Geschrieben am 16. März 2013 von für Carlos, Crimemag

Carlos

carlos41

Darf Carlos das? Carlos darf das!

Handicapped_Accessible_sign.svgBehinderte

(Vorab: Ich bin sogenannter funktionaler Einäuger und habe seit dreißig Jahren einen Tinnitus, mit dem man einen Sennenhund trockenföhnen könnte. Ich darf also alles Folgende.)

Der unklare Fall des Paralympioniken und neuerdings auch Meisterschützen Oscar Pistorius hat in vielen Foren praktisch gleichlautende Statements evoziert: „Aber er hat doch so viele Menschen inspiriert!“

Nun, mich nicht.

Oscar_Pistorius_Daegu_2011Ich möchte betonen, dass Behinderte erst dann wirklich in der Gesellschaft aufgenommen sein werden, wenn man beispielsweise die ein oder andere ihrer sportlichen Tätigkeiten lächerlich und verzichtbar nennen dürfte.

Und einer muss ja mal anfangen.

Dass die jungen Herrn und Damen auf Sprungfedern wieselflink unterwegs sein können, ist ja wunderbar. Dass sie aber derer immer schnellgewaltigere wählen, dadurch in einem Jahr wachsen wie sonst nur seltene Bambussorten, hat dann doch wieder diese kleinliche Bastel- und Beschisswütigkeit, die wir am Rodeln und Bobfahrern schon nicht mögen. Durch die Wirrnisse der ganzen  Schadensstufen wird es wohl auch für den ein oder anderen attraktiv werden, sich das verbliebene Bein auch noch absägen zu lassen, weil er dann schneller und inspirierender wird. Wenn es denn nicht schon längst passiert ist.

Biathlon für Blinde, Schießen (!) in Kombination mit Skilanglauf leuchtet mir auch nicht ein.

Warum nicht Boxen für Blinde? Unwürdig? Je nun.

Ich musste einst, damals noch Lehrer, einen Kollegenausflug in das sogenannte „Haus der Sinne“ in Wiesbaden durchleiden. Eine einzige anthroposophische Großgaunerei, die sich unter anderem mit einer „Dunkelbar“ dick tut, einem stockdunklen Kellerloch, in dem ein blinder Barkeeper namens Hermann ein strenges Regiment führt. Ich weiß, ich weiß, solche sinnesreduzierten Gastroevents sind der letzte Schrei, ich fand’s einfach doof.

  • 1. Hermann betrog, schenkte billigsten Tütencappuccino aus. Natürlich soffen alle das Ekelgebräu klaglos, vermutlich weil der Barmann sie inspirierte.
  • 2. Hermann war tyrannisch: Als wir an der Bar einige Scherze machten (politisch korrekte!), befahl uns der Maître zu schweigen, um unsere Sinne zu schärfen.
  • 3. Wenn es drauf ankam, spielte der Herr seine gelbe Karte mit den drei schwarzen Punkten auch gerne mal aus.
    Besucherin (aus dem Dunkel, aber Typ hennadepri Zweitlebenshälfterin, frisch geschieden): „Wie es hier wohl aussieht?“
    Hermann: „Das wüsste ich auch gerne. (Kunstpause) Seit sieben Jahren …“

Ach und Weh von allen Seiten sowie größere Trinkgeldneigung.

  • 4. Die sogenannte „Bar“ war der Prohibition unterworfen. So lasst uns froh und dunkel herumsitzen.
Ich mag Hermann nicht.

Und wenn mich im Bus die Rollis rammen, tut mir das weh, grade so, wie wenn es ein Flughafen-Trolley ist – kein Unterschied.

Oswald_von_Wolkenstein_2Zum Schluss: Das blinde Auge ist mein rechtes. Infolge seiner Beschäftigungslosigkeit haben alle es bedienende Muskeln schlapp gemacht. Meine tote Pupille hängt sozusagen rechts von der NPD herum.

Und das sieht doof aus – richtig doof.

Ich hoffe nun, durch dieses Bekenntnis möglichst viele Menschen inspiriert zu haben.

Die, die doof aussehen, die, die doof sind.

Carlo Schäfer

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Bild: Oswald von Wolkenstein – Porträt aus der Innsbrucker Handschrift von 1432 (Liederhandschrift B), Quelle: wikimedia commons, public domain. Foto Pistorius: Erik van Leeuwen, wikimedia commons.

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