Geschrieben am 15. August 2017 von für Crimemag, Kunst

Kunstausstellung: Peter Saul

FullSizeRenderSuperman ist tot – Peter Saul in der Frankfurter Schirn Kunsthalle

Von Katja Bohnet

Verbrechen zahlt sich nicht aus

Superman ist tot. Zerquetscht. Oder erschossen. Oder beides. Keiner rettet ihn. Es ist zu spät. Superdog wurde vaporisiert. Supermans Gesichtsfarbe wirkt unnatürlich grau, kein Wunder, weil diese grausame Maschine ihn fertig macht. Mit einem Revolver versucht er sich zu wehren, aber der Schuss richtet sich nur gegen ihn selbst.

Superman hatte es nicht leicht, er geriet auf die schiefe Bahn. All diese Heldentaten, danach die Drogen und der Alkohol. Bankraub, Totschlag, Mord. Du kommst schon für dreimal Schokoriegel klauen in den Knast. Wer rettet Superman, wenn er selbst in der Scheiße steckt? Keiner, denn auf der anderen Seite der Erde tobt ein Krieg. Gleichzeitig mitten in Amerika. Vietnam. Dieses amerikanische Waterloo, Watergate, dieser … nicht zu gewinnende Krieg. Superman hat noch seinen Anzug, immerhin, aber der wirkt ramponiert. Kein Wunder: Mit Superdog musste er TicTacToe darauf spielen. So vertreibt man sich im Knast die Zeit. Sein Hunde-Buddy begleitete ihn ins Gefängnis. Während Superman noch auf der Kloschüssel sitzt, schlabbert Superdog durstig Wasser daraus. Hatte seine Mutter es ihm nicht immer wieder gesagt? CRIME DOES NOT PAY!

Disney World dying

Pure Ironie, wie der New Yorker Maler Peter Saul malt und erklärt. Verbrechen zahlt sich aus, aber nur für die, die Macht und Geld haben. Die amerikanische Regierung der Achtziger Jahre ist korrupt. Reagan stellt er mit blutunterlaufenen Augen dar. Dieser flößt sich selbst mit einer Spritze illegale Drogen ein und streckt seine Arme wie eine Hydra nach Amerika und den Schwarzen aus. Rassismus als System. An der Golden Gate Bridge weht Klopapier im Wind. Wem gehört eigentlich die Bank of America? Martin Luther King hängt mit dünnen Ärmchen noch an Idealen wie Gerechtigkeit und einem Gott, der zerdrückt wirkt, kraftlos, schwach. Die Bilder von Peter Saul sind wie Bildergeschichten oder Comicseiten aufgebaut. Der Blick wandert von Motiv zu Motiv. Saul erklärt uns sein Heimatland. Immer parteiisch, immer links mit Mitteln des schwarzen Humors. Bei Saul wendet sich der Comicstrip gegen Disney. Auch hier viel Ironie. Ein gekreuzigter Donald Duck zeigt einerseits den Stellenwert der Disney Factory als Heile Welt Symbol Amerikas und andererseits dessen gewaltsamen Tod. Auch Mickey Mouse hat es nicht leicht. Sauls Bilderwelten hat der tragische Realismus unter Reagan, Bush und Trump längst ereilt. Rassismus, Kriege, Ausbeutung und Wahn. Ein Land wendet sich gegen die Menschen. Wie, das erklärt Paul Saul als Chronist seiner Zeit. Das Wort Bildung taucht in seinem Werk auf. Was es bedeuten oder auch nicht bedeuten kann. Dennoch sind seine Bilder niemals pädagogisch, eher ein echt guter Witz. Einer, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

saulExperiment und Demokratie

Paul Saul malt demokratische Kunst. Man braucht keinen beflissenen Kurator, um seine Werke zu verstehen. Wer Augen hat zu sehen, der sehe. Fast biblisch, auch wenn das dem Künstler nicht gefallen würde. Aus der Ferne sieht das alles lustig aus, formverliebt und farbenfroh. Von Nahem wird klar, dass Saul eine Amerikanische Apokalypse beschreibt, ehrlich und direkt, als wolle er sagen: Hey, seht hin! Es ist doch alles da.

In den Bildern um 1960 experimentiert Saul mit vielen Spielarten der Malerei. Expressionistischer Ausdruck, surrealistische Formen und die hyperrealistische Thematik aus der Popart. In den Ice Box Paintings geht es um Kühlschränke und Inhalt, Chaos versus Ordnung. Lebensmittel, Dinge stehen im Mittelpunkt wie in Andy Warhols Werk. Menschen leben in Kühlschränken. Kühlschränke werden wichtiger als Fernseher. Bei Saul mutieren sie zu lebendigen Maschinen. Arme verbiegen sich wie Salvador Dalis Uhren. Gesichter entgleisen, rutschen ab. Man könnte den Strich von Francis Bacon darin sehen. In den Achtziger Jahren entwirft Saul in „Saigon“ ein wahnwitziges Bild des Vietnamkriegs. Sex und Gewalt, Coca Cola und Bomben. Eine ganze vietnamesische Generation wird durch die GIs korrumpiert. Die „unschuldige Jungfrau“ spuckt Kugeln, der Penis des GIs ist zu einer Kanone mutiert, die ihre Munition zwischen die Beine der Frau verschießt. Alle sind gefesselt, penetriert, gekreuzigt, irgendwie. Das alles kommt in schriller Hochglanzoptik daher, veredelt mit Emaillefarbe, Tinte, Öl und Acryl. Vielleicht zitiert er Picassos Guernica. Saul ist immer politisch, grausam, spielerisch.

IMG_8436Gewalt, Sex und Ironie

Was diese Werkschau seiner Bilder im Schirn Frankfurt so sehenswert macht, ist auch Sauls Crime-Serie. Ein dicker Killer hält eine lächerlich kleine Pistole in der Hand. Er wirkt schon etwas mitgenommen, und wurde wie Frankenstein nur mühsam zusammengeflickt. Sein Kopf ist eine Bombe, an der die Lunte brennt. Der Arme: Ein göttlicher Finger drückt gerade den roten Knopf, der an der Schulter des Mannes befestigt ist. Ein Killer wird gekillt. Killer als Witzfiguren wie in einem Film der Coen Brüder. Wer nicht verstehen will, dass Verbrechen sich nicht auszahlen, kommt auf den elektrischen Stuhl. Ein Nackter, der in der Rechten eine Frau erwürgt und mit der Linken noch auf einen irren Polizisten schießt, der ihm gerade zwei Kugeln durch den Schädel jagt. Man fragt sich:

Tötest du noch oder stirbst du schon?

Der Mund des zum Tode Verurteilten wurde zugeklebt. Sauls immerwährende Auseinandersetzung mit staatlicher Gewalt und ihren Auswirkungen. „THIS GUY HAS TO DIE“ behauptet der Polizist. Je mehr man den Sterbenden betrachtet, desto unglaubwürdiger wird diese Aussage. Ein Hund starrt derweil lüstern auf die nach Luft schnappende Frau.

„Woman Being Murdered“, „Sickroom“, „Mad Doctor“, „Crime Doesn’t Pay“ und „Super Crime Team“ heißen die Bilder. Eine ganze kriminelle Serie, immer spannend, immer schrill, ein bisschen wie ein Pulp Master Cover. Nahe am Abgrund gebaut. Peter Saul scheut sich nicht mit seiner Kunst zu sagen: Kapitalismus kotzt mich an. Aber er thematisiert auch immer die Teflonbeschichtung der Menschen, an denen die Unerbittlichkeit des Systems einfach abgleitet. Selten wurde Amerika bunter, direkter und brutaler dargestellt. Peter Sauls Selbstbildnisse zeugen von dieser Zerrissenheit. Ein Künstler, auch tragischer Teil dieser Nation.

Bilder von Peter Saul in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, noch sehen bis zum 3. September 2017. Empfehlenswert auch der Katalog zur Ausstellung.

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