Geschrieben am 15. August 2018 von für Crimemag, CrimeMag August 2018

Fotografie & Reallife: Street Scenes – Street Crimes (3)

Liebes CrimeMag-Publikum,

Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen präsentieren wir Ihnen heute zum dritten Mal eine neue Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombiniert: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und  kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns! (Hier Auftritt Nr. 1 und hier Nr. 2

„Key Largo“ © Carsten Klindt

     STREET SCENES

„Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben.

 

STREET CRIMES

 

Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat  STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …

street

Mann klettert im Hinterhof ausm 3. Stock und fällt.
Während der Anfahrt erwarten mein Kollege und ich ein regelrechtes Blutbad…

Aber der Mann liegt an der Straße auf dem Gehweg. Atmung okay, Puls völlig normal. Pupillenreaktion … nunja, angesichts der Umstände … auch okay. Körper vollständig „abgegriffen“, keine offenen Wunden, keine Brüche. Hallo?

Während des Wartens auf RTW und Notarzt kniee ich hinter ihm. Er sitzt leidlich wach an meinen Knien. Plötzlich springt er mit Schmackes nach hinten auf, mir in meinem Brustkorb und hebt mich in den Stand gegen die Wand hinter mir. Mir bleibt kurzfristig die Luft weg. Ohne meine Schutzweste wäre ich danach wohl zu Boden gegangen. Er flüchtet allen Ernstes und meine drei Kollegen bei mir haben ordentlich zu tun, ihn zu fixieren. Letztlich müssen sie ihm sogar Handfesseln anlegen.

Als ich mir später das Fahrrad angucke, auf das der Mann gefallen ist, bleibt mir nochmal die Luft weg. Völlig matsch!
„Nunja. Vollgefedert halt, ne?“ sagt der Besitzer.
Und die Hauseingangstür hat der Mann vor unserem Eintreffen auch noch ordentlich demoliert …

Irgendein Kraut aus dem Internet …
FINGER WEG VON DEN DROGEN!!!

Beide Kniee autsch, rechte Schulter autsch, aber es geht mir soweit gut und ich falle nicht für länger aus 🙂 Glück gehabt.

Naddel war dann noch richtig sauer.

Ich gehe zu dem Freund des Fensterspringers, weil wir nicht wissen, wie der Mann heißt.

Ich: „Wie heißt denn Ihr Freund?“
Er: „Thomasgünterdjamalheinrich.“ (Name durch die Redaktion geändert) Ich notiere.
Ich: „Und weiter?“
Er: „Keine Ahnung.“
Ich: „Wissen Sie, wie alt er ist?“
Er: „Nein.“
Ich: „Wo er wohnt vielleicht?“
Er: „Nein. Wir ziehen nur seit ein paar Tagen zusammen um die Häuser.“
Ich: „Ah. Ok.“
Er: „Aber notier mal neben seinem Namen, dass das wirklich ein Lieber ist, ein herzensguter Mensch.“
Ich, erstaunt: „Hab jetzt auch nicht angenommen, dass das anders wär. Nur weil er Drogen genommen hat ist er doch nicht gleich ein schlechter Mensch.“
Er: „Ich mein ja nur, weil er schwarz ist.“
Ich: „Wiebitte?“
Er: „Na ich mein ja nur. Man weiß doch, ihr als Polizei … ihr habt doch son Problem …“
Ich:“WIEBITTE? Das ist ein Mensch wie jeder andere auch! Sie sind der Einzige, der hier am Ort zwischen Hautfarben unterscheidet!!! Kein anderer! Sie sind der Einzige, der einen Unterschied macht!!! Der Einzige! Denken Sie mal drüber nach!!!“
Er: „Aber …“
Ich: „Nein!“

Boah, wie mich das ankotzt.

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Einsatzschuhe 1 kg.
Lange Hose.
Hüftgeschmeide 3,5 kg.
Schutzweste 2,5 kg.
Wetter: 34 Grad.

Das kommt vielleicht etwas jammerich rüber….

ABER ICH HAB AUCH ALLEN GRUND DAZU!!!

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„Dürfen wir hier gar nicht durch?“

„Ach Quatsch, wie kommen Sie denn da drauf? Einfach über die Reihe Absperrgitter rüber, die hier von Hauswand zu Hauswand für Sie als Fitnessgerät aufgestellt wurden, und dann einfach jeden der 50 Polizisten, die hier in voller Montur und in Formation stehen, zu Boden rangeln, DANN dürfen Sie durch. Wir wollen es Ihnen ja auch nicht zu einfach machen.“
(Was ich gerne gesagt hätte.)

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Lieber Mitbürger,

wenn Du Dein Auto mit offenen Fenstern und zwei attraktiv präsentierten Handys darin stehen lässt, dann würde ich dies bereits nicht als sonderlich klug bezeichnen wollen.
Du erwischst die Diebe noch an Deinem Auto, aber sie flüchten.
Du verfolgst sie mit Deinem Auto, jedenfalls bis dahin, wo es mit dem Auto nicht mehr weitergeht.
Du lässt Dein Auto stehen und verfolgst sie nun zu Fuß.
Einen der Täter erwischst Du, und oh Wunder, er hat auch Deine beiden Handys. Der andere Täter rennt zurück in die Richtung, aus der Du gerade gekommen bist.
Sicherlich würdest Du jetzt einfach gern mit Deinen Handys zum Auto zurückkehren und einfach nur denken, Glück gehabt.

Aber Dein Auto ist weg. Du hast es mit laufendem Motor einfach stehen lassen.

Düdüm.

street

 

 

 

 

Schöne Grüße ausm Spätdienst
„Folge meiner Aufforderung, Du Fotze! Kann ich bitte eine Zigarette haben?“
„Äääh …nö.“

 

Portrait-Bio-Carsten1

 

 

 

 

Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft.

 

 

NadjaBurkhardt

 

Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen.

Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“

 

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