Geschrieben am 17. Januar 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 2

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Fön in der Badewanne. Sie planen einen Krimi mit Heimtücke: „Nimm doch ein Bad!“, empfiehlt Sabine ihrem Mann, lässt ihm das Wasser ein und schüttet reichlich Badesalz dazu. Sitzt ihr Mann dann endlich drin und döst, nimmt sie den Fön, stellt ihn an und wirft ihn ins Wasser. Es blitzt, das Licht flackert, der Ehemann erleidet Krämpfe, sein Herz bleibt stehen. Sie ist ihn endlich los.

Das könnte klappen, muss aber nicht. Den ungeliebten deutschen Ehemann würde in einem ordentlich ausgestatteten Badezimmer der sogenannte FI-Schalter das Leben retten. Er schaltet den Strom sofort aus, sobald er einen Stromverlust über die Erde bemerkt. Die Sicherung haut es allerdings nicht raus, dazu ist die Stromstärke zu gering. Es gibt also keinen Kurzschluss, das Licht flackert nicht und der Fön schlägt auch keine Blitze. Er läuft einfach in der Badewanne weiter.

Selbstverständlich fließt dabei Strom durchs Wasser, vor allem, wenn es mit Badesalzen leitfähiger gemacht worden ist, und zwar vom Fön zum metallenen Abfluss der Badewanne. Eine Wanne ist nämlich durch den Abfluss geerdet. Würde die Ehefrau sich bei ihrem Mordanschlag auf den Wannenrand stützen, würde ihr nichts weiter passieren. Tunkt sie den Fön ins Wasser, kribbelt es nur an ihrer Hand.

Sitzt ihr Mann in der Wanne, fließt der Strom natürlich auch durch ihn, allerdings nur durch die Teile seines Körpers, die unter Wasser sind. Liegt sein Herzbereich oberhalb der Wasserlinie, dann ist er nicht tot, sondern eher querschnittsgelähmt, und kann später als Zeuge gegen seine Ehefrau aussagen.

Radios, Fernseher, Kaffeemaschinen, Rasierer, Telefone und andere an unseren Wechselstrom angeschlossene Geräte sind genauso gefährlich. Beim Stromtod ist allerdings entscheidend, wie lange ein Organismus der Spannung ausgesetzt ist. Ab 50 Volt Wechselspannung wird es gefährlich, denn der Strom durchbricht die Haut. Unser Wechselstrom von 50 Hz zwingt unser Herz, in derselben Frequenz zu schlagen, also mit 50 Schlägen pro Sekunde. Das führt zu Herzkammerflimmern und Tod. Außerdem zucken die Muskeln, den Nerven arbeiten ebenfalls mit Elektrizität. Weil Strom unwillkürliche Muskelkontraktionen auslöst, und der Handbeuger stärker ist als der Handstrecker, kann man auch die Hand nicht mehr vom stromführenden Objekt lösen.

Sehr viel höhere Frequenzen Wechselstrom sind dagegen völlig ungefährlich. Aber wo findet man die schon, außer in der Tesla-Spule.

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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