sondern behutsam abzulenken, behaupte ich, ihr Bruder habe sich erschossen.

Das hat jetzt aber Stunden gedauert, die Sache wieder einigermaßen auszubügeln. Kein Wunder, dass ich nicht zum Schreiben komme.

Ganz spät in der Nacht: Auch heute war Feiertag – wo kommt das Kleid her?

10. Ich bin auf die thailändischen Nelkenzigaretten, die meine Schwester vergessen hat, umgestiegen. Der Geschmack erinnert mich an kindliche Weihnachtsfreuden. Auch in Thailand gibt es die Warntafeln auf der Schachtel: „Impotensi“ klingt eigentlich ganz hübsch!

Anscheinend war D. auf einem Flohmarkt, daher das Kleid. Ich habe sie hingefahren, sie habe mich später aus „Heiko’s Zwitscherstube“ geholt, quasi getragen, alles das vor einem Monat und höchst unerfreulich – das habe ihr das Kleid auf Wochen vergällt.

Gott sei Dank weiß ich das nicht mehr.

11. Habe jetzt immerhin einen Schluss: „Magnus ging noch einmal durch die leeren Räume, nur noch der Schatten der Kommode auf der Tapete.“

Na gut, es ist immerhin fast ein Satz.

Wie klingt Rauhfasertapete?

Oder doch besser Hawaiitapete?

Der Plot ist das Problem – ich habe keinen Plot …

12. Werde endlich mal wieder erkannt – in der Straßenbahn. Wann das nächste Buch herauskommt, fragt ein älterer Herr. „Ich bin dran“, sage ich und merke, wie mir der Schweiß ausbricht.

„Das ist Wolfgang Burger“, sagt der Mann zu seiner Frau. Ich steige aus und weiß kurz nicht, wo ich bin.

Abends gebe ich mir endlich mal wieder richtig Mühe beim Kochen!

D. erinnert mich an ihr gestern begonnenes mehrwöchiges Heilfasten. Ich hätte es wissen müssen, erstens sowieso und zweitens liegt die Kinderschokolade 24 Stunden unversehrt auf dem DVD-Player. Und auf dem Haustürschlüssel, den ich letzte Woche habe nachmachen lassen.

Ich lösche den Satz mit der Kommode.

13. Mein Agent ruft an. Ich verstecke mich unter dem Küchentisch. D. hat Ihre Chefin zum  Abendessen eingeladen und fragt: Was machst du da?

Meine Antwort: Ich arbeite!, vermag die Situation nicht zu bessern.

Aber ich weiß jetzt, dass die Chefin einen Tangaslip besitzt.

14. Heute las ich statt „Heidelberg“ „Heiden am Werk“, dann wurde es noch toller. Um mich abzulenken, versuchte ich mir einen Geschlechtsverkehr mit einer jungen Frau vorzustellen, aber mir fiel keine ein.

Diese Verwirrtheit hielt eine halbe Stunde an, dann wurde es alles wieder besser. Ich hätte in der Zeit auf keinen Fall die Spülmaschine ausräumen dürfen. Wo sind die Messer?

(… wird fortgesetzt)

Carlo Schäfer

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