Geschrieben am 6. Oktober 2012 von für Carlos, Crimemag

Carlos

Nach Sitten und Literatur nimmt sich Carlos jetzt den Tatort vor! Mahnende Worte!

Lieber Tatort,

natürlich auch: Lieber Polizeiruf 110, der du, mit dem Sand- und Ampelmännchen, der Beweis bist, dass wir Wessis euch gar nicht abgewickelt haben! Hier heißt du jetzt aber doch: Tatort.

Lieber Tatort,

ich kuck dich immer mal wieder, aber nicht immer. (Es ist nicht persönlich gemeint, aber das stände ich wohl nicht durch.)

Also habe ich kaum das Recht, dir irgendetwas nahe legen zu können – aber Wünsche darf man ja äußern.

Lieber Tatort, muss es so oft Kindesmissbrauch sein? Fällt deinen Schreibern gar nix anderes mehr ein? Ich würde ja, aber du willst mich ja nicht …

Nicht nur, dass ständig Kinder verhungern, vergewaltigt, vermietet, erschossen werden, muss das immer im Verbund mit „falschen“, nämlich nicht-biologischen Stief- und Pflegeeltern geschehen?

Natürlich, du bist voll auf der Höhe der Zeit: Der entsorgte Mann, der entsorgte Vater, die vaterlose Gesellschaft, das sind alles Hits in Buch und Film, aber kannst du nicht auch einmal jemanden durchs Bild laufen lassen, der:

Beim Jugendamt arbeitet, aber kein Arschloch ist.

Ein Kind ohne sexuelle und/oder finanzielle Interessen annimmt.

Geht nicht?

Okay.

Wie wäre es damit – bleiben wir kurz bei den lieben Kindlein. Die Polizisten, vor allem Polizistinnen haben Kinder, und mit denen klappt das so weit.

Weder lehnen sie Mutters Revoluzzertum ab, noch gehen sie verloren, sie werfen sich auch keinem Abschaum an den Hals, so sie erwachsen oder zumindest geschlechtsreif sind.

Im Gegenzug aber vergessen die Amtsträger nicht ständig mit dem Nachwuchs vereinbarte Termine oder gleich den ganzen Nachwuchs bei der Oma.

Das nervt ein bisschen und macht deine Bullen nicht menschlicher.

Ginge das?

Nein?

Okay.

Aber möglicherweise, ich meine, das ist doch drin: Ab und zu mal ist ein Polizist, resp. eine Polizistin in einer Beziehung, gar Ehe, die nicht alle halbe Stunde zu scheitern droht.

Also so – einigermaßen normal?

Klar, dann müssten es die Plots bringen und das tun sie nicht immer – im letzten Kurtulus-Tatort gab es ja in dem Sinn gar keinen, aber eine pränatale Kindstötung, eine postnatale, Beziehungselend sowieso … Aber selbst das macht doch nichts! Die völlig unkundigen Handkejünger in den feinen Blättern betonen doch gerade dann, dass der Krimi zwar „etwas überstilisiert“ sei, aber „künstlerisch“ den sonstigen usw.

Also insofern, Tatort, da wäre doch mal was drin oder?

Auch nicht okay.

Dann wünsche ich mir das: Ein Kurde und ein Kurtulus verhandeln in der Alhambra in einer fremden Sprache. Ein deutscher Ermittler, der sich dort von seiner Scheidung erholt und sich um seine Tochter Sorgen macht, versteht es aber, weil er früher mit einer Türkin verheiratet war. Es geht um Zwangsverheiratung im großen Stil.

Zurück in Deutschland hält ihn das so in Trab, dass er ums Verrecken keine Zeit hat, seine Tochter aus einem kirgisischen Bordell zu befreien.

Im Showdown kommt es dann in eben diesem kirgisischen Bordell, der zugunsten des Ermittlers ausgeht, weil Kurtulus die Seiten wechselt, weil er die Ermittlertochter …

Am Ende, viele befreit, aber auch viele tot, vor allem sehr Kurtulus.

Letztes Bild, Tochter rennt in die Regennacht, angeschossener Ermittler kann sie nicht halten.

Sie ruft: „Du Schwein!“

Das geht, Tatort?

Na prima!

Carlo Schäfer

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