Pick of the Week N° 1
– Seit Jahren bibliographiert, archiviert und kommentiert der designierte Ehrenglauser-Preisträger Thomas Przybilka in seinem BoKAS (= Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur) wissenschaftliche und publizistische Arbeiten aus aller Welt, die sich mit den unendlichen Facetten von Kriminalliteratur befassen. In unregelmäßig regelmäßigen Abständen erscheinen dann seine unschätzbar wertvollen Zusammenfassungen der aktuellen Sekundärliteratur, die jeder zur Kenntnis nehmen muss, der sich auch nur ein bisschen über seine Lieblingsliteratur kundig machen möchte. Ein solcher „Newsletter“ hat leicht einmal 160 bis 200 Seiten; deswegen empfiehlt CrimeMag ab heute jede Woche ein paar Titel aus dieser Fülle, die uns besonders bemerkenswert erscheinen.

Großformatig, wuchtig und schwer …
… so berichtet der üppig bebilderte Text-Bild-Band über die weltweite Geschichte – von den Ursprüngen bis zur Gegenwart – einer der mächtigsten Verbrecherorganisationen. Die (Fach-)Autoren mit Frank Shanty an der Spitze haben das Werk hervorragend chronologisch und geographisch gegliedert. Mit der Piraterie begründete die Mafia als Geheimbund ihr verbrecherisches Geschäft, band später die sizilianische Cosa Nostra, die italienische Camorra & ’Ndrangheta ein, und verbreitete sich über alle Länder und Kontinente: Yakuza in Japan, Triaden in China, Vory v zakone in Russland, die Drogenkartelle Latein- und Mittelamerikas.
Aus ehemaligen Piratengruppen ist eine global agierende Organisation geworden, deren Gewinne aus Verbrechen wie auch aus sogenannten „White-collar“-Aktivitäten unglaublich sind. Dieser Text-Bild-Band, gegliedert in vier Hauptteile (Ursprünge/Aufbruch ins 20. Jahrhundert/Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert/Das neue Jahrtausend), ergänzt jede Abhandlung über die Geschichte der Mafia auf das Beste. Ein separater letzter Teil „Ein Jahrhundert Mafia und organisierte Kriminalität“ zeigt Fahndungs- und Festnahme-Fotos von 1909 bis 2009. Abgeschlossen wird „Mafia“ mit einem Glossar, ein Register erschließt diesen Band, der ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.
Frank Shanty (leitender Berater)/Jonathan Carlozzi/Nicolas Giannakopoulos/David Hompes/Thomas Hunt/Lorenzo Picchi/Charles Tumosa/Andrew Urban/Yue Ma: Mafia. Die Geschichte der organisierten Kriminalität (Mafia. The Necessary Reference to Organized Crime). Deutsch von Ursula Fethke. 351 Seiten. 500 farb. u. s/w Abb. und Fotos. Tandem Verlag (H.F. Ullmann) 2010. 29,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.
Während der Blütezeit …
… des amerikanischen „Film Noir“ agierten nicht nur toughe Ermittler und verschlagene Dunkelmänner in den Filmen der 1940er und 1950er Jahre, auch Stars wie Barbara Stanwyck oder Joan Crawford besetzen die komplexen weiblichen Rollen. Karen Burroughs Hannsberry hat für „Bad Girls of Film“ Porträts zu insgesamt 49 Schaupielerinnen des „Film Noir“ geschrieben. Von Lauren Bacall über Ava Gardner, Jane Russell, Lana Turner bis Loretta Young (um nur einige wenige Namen zu nennen). Zu jedem erfreulich ausführlichen Porträt, samt entsprechender Film-Noir-Historie der jeweiligen Schauspielerin, gibt es ein oder zwei s/w Fotos, eine Film-Noir-Filmography. Eine – oftmals – umfangreiche Sekundärliteraturauswahl ergänzt diese Porträts. Die Kritik bescheinigt der Autorin, dass sie nicht nur eine ausgezeichnete Filmbiographie zu den einzelnen Stars geschrieben hat, sondern dass ihr Buch „Femme Noir. Bad Girls of Film“ brillant geschrieben und unterhaltsam zu lesen ist.
Karen Burroughs Hannsberry ist Herausgeberin von „The Dark Pages“, eines 6 x jährlich erscheinenden Newsletter zum Film Noir. Die Autorin, die bereits in der Vergangenheit über Schauspieler und Schauspielerinnen des Film Noir publiziert hat, lebt in Chicago.
Karen Burroughs Hannsberry: Femme Noir. Bad Girls of Film. 2010, 2 Bände. 633 Seiten. 98 s/w Fotos, McFarland. 75 US $.
Régis Messac …
… versucht im vorliegenden Werk, Historie und Tradition der Detektiv-/Kriminalliteratur anhand der Geschichte und Philosophie der Antike zu erläutern. Ausgangspunkte seiner Überlegungen, woher Detektiv-/Kriminalliteratur kommen, sind das antike Athen und der griechische Mathematiker Archimedes. Seine Überlegungen zum Genre enden bei Nick Carter und Sherlock Holmes.
Inhalt: 1. Les Arcanes de la Firásah (Voyages et aventures des princes de Sarendip / Sur le chemin d’Athènes / La cauronne d’Archimède / Miracles et réalités / Miracles et littérature / Le retour des princes subtils). 2. Fantômes et brigands (Le chapitre des mouches / La gaieté de Beaumarchais / Le visionnaire / Les mystères du château d’Udolphe / Caleb Williams / De Wieland à „Wieland“). 3.Voyages physiognomoniques (Correspondances / Pathfinders / Une ténébreuse affaire / Le Figaro du bagne /Vidocq et Vautrin). 4. Les mystères de la Rue Morgue (How to write a blackwood article / L’héritage de Caleb Williams / Natural magic / De Dupin à Campanella). 5. Les modernes mille et une nuits (La suite au prochain numéro / Où mènent les mauvais chemins / Les Mohicans de Paris / Les héritiers de Vautrin / Les exploits de Rocambole / Monsieur Lecoq). 6. Sherlock Holmes et Nick Carter („The Newgate Novel“ / Les morts de Nick Carter / Les déductions de Sherlock Holmes / La dernière incarnation de Rocambole). Abgeschlossen wird das Werk mit einer Bibliographie, einer kurzen Übersicht zum Kriminalroman und dem Nachwort von François Guérif.
Régis Messac: Le „Detective Novel“ et l’influence de la pensée scientifique. 2011. 592 Seiten. Vorwort von Claude Amoz, Nachwort von François Guérif, Anmerkungen von Jean-Luc Buard, Hélène Chatemerle, Antoine Lonnet & Olivier Messac, Les Belles Lettres (Encrage/Belle Lettres-Travaux). 45,00 Euro.
Thomas Przybilka
Den gesamten Sekundär-Tipp N° 56 und den Hinweis auf Bezugsmöglichkeiten finden Sie hier.