
„He, alter Mann.“
So viel dürfen wir verraten: Der Australier Garry Disher – ein CrimeMag-Besuch bei ihm auf der Morningtin Peninsula hier – hat einen zweiten Roman mit Sergeant Hirsch in Arbeit. Aber er liebt es eben auch, neue Charaktere zu erfinden. „Kaltes Licht“ kreist um Sergeant Alan Auhl, der Abteilung für ungelöste Verbrechen verstaubte Cold Cases bearbeitet. Zur Verlagsankündigung schrieb er nach Zürich:
»To be published in Germany gives me great pleasure for many reasons. My books are more successful in Germany than anywhere else, winning the Deutsche Krimipreis three times; I have made three stimulating author tours of the country, meeting enthusiastic and well-informed readers; and one of my great-grandmothers was German. I’m proud of »Kaltes Licht«. It was shortlisted for Australia’s main crime-fiction prize and was challenging to write, for it introduces a new character (it’s important to me as a writer to keep pushing at my boundaries).«
Sergeant Alan Auhl würde zu spät zur Arbeit kommen, denn erst musste er sich noch von seiner Frau verabschieden. Er hatte sie nur selten für sich allein. Und es war ja nicht so, als würden die Klienten in der Abteilung für ungelöste Fälle lautstark seine Aufmerksamkeit einfordern. »Wenn ich gewusst hätte, dass es zum Cunnilingus kommt«, sagte er, »dann hätte ich mich besser rasiert.«
Liz prustete, gab ihm ein paar Klapse und packte ihn an seinen grau werdenden roten Haaren. »Konzentrier dich gefälligst.«
Das tat er; später lagen sie in Löffelstellung da und dösten, bis Liz meinte: »Ich muss fertig packen.«
Erst zu küssen, um dann ins Bett zu fallen, schien ein, zwei Mal im Jahr über sie zu kommen. Dann schauten sie sich an, und irgendwie – Gewohnheit, gegenseitige Achtung, Chemie, die Erinnerung an die Liebe – tat die Anziehungskraft ihre Wirkung. Diesmal war Auhl nur ins Zimmer seiner Frau geschlendert, um zu sehen, ob sie Hilfe mit ihrem Gepäck brauchte. Und nach dem Sex dann kuscheln, reden und der unausweichliche Schlaf.
Als er später aus ihrem Badezimmer kam, das sich an dem Flur entlang von ihrem Schlafzimmer und ihrem Arbeitszimmer befand, lag sie auf den Laken und starrte die Decke an. Wieder mal hatte er sie verloren.
»Ich habe mich nicht entliebt«, hatte sie damals gesagt, als klar wurde, dass sich an seiner allgemeinen Art der Zerstreutheit und Distanziertheit nichts ändern würde, »es ist nur eine andere Art von Liebe daraus geworden.«
Daran dachte er gerade, beugte sich vor, gab ihr einen Kuss und scherzte, was denn da für eine schöne Frau in seinem Bett liegen würde.
Liz blinzelte, und eine distanzierte Intelligenz blitzte wieder in ihren Augen auf. »Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war es noch mein Bett. Und übertreib es nicht.«
Nein. Niemals. Auf keinen Fall.

Auhl überließ seiner Frau das Packen und ging nach unten. Im Chateau Auhl – drei höhlenhaft verwinkelte Stockwerke an einer ruhigen Straße in Carlton – hallten seine Schritte auf der Treppe und in den Fluren. Typisch für einen späten Donnerstagvormittag; niemand sonst war daheim. Auhls Tochter, seine Mieter, die Obdachlosen und Streuner, waren bis zum späten Nachmittag unterwegs.
Sein Schlafzimmer lag neben der Haustür; das Badezimmer im Erdgeschoss teilte er sich mit ein paar anderen. Er duschte, zog sich an, machte zwei Sandwiches und packte eins davon für Liz ein.
Schon bald kam sie die Treppe hinuntergepoltert. Als sie am Fuß der Treppe ankam, trat er in den Flur, bot ihr in der einen Hand das Sandwich an und griff mit der anderen nach ihrem schwersten Koffer. Sie, eine schlanke, geschmeidige, ungeheuer attraktive Frau in Rock, TShirt, Jeansjacke und Laufschuhen, nickte, als würde ihr beides zustehen. Doch sie war bereits wie der weit weg. Distanziert, unberührbar, konzentriert: In Gedanken schon wieder in ihrem anderen Leben. Trotzdem blieb sie freundlich, fast warmherzig, während er das Gepäck zu ihrem Wagen trug.
Nein, sie wusste nicht, wann sie mal wieder vorbeischauen würde.
Fahr vorsichtig.
Auhl aß sein Sandwich am verschrammten, zerfurchten hölzernen Küchentisch und bekam kaum etwas von der Nachrichtensendung auf Radio National mit.
Ihr Wagen fährt in Richtung Stadt über die Westgate Bridge und dann hinunter nach Geelong.
Auhl hatte die ganze Route vor Augen.
Gegen Mittag spülte er seine Teller ab und ging zur Straßenbahnhaltestelle Swanston Street. Eine allgemeine innere Unruhe begleitete ihn durch die Stadtmitte über den Fluss bis zum Polizeipräsidium. Liz. Der Job. Die Schwestern Elphick, die ihn heute Morgen angerufen hatten, wie an jedem 14. Oktober, dem Todestag ihres Vaters; noch immer warteten sie auf Antworten, die er ihnen nicht geben konnte.
John Elphick, geboren 1942, wurde 2011 auf seiner Farm in den Hügeln nördlich von Trafalgar, in Gippsland, östlich von Melbourne aufgefunden. Tod durch Schädelfrakturen. Verwitwet, allein lebend. Seine Tochter Erica lebte in Coldstream – Krankenschwester, mit einem Arzt verheiratet, drei Kinder –, Rosie war Grundschullehrerin und lebte mit ihrem langjährigen Freund und ehemaligen Highschoollehrer in Bendigo zusammen. Alle hatten Alibis. Niemand hatte finanzielle Sorgen. Keine Spielschulden, keine teure Drogensucht, keine zweifelhaften Freunde; die Ermittler stießen auch auf keinerlei Geheimnisse. Zudem hatte Elphick die Farm mit Einwilligung der Töchter ans Rote Kreuz vermacht.
Auch seine Freunde und Nachbarn hatten Alibis. Niemand hatte irgendeinen Grund, ihm den Tod zu wünschen. Zwar war John Elphick nicht gerade die Seele der Gegend gewesen, aber er war recht beliebt und relativ aktiv gewesen: Rasenbowling, Kirche, ab und an mal ein Bier im örtlichen Pub, gelegentlicher Besuch eines Treffens im Probus Club. Keine Lebensgefährtin. Keine jungen Farmhelfer, die sich auf der Farm herumtrieben oder lebten. »Liebenswürdiger alter Kauz«, so die allgemeine Ansicht.
Das war alles, woran Auhl sich noch erinnerte. Ursprünglich war das gar nicht sein Fall gewesen; er war erst spät in den Ermittlungen zu dem Team gestoßen, in den letzten Tagen seiner Ehe und seiner Zeit bei der Mordkommission. Er war damals ziemlich abgelenkt gewesen, könnte man sagen. Kurz darauf war er in Pension gegangen. Fünfzig, ausgebrannt und traurig.
Doch irgendetwas an ihm musste wohl Erica und Rosie an gesprochen haben, denn an jedem 14. Oktober trafen sie sich und riefen ihn an. Gibt es etwas Neues? Und an jedem 14. Oktober, bis heute, hatte er ihnen nur sagen können, dass er nicht mehr bei der Polizei sei. Das hatte die Schwestern nicht abge schreckt. Ja, aber Sie haben doch Freunde bei der Polizei, sagten sie, Sie sind doch in Kontakt. Eigentlich nicht, antwortete er stets.
An diesem Vormittag konnte er ihnen etwas anderes berichten. Er war wieder zur Polizei gegangen – tatsächlich war er sogar darum gebeten worden. Damit gingen fünf Jahre zu Ende, in denen er nur die Zeit totgeschlagen hatte. Urlaubsfahrten ab und an, Lesen, Erwachsenenfortbildung, hoffnungslose und/oder katastrophale romantische Verwicklungen, gelegentliche freiwillige Mitarbeit bei verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen.
Irgendwie hatten die Schwestern mitbekommen, dass er wieder bei der Truppe war. »Wie ich gerade zu Erica sagte«, meinte Rosie, während Auhl an seinem Müsli kaute, »jetzt sitzen Sie ja an der richtigen Stelle.«
»An der absolut richtigen Stelle«, fügte Erica hinzu.
In der Abteilung für ungelöste Fälle und vermisste Personen, um genau zu sein: Man hatte ihn hauptsächlich deswegen geholt, um jüngere Detectives für andere Aufgeben freisetzen zu können. Außerdem schätzte man ihn wegen seiner zehn Jahre in Uniform, zehn in verschiedenen Sondereinheiten, zehn bei der Mordkommission.
Der runderneuerte Auhl, von dem erwartet wurde, dass er einen erfahrenen Blick auf ungeklärte Morde, Unfalltode und Fälle von vermissten Personen warf, die man für auffällig hielt. Er sollte jene Fälle identifizieren, die mithilfe von neuen Techniken geklärt werden konnten; jene bestimmen, die falsch behandelt oder in denen nicht tief genug ermittelt worden war; jene, in denen neue Informationen vorlagen; sich im Ernstfall mit anderen Abteilungen in Verbindung setzen, darunter auch mit der Mordkommission und der Abteilung für Kapitalverbre chen. Er sollte darauf drängen, dass alte DNA-Proben neu untersucht wurden; es noch einmal bei Augenzeugen versuchen, die sich in der Zwischenzeit mit den Verdächtigen überworfen hatten; Veränderungen festhalten, die sich im Laufe der Zeit ergeben hatten – ein Tatort, der jetzt ein Parkplatz war, zum Beispiel. Eine Schlüsselfigur, die verstorben oder ins Ausland verschwunden war, an Demenz litt oder mit der hauptverdächtigen Person verheiratet war.
Ein Kinderspiel.
Liz hatte ihn gedrängt, den Job anzunehmen. »Du bist wie geschaffen dafür, Liebling.« Ab und zu nannte sie ihn immer noch so. Aus Gewohnheit vermutlich. Sie erinnerte ihn daran, wie er damals bei der Mordkommission gewesen war, wenn sich ein Fall hinschleppte. »Besessen – auf eine gute Art.« Sollte heißen, dass er sich mit der Frage herumquälte, ob er nicht etwas übersehen hatte. Dass ein Lügner ihn hereingelegt hatte. Dass sich unter den Dutzenden von Namen, die er im Laufe der Ermittlungen notiert hatte, der des Mörders befand.
»Wir haben größtes Vertrauen«, hatte Rosie Elphick an jenem Morgen gesagt, als Auhl gerade seinen Frühstückskaffee austrank.
»Ich kann nichts versprechen.«»Das wissen wir.«»Der Gerichtsmediziner hat entschieden, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat, wenn ich mich recht erinnere.« Nun, das hatte er nicht. Auhl erinnerte sich, dass der Richter im Fall Elphick, J. nicht auf Mord entschieden hatte. Schweigen in der Leitung, eine subtile Andeutung von Enttäuschung. »Falsch«, schalt ihn Erica sanft. »Der Richter hat sich recht doppeldeutig ausgedrückt.«Und Rosie fügte heftig hinzu: »Lesen Sie seine Befunde noch einmal, bitte, Alan.«
Als Auhl im Polizeipräsidium eintraf, ging er auf direktem Weg ins Aktenarchiv.
Er hasste den Raum. Eines Tages würde man seine Leiche irgendwo im riesigen Rollregal eingeklemmt finden. Oder auf den Bodenfliesen liegend, nachdem er verzweifelt mit den Fingernägeln an der Tür gekratzt hatte. Bei der Mordkommission hatte er nur selten Akten von kalten Fällen gebraucht. Seine Fälle waren heiß oder zumindest lauwarm gewesen. Man löste sie mit vielen abgelatschten Schuhsohlen, Telefonarbeit, Computerrecherchen und Befragungen. Jetzt schien er die Hälfte der Zeit damit zu verbringen, Akten hervorzukramen – uralte Papierakten noch dazu. Seit den Fünfzigern gab es zweihundert achtzig ungelöste Fälle in den Büchern der Victoria Police. Dazu noch tausend Fälle von vermissten Personen – von denen ein Drittel womöglich Morde waren.
Auf der Suche nach Elphick, J., 2011, rollte er an diesem Morgen vier trostlos beigefarbene Regalwände nach links und öffnete so einen schmalen Gang. Er trat hinein, schnappte sich den Aktenkarton, und da er schon halb befürchtete, die Regalwände könnten das Vakuum verabscheuen, trat er schnell wieder heraus. Würden sie wenigstens warnend rumpeln?
Auhl trug Elphick, J. in den kleinen Raum im zehnten Stock, der die Abteilung für ungelöste Fälle und vermisste Personen beherbergte. Die Chefin saß in ihrer Glaskabine am anderen Ende des Großraumbüros und telefonierte bei geschlossener Tür. Einer der Detective Constables war an einem Gerichtstermin. Die andere, Claire Pascal, hockte mit dem Rücken zu ihm vor ihrem Monitor. Auhl beließ es dabei. Als er das erste Mal mit Claire zusammengearbeitet hatte – eine erneute Zeugenbefragung –, war sie in den Wagen gestiegen und hatte gedroht, ihn mit Pfefferspray zu malträtieren, falls er es wagen sollte, sie anzurühren.
Auhl ließ den Aktenkarton Elphick auf den Tisch plumpsen, nahm den Inhalt Stück für Stück heraus und erfüllte die Luft mit muffigem Geruch von Moder. Eine dicke Akte, von einem morschen Gummiband festgehalten, ein Umschlag mit Fotos vom Fundort, ein Video. Auhl versuchte, das Gummiband abzuziehen. Es riss.
Auf den Übersichtsfotos vom Tatort lag John Elphick auf dem Rücken im dichten Frühlingsgras hinter seinem Holden Pickup, der neben einem Drahtzaun abgestellt war. Aus der Nähe betrachtet, erwies sich der Tote als untersetzt, dichtes weißes Haar, ausgewaschene Jeans, Flanellhemd und Stiefel mit seitlichem Gummizug. Es waren Wunden am Kopf zu erkennen, Blut war ihm über Stirn, Wangen, Hals und Kragen bis ins Hemd geflossen. Auhl dachte nach: Hatte Elphick Verletzungen im Stehen erlitten?
Auhl las jeden Bericht und jede Aussage, dann wendete er sich den Autopsiebefunden zu. Elphick war an massiven Schädeltraumen verstorben. Man hatte Blut und Hautspuren am Frontschutzbügel des Pickups gefunden, was gegen einen Mord sprach. Aber der Gerichtsmediziner hatte auch konstatiert, wie das Blut vom Kopf auf den Oberkörper geflossen war, dazu die Blutspur in der Fahrerkabine: Ein tätlicher Angriff ließ sich nicht ausschließen.
Und seit Jahren hatten nun schon die Töchter des Opfers höflich und vorsichtig versucht, Auhl davon zu überzeugen, dass er damals einen Fehler gemacht hatte. »Das glaube ich auch langsam«, murmelte Auhl vor sich hin.
»Jetzt redet er auch noch mit sich selbst«, bemerkte Claire Pascal, noch immer mit dem Rücken zu ihm. »Traurig, dieser alte Sack.«
Auhl kümmerte sich nicht um sie. Beschimpfungen von Jüngeren trafen ihn nicht. Er würde das tun, wofür er angeheuert worden war.
Als Nächstes schob er die DVD mit den Videoaufnahmen in seinen Laptop. Für Einzelheiten waren Fotos sehr nützlich, aber ein Video brachte einem alles richtig nah. Man durchschritt den Tatort gemeinsam mit dem Kameramann. Wenn man an einem ungelösten Fall arbeitete, war ein Video die beste Alternative zur tatsächlichen Tatortbegehung.
Auhl sah eine Hügelflanke, durch üppigen Frühlingsgrasbewuchs weich gezeichnet, ein halb volles Rückhaltebecken an ihrem Fuß und vier in der Nähe stehende Eukalyptusbäume. In der Entfernung reichten die Hügel bis zu einem Gebirgszug im Norden und zu einem breiten Tal im Süden – Vierecke, Streifen, Punkte und Striche, die Straßen, Felder, Hecken und Dächer darstellten. Dann kamen der Drahtzaun, der Pickup und die Leiche. An einer Stelle war der Kameramann auf die Ladefläche des Pickups gestiegen, und die Höhe bot Auhl einen besseren Blick auf die Leiche im Vergleich zu dem Zaun und der Heck klappe. Hoffentlich hatte der Typ das vorher mit den Kriminaltechnikern abgeklärt, bevor er hinaufgeklettert war, dachte Auhl. Er drückte auf Pause.
Noch ein Vorteil der Kamerahöhe: Auhl konnte zwei Sätze Reifenspuren im Gras erkennen. Elphicks Holden hatte erst das Tor neben dem Rückhaltebecken am unteren Ende der Weide passiert und war dann zum Tatort gefahren. Der zweite Satz Reifenspuren verlief parallel zu dem von Elphick, aber auf der anderen Seite des Zauns. Der Verursacher hatte irgendwann kehrtgemacht und war den Hang wieder hinuntergefahren.
Auhl machte sich eine Notiz: Jetzigen oder früheren Besitzer des Nachbargrundstücks ermitteln.
Er drückte auf Wiedergabe. Die Aufnahmen zeigten nun die Leiche, Schuhsohlen, Hose, Hände, blutiger Kopf und Oberkörper. Dann führten sie Auhl in die Fahrerkabine des Hol den. Vinyl, der Fahrersitz durchgesessen, schwarzes Isolierband über ein paar Rissen. Staubiges Armaturenbrett, ebenfalls an ein paar Stellen geborsten. Abgewetzte Fußmatten. Ausgefranste, speckige Sicherheitsgurte. Luftbläschen unter der Zulassungsplakette in der unteren linken Ecke der verkratzten Windschutzscheibe. Ein Dachnagel, eine Büroklammer und ein paar Münzen im offenen Aschenbecher. Im Handschuhfach eine Betriebsanleitung, eine Telefonrechnung aus dem Jahr 2010, Streichhölzer, ein blassblauer Sommerhut und eine Zange. In der Konsole zwischen den Sitzen: noch mehr Münzen, eine Sonnenbrille, ein kleiner SpiralNotizblock, ein abgeknabberter Zimmermannsbleistift.
Auhl ging noch einmal die Berichte durch. Die Untersuchungsbeamten hatten nichts von einem Notizblock geschrieben. Der Beamte der KT am Ort schon. Elphick hatte ihn benutzt, um Niederschlagsmengen zu notieren, Einkaufslisten, To-do-Listen: Brennholz kaufen, Rasenmäher warten, das vordere Tor neu einhängen.
Auhl kehrte zum Video zurück: Der Block war zugeklappt, das Deckblatt dreckig und verblasst, es löste sich bereits von der Spiralbindung. Auhl drückte auf Pause und vergrößerte das Bild. Elphick hatte auf dem Deckblatt des Blocks etwas gekritzelt. Buchstaben durcheinander. Eine Nummer? Die Bleistiftstriche auf der glänzenden Oberfläche waren nur schwer zu erkennen.
Er bekam halb mit, dass Claire Pascals Telefon klingelte, Claire etwas murmelte und sich auf ihrem Stuhl umdrehte. »He, alter Mann.«
»Was denn?«
»Die Chefin will, dass wir einen kleinen Ausflug aufs Land machen.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Na, kommen Sie schon«, sagte sie gereizt. »Das sag ich Ihnen im Auto.«
Auhl stand auf, zog die Jacke an, tastete nach Handy und Brieftasche.
Pascal war noch nicht fertig mit ihm. »Und vergessen Sie Ihren Rollator nicht.«
Auszug mit freundlicher Genehmigung des Verlages und einem Gruß Garry Dishers an seine deutschen Leser. Das Buch erscheint am 10. Juli als Hardcover im Unionsverlag.
- Garry Disher: Kaltes Licht (Under the Cold Bright Lights, 2017). Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, Zürich 2019. 314 Seiten, 22 Euro.
Garry Disher bei CrimeMag.