Geschrieben am 15. August 2018 von für Crimemag, CrimeMag August 2018

Jane Harper: Ins Dunkel

978-3-499-27473-2Wenn der Betriebsausflug zum Zickenkrieg und Survival-Trip wird

Im letzten Jahr erschien Jane Harpers erster Thriller „The Dry“, jetzt legt die australische Journalistin schon den nächsten Roman vor: „Ins Dunkel“ beschreibt die Auflösungserscheinungen einer Frauengruppe, die mit den gruppendynamischen Turbulenzen und der Desorientierung angesichts einer übermächtigen Natur (O-Titel: „Force of Nature“) einhergehen. – Von Peter Münder.

Kann es gutgehen, wenn die Firma ihre Mitarbeiterinnen zwangsbeglücken will mit einem Betriebsausflug in den Busch ? Der Weekend-Trip ins australische Giralang-Massiv soll, wie das heute so angesagt ist, das Teambuilding bei Bailey Tennants optimieren. Zwischen einigen tausend Eukalyptusbäumen in einer fast unzugänglichen Region, einige Autostunden von Melbourne entfernt, fällt das einigen Abenteurern vielleicht leicht, aber die fünf Frauen der feinen Wirtschaftsprüfer-Firma aus Melbourne hatten eigentlich überhaupt keinen Bock darauf, auch wenn alles leicht  aufgebrezelt organisiert wird und von „Executive Adventures“ als eher harmloser Ausflug etikettiert wird. Was er natürlich nicht ist: In der Männergruppe gibt es keine Probleme, aber die getrennt auf einer anderen Route trekkenden Frauen verlieren schnell die Orientierung. Sie werden hartnäckig schikaniert von Alice, die in der Firmenhierarchie über den anderen steht und so kommt  es fast zwangsläufig zu Aggressionen, die in einer handfesten Schlägerei enden. Als die diktatorische Alice sich über den Gruppenkonsens hinwegsetzt und plötzlich ihren eigenen Weg aus dem Busch finden will, ist sie  tatsächlich unauffindbar. So steht  auch noch die Frage im Raum, ob ein Killer, der hier früher aktiv war und im Knast landete, eventuell wieder auf freiem Fuß sein könnte?

Jane Harper verdichtet den ohnehin spannenden Plot mit einigen brisanten Aspekten: Der schon in „The Dry“ ermittelnde Cop Aaron Falk, ein Spezialist für Finanzermittlungen und Geldwäsche, hat zusammen mit seiner Kollegin Carmen Cooper die bei Bailey Tennants angestellte Alice für laufende Ermittlungen in der Firma kontaktiert – sie soll geheime Informationen liefern. Wie aber sollen sie ohne ihre wichtige Quelle weiter ermitteln? Hat jemand vielleicht Alice als verdächtige Informantin ausgeschaltet? Beide versuchen also im völlig unübersichtlichen Waldgebiet die Spur zu den Frauen und der vermissten Alice aufzunehmen.

Perspektivwechsel zwischen der Trekking-Gruppe und dem ermittelnden Cop-Duo werden von Jane Harper mit Sequenzen aus Falks Kindheitserlebnissen und Erfahrungen mit seinem Vater vermischt: Denn genau hier in diesem Gelände war er früher auch mal unterwegs, auf alten, vom Vater hinterlassenen Wanderkarten kann er noch alte Routen erkennen. Kein Wunder, dass er in seiner  Rückschau eigene Verhaltensmuster kritisch analysiert und ins Grübeln über sich selbst kommt.

Die emotionalen Berg-und Talfahrten der desorientierten Frauen, die sich  im Busch ohne funktionierendes Handynetz total von der Außenwelt abgesondert und ausgestoßen fühlen, changieren zwischen  Euphorie und Depression, Haß, Wut und Lethargie und  vermischen sich allmählich zu einem Drama, bei dem das  Opfer als Täterin gesehen wird. Etwas mehr Tiefgang hatte allerdings „Hitze“, weil Falks dramatische, undurchsichtige  Vorgeschichte erst bei der Rückkehr in  seine brutale Hometown in  filigranen Schichten abgetragen und aufgeklärt wird.

Jane Harper: Ins Dunkel (Force of Nature, 2018). Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Rowohlt Polaris, Hamburg 2018. 413 Seiten, 14,99 Euro.        

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