Geschrieben am 29. Mai 2010 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Carlos Krimischmiede

Der Fall des Ezechiel Rammsauter, Teil 2

Folgen Sie Carlo Schäfer in seine Krimischmiede … Heute erfreuen wir uns an Teil 2 eines Großprojektes, das wir schon am 20. März kennenlernen durften. Das ist raffiniert, weil Sie den 1. Teil der Kolumne noch einmal lesen dürfen …

In den nächsten Tagen überprüfen wir die STUDENTEN. Nichts. Überhaupt nichts. Langweiliges frommes Volk.

Rammsauter kontert, dass das der Beweis sei, denn Satanisten, die sich als solche zu erkennen gäben, seien minderschlimmer Art und mit denen würde er notfalls alleine fertig. Wir sollen weitermachen. Also gut, wir machen weiter, wir brauchen das Geld. Nur: Was sollen wir tun?

„Eule?“, wimmert es hinter meinem Rücken.

„Was?“

„Hunger.“

„Iss.“

Schmoll beginnt etwas zu kauen. Später sollten wir feststellen, dass es alle bisherigen Notizen zum Fall waren.

Anderer Tag: Stalin jagt einen Korken. Die dazugehörige Flasche ist weg. Ich halte es nicht mehr aus. „Hier ist der automatische Anrufbeantworter von Tobias Schmoll. Ich möchte eine Familypizza mit doppelter Portion Nizzasalat … PIEP!“

„Schmoll!“, schreie ich fassungslos. „Muss es denn immer ums Essen gehen?!“

Er nimmt ab. „Um was denn sonst? Ich bin doch kein Alkoholiker …“

„Bist du glücklich Schmoll?“

„Wenn ich satt bin …“, kommt es müde, „wenn ich satt bin, Eule, wenn ich satt, pappsatt bin, dann, Eule, dann bin ich glücklich … sehr glücklich. Aber ich bin niemals satt.“

„Haben wir noch einen anderen Fall, Schmoll? Irgendwas, um einen Monat lang trockene Tütensuppe bunkern zu können? Können wir vielleicht für irgendeinen geschmackvollen Russen Schutzgeld eintreiben? Ich habe kein gutes Gefühl …“

„Nichts – mampf, mampf – Eule, aber was sind gute Gefühle? Sind sie bitter, salzig, sauer oder herb?“

„Du hast süß vergessen.“

„Sind sie süß?“

„Ja“, sage ich erschöpft. „Sie sind sehr süß.“

Wir treffen uns auf Rammsauters Wunsch im Wald. Warum nicht? Aber ich muss ihm die Wahrheit sagen, auch wenn es unseren Ruin bedeutet. Es regnet. Schmoll schützt sich mit einem Sonnenschirm.

„Wir haben nichts herausgefunden“, höre ich mich sagen. „Ich bezweifle sowieso, dass es etwas herauszufinden gibt. Jemand ist tot. Die anderen haben nichts mit der Sache zu tun.“

Rammsauter schweigt. Man hört nur den Regen. „Ein Mensch ist tot. Nichts weiter. Die Herren wollen nichts tun.“

„Wir können, KÖNNEN nichts tun …“

„Dann hat er gewonnen“, Rammsauters Stimme grollt wie Donner. „Der ohne Namen.“

„Ich habe Angst“, wimmert Schmoll. „Und Hunger.“

„PLAN B!“, schreit der Pfarrer.

Ein schmerbäuchiger Mann tritt aus dem Unterholz.

Schmoll zieht eine Spielzeugwaffe.

„Hände in den Himmel!“, schreit er.

„Ich bin Arzt“, versetzt der Bedrohte würdig. „Sie sind zu dick. Treiben Sie Sport. Trinken Sie ein SALZARMES Mineralwasser. Viel Rohkost. Suchen Sie Freunde, die Rohkost essen …“

„Aber dann essen die mir ja die Rohkost weg …“, staunt Schmoll.

„Suchen Sie Freunde, die SALZARMES Mineralwasser trinken und nicht so dick sind wie Sie.“

„Ja, ich suche Freunde“, beginnt Schmoll zu weinen. „Schon immer.“

„Dr. Bassmeier, wahrer Sohn des Hippokrates. Der Herr ist mein Arzt …“, strahlt Rammsauter. „Da ihr nicht weiterkommt, ziehe ich einen zusätzlichen MANN hinzu.“

Ich fühle mich in meiner Ehre gekränkt. „Wir kommen weiter“, höre ich mich sagen. „Wir werden die Schweine kriegen.“

Der Arzt ergreift das Wort: „Ich glaube an die Vernunft. Normalerweise. Aber letztes Jahr kam ein Knabe in meine Praxis, dessen Herz kaum noch schlug. Und Rammsauter hat ihn durch Gebete …“

„Er lebt?“

„Nicht mehr“, räumt Bassmeier ein, „schon lange nicht mehr, fast ein Jahr ist er tot, aber dennoch …“

„Dieser Mann“, brüllt Rammsauter, „hatte eine SINNKRISE. Meine Arbeit mit dem Knaben hat ihn zum Glauben geführt.“

„Ich bin mir sicher“, wispert Bassmeier, „dass Satan nach uns greift. Es muss sein, es kann doch nicht alles immer so dahinschlingern …“

Ich denke nach. Was, wenn er Recht hat? Er ist immerhin Arzt.

„Wir werden die Leute nochmals überprüfen“, sage ich mir. „Vielleicht haben wir etwas übersehen …“

In der Folge stelle ich das Denken ein. Das lustvolle Toben, das Glauben, die Logik sonst wohin tun, das Gefühl, wichtige Dinge zu tun, enormes Abrakadabra hebt die Stimmung. Wir sind jetzt fünf gegen Satan. Ein alter Kumpel, Freund und Rivale aus New York. Pater Jesse Caldera kommt. Exorzist, Christ. Treffpunkt in Josés Eckkneipe zwischen acht und Mitternacht. Schmoll möge einen Hut tragen. Der Weg ist das Ziel.

Rammsauter erläutert den Fall. Neben ihm am Tresen lehnt ein kleiner verfilzter Mann unter dessen zu kurzer Kutte rote Socken hochspechten.

„Yeah!“, sagt er und gibt mir die Hand. Dann Schmoll. Schmoll küsst ihm den Ring.

Wo wohnt Schmoll? Ich habe noch nie gefragt. Ist das recht? Ist das wichtig?

„Wo lebst Du, Bruder Schmoll, dicker Freund?“

„Aber das kann man doch nicht leben nennen!“, beruhigt mich der Fette, „Eule, Beweise. Wir brauchen Beweise.“

„Man ist dem Satan nie nur nahe, denn er ist immer schon ganz da“, jubelt Rammsauter durch die Wirtsstube. „In uns. In dir. In meinem Blut, im Blut des Herrn. Du weißt es, Bassmeier?“

„Du hast es mir erklärt, Rammsauter.“

„Und du glaubst es?“

„Ja, ich glaube das.“

Ja, ein Kampf allgegenwärtig und überall seit Anbeginn der Zeit, so kann man Welt und Leben sehen, merke ich. Es ist eine Sache der Übung. Schon lange ist mir jedes Licht gleißend oder düster, pfeift der Wind oder es ist gefährlich lau, jedes Bild zerfällt in aggressiv wimmelnde Segmente. Rammsauter, ich bin dein.

| Carlo Schäfer