Geschrieben am 16. Dezember 2018 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2018

Lutz Göllner über „Die Hard“, unkaputtbar

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Bruce Willis in „Die Hard – Stirb langsam“, 1988

Der amerikanische Jedermann

Vor 30 Jahren kam „Die Hard“ auf die Leinwand und veränderte das Kino für immer. Ein Blick auf das mediale Franchise – von Lutz Göllner.

Wir alle wissen doch: Weihnachten ist erst, nachdem Hans Gruber vom Nakatomi Tower gefallen ist. Wir alle. Außer Frank Sinatra.

51CpgbBNI1L._SX342_BO1,204,203,200_Und das kam so:
1966 schrieb der damals 32jährige Journalist Roderick Thorpe den Roman „The Detective“, ein Skandalerfolg, beschrieb Thorpe doch für die Zeit sehr gewagt schwule Sexpraktiken. Der titelgebende Detektive ist der private Schnüffler, ehemalige Polizist und Weltkrieg-II-Jagdflieger Joe Leland. Für eine trauernde Witwe soll er den Tod des Ehemanns aufklären, ein Fall, der jedoch mehr mit Lelands Vergangenheit als Polizist und Soldat zu tun hat, als er selber am Anfang ahnt. Im Laufe des voluminösen Romans – zu der Zeit der dickste Krimi aller Zeiten – wird Leland in einen alptraumhaften Fall verwickelt, in dem es um Polizeikorruption, Homosexualität, Selbstmord und lebenslange Schuld geht und schließlich auch Lelands eigene Ehe in Trümmer legt.

Frank Sinatra, der Mitte der 60er-Jahre mal wieder über einen Imagewechsel nachdachte, wurde auf den Roman aufmerksam. Die Verfilmung von Anthony Burgess‘ „Uhrwerk Orange“ lehnte Ol‘ Blue Eyes ab, weil er kein Wort des Buches kapierte. Aber mit kaputten Ehen kannte er sich aus und ein harter Junge war er selber sein ganzes Leben lang. Ein lakonischer, maulfauler New Yorker Bulle (im Film ist Leland noch Polizist), der sich von den politischen „powers that be“ nichts sagen lässt und dem wirtschaftliche Macht komplett egal ist – die Rolle war Frankie quasi auf den Leib geschneidert.

gut Film_Poster_for_The_DetectiveSinatra und sein Regisseur, der Routinier Gordon Douglas, versammelten ein veritables Star-Ensemble, bestehend aus Lee Remick, Jacqueline Bisset (für ihre Rolle war eigentlich Sinatras aktuelle Ehefrau Mia Farrow geplant), Ralph „Mike Hammer“ Meeker, Jack „Quincy“ Klugman, in Nebenrollen waren Sugar Ray Robinson und die sehr jungen Tony Musante und Robert Duvall zu sehen. „The Detective“ wurde nur ein moderater Kassenerfolg, obwohl Kritiker Roger Ebert den „klaren, unsentimentalen Blick auf Polizeiarbeit“ und die unprätentiösen Dialoge lobte. Es dauerte einige Jahre, bis Joe Leland wieder das Licht der Öffentlichkeit sehen sollte.

Nichts dauert ewig

Der Legend zufolge sah Roderick Thorp 1975 den Film „Flammendes Inferno“, ein Erlebnis, dass ihn so prägte, dass er in der folgenden Nacht einen Alptraum über einen Mann hatte, der von bewaffneten Schurken durch ein brennendes Gebäude gejagt wurde. Daraus entstand 1979 ein Roman mit den schönen Bond-Titel „Nothing Lasts Forever“, in dem Thorps alter Held Leland nach dem Scheitern seiner Ehe zu Weihnachten seine Tochter Stephanie in Los Angeles besuchen will. Doch der Büroturm in dem sie arbeitet wird von deutschen Terroristen überfallen. Und plötzlich ist der alte Kriegsheld Joe Leland der einzige Mensch, der alle retten kann.

thorp 18598Eigentlich sollte Sinatra auch in der Verfilmung dieses viel kürzeren und actionreicheren Romans – neben dem Wälzer „The Detective“ sieht „Nothing Lasts Forever“ wie eine Novelle aus – den Joe Leland geben. Doch er lehnte ab, zu brutal, zu politisch, keine Romanze. Seine letzten Filme waren keine großen Erfolge mehr und der alte Mann wollte sich ohnehin nur noch aufs Singen konzentrieren. Und so begann ein zehn Jahre langer Geisterflug.

Zur Erinnerung: Hollywood in den 80er Jahren war eine ganz andere Welt, Actionfilme wie „Rambo“ oder „Terminator“ (der erste „Terminator“-Film sieht heute noch eher wie ein Punk-Film aus) galten als B-Movies. Und Joe Leland, der Held aus Thorps Romanen hatte so gar nichts heldenhaftes an sich. Er war ein alter Mann, zerrissen von Selbstzweifeln, gescheitert als Ehemann und Vater. „Aber Actionfilme“, so Beau Marks, der Produktionsmanager von „Die Hard“ im Online-Magazin „Daily Beast“, „wurden so langsam zu A-Movies, sie waren es, die Geld in Hollywoods Kassen spülten.“

mcclane_john1Aus der Drehbuchhölle befreit

Doch zunächst musste man „Nothing Lasts Forever“ aus der Drehbuchhölle befreien. Der neue Titel lautete „Die Hard“ (sinngemäß „Schwer zu töten“, aber als Substantiv auch als „Sturkopf“, als Adjektiv „unverbesserlich“ zu übersetzen, aus dem dann im deutschen Kino das leicht sadistische „Stirb langsam“ wurde), dann wurde der Rentner Joe Leland, desillusionierter Privatschnüffler mit einer Vergangenheit als Jagdflieger und Polizist, um 30 Jahre verjüngt; damit es keine Verbindung zum Sinatra-Film gab, erschuf man den neuen Namen John McLane, ein sprücheklopfender Jedermann, der unter Flugangst leidet. Trotzdem waren die Studiobosse mehr als skeptisch: „’Die Hard‘? Das klingt wie eine Reklame für Batterien“, scherzte selbst der Produzent Arnold Rifkin.

Die Rolle wurde Arnold Schwarzenegger angeboten, Sylvester Stallone, Al Pacino, Burt Reynolds und Richard Gere waren unter anderem im Gespräch. Alle lehnten ab. So landete das Drehbuch irgendwann bei dem jungen, ambitionierten TV-Schauspieler Bruce Willis, geboren 1955 in Idar-Oberstein, der Vater ein GI, die Mutter aus Kassel. Willis hatte bereits zwei halbwegs erfolgreiche Kinofilme gedreht, galt als Protegé des Komödienspezialisten Blake Edwards („Frühstück bei Tiffany“, „Der rosarote Panther“) und spielte gerade die Hauptrolle in „Moonlightning“ (deutsch „Das Modell und der Schnüffler“), einer Krimiserie, die Elemente der romantischen Screwballkomödien der 30er Jahre aufgriff, mit schnellen, schnippischen Dialogen und Handlungen voller verrückter Drehungen.

MV5BOGYyMGVmMmMtOTVkMC00YzEzLTkzMDktYjc3MTJkYTkzM2RmXkEyXkFqcGdeQXVyNjExODE1MDc@._V1_UY268_CR2,0,182,268_AL_… tagsüber „Moonlightning“ …

Kleiner Einschub: In „Moonlightning“ ging es um das ehemalige Model Madelyn „Maddie“ Hayes, die gerade Pleite gegangen ist. Jetzt besitzt sie nur noch ihren edlen BMW und die Detektivagentur „Blue Moon“, die sie eigentlich als Steuerabschreibungsprojekt gekauft hatte, herrlich unterkühlt gespielt von Cybill Shepherd („Taxi Driver“). Leiter der Agentur ist der versoffene, Ray-Ban-tragende David Addison (Willis). Maddy und David mögen sich nicht – genauso wie die beiden Hauptdarsteller im richtigen Leben übrigens – sind aber plötzlich gezwungen, zusammen zu arbeiten. Das Besondere an „Moonlightning“ waren jedoch die surrealistischen Elemente, die im Verlauf der fünf Staffeln immer mehr zunahmen: David durchbrach immer wieder die „vierte Wand“ und sprach direkt zu den Zuschauern, viele Folgen brummten nur so vor Anspielungen und Zitaten auf die Popkultur. Es gab eine von Orson Welles erzählte schwarz-weiße Traumepisode (sein letzter Auftritt), eine Shakespeare-Folge, in der die Dialoge ausschließlich aus jambischen Fünfhebern bestanden und Bruce Willis‘ Zosse eine riesige Pferdedecke mit BMW-Logo trug. Am Ende der ersten Staffel, kurz bevor der Schurke der Woche die beiden Hauptdarsteller erschießt, latschte der Requisiteur durchs Bild, kassierte alle Knarren ein und verkündete: „Drehzeit überschritten!“ Der Altmeister Stanley Donen inszenierte eine Musicalepisode. Und als die Serie nach fünf Jahren eingestellt wurde, erklärte Timothy Leary in der letzten Episode den verblüfften Hauptdarstellern: „Das Publikum hat einfach genug von Euch.“

MV5BODE1ZGQ5YzAtMzYzOC00M2RkLWJjY2ItNDAwZDRmZDg0YjU4XkEyXkFqcGdeQXVyNjY5ODM1Nzk@._V1_SY1000_CR0,0,666,1000_AL_… und nachts John McLane

Dazu passte auch, dass David und Maddy im Lauf der dritten und  vierten Staffel mehrmals an riesigen „Die Hard“-Plakaten vorbei liefen. Fünf Millionen Dollar kassierte Bruce Willis für die Hauptrolle, für die Zeit eine Rekordsumme. Dafür musste er monatelang tagsüber „Moonlightning“ drehen, während er nachts für „Die Hard“ vor der Kamera stand.

Nicht nur in Hinsicht auf Gagen sollte „Die Hard“ neue Marken setzen. Willis‘ McLane war vor allen Dingen kein unbesiegbarer Held, er war ein amerikanischer Jedermann, der in einem Feinripp-Unterhemd gekleidet von übermächtigen Gegnern gejagt wurde. Sein Filmtod war durchaus eine Möglichkeit (es gibt sogar eine Szene, in der Willis‘ Stuntman einen Unfall hatte, die im Film benutzt wurde), umso erstaunlicher waren seine atemberaubenden Überlebenstechniken: da waren diverse Schießereien, eine Explosion in einem Fahrstuhlschacht oder die Nummer mit dem Feuerwehrschlauch und der Gebäudefassade. Wenn sich McLane durch die Lüftungsschächte des Nakatomi Towers robbte, machte er sich schmutzig, wenn er mit nackten Füßen durch Glasscherben sprintete, blutete er anschließend. Um einen Überblick über die Anzahl der Terroristen zu behalten, notierte er sich ihre Namen mit Filzstift auf dem Unterarm.

Auch die Bösewichter, die für den Film entpolitisiert wurden, sind toll besetzt, an erster Stelle natürlich Alan Rickman als Hans Gruber (der in der deutschen Synchronisation Jack heißt) und der seinem Handlanger Karl Vrensky (Charlie) – verdammt bedrohlich vom großartigen Balletttänzer Alexander Godunov gespielt – so lustige Befehle wie „Schieß dem Fenster!“ gibt. Einer der Terroristen ist Norbert Gruppe, der als „Prinz von Homburg“ mit seinen skurrilen Auftritten deutsche Boxgeschichte schrieb. Den koksenden Bürochef Harry gibt sehr überzeugend Hart Bochner, der noch eine ganz andere Verbindung zu der Filmreihe hat: Sein Vater Lloyd Bochner spielte im Sinatra-Film den Psychiater von Lelands Frau.

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„Die Hard“ kostete 28 Millionen Dollar und spielte an den Kinokassen 140 Millionen ein. Bis heute gilt der Streifen als einer der besten Actionfilme aller Zeiten und als einer der besten Weihnachtsfilme. Das Film-Magazin „Empire“ listet ihn auf Platz 20 der besten Filme aller Zeiten. Eine Fortsetzung musste also her, und zwar schnell. Das Problem war nur: Es gab keine Vorlage mehr.

Auftritt Walter Wager, ein Lohnschreiber, der sich mit Romanen zum „Mission: Impossible“- und „I Spy“-Franchise (in Deutschland hießen diese TV-Serien „Kobra, übernehmen Sie“ und „Tennisschläger und Kanonen“) durchs Leben schlug. Sein bekanntestes Buch war der Agententhriller „Telefon“, das 1977 immerhin von Don Siegel mit Charles Bronson, Lee Remick und Donald Pleasance adaptiert wurde. 1987 hatte er den „Die Hard“-swipe „58 Minutes“ veröffentlicht, in dem der Polizist John Malone auf dem New Yorker Kennedy-Flughafen gegen einen geheimnisvollen Erpresser kämpfen muss. Drei Jahre später benutze der finnische Regisseur Renny Harlin den Roman als Vorlage für „Die Hard 2“. Der arme Roderick Thorp wurde in den Credits zwar erwähnt, aber sein Name wurde falsch geschrieben.

stirb_langsam_II_grAnsonsten blieb bei „Die Hard 2 – Die Harder“ alles beim Alten: Weihnachten, McLanes Ehe (inklusive seiner Kinder Jack und Lucy) sind in Gefahr, eine rätselhafte Bedrohung taucht auf (eine verräterische US-Spezialeinheit versucht einen wegen Drogengeschäften verhafteten mittelamerikanischen General – gespielt von Franco „Django“ Nero – zu befreien), viel Action, coole Sprüche und ziemlich brutale Schießereien. Immerhin hatte Harlin genug Selbstironie, um diese Ähnlichkeiten sogar auf dem Kinoplakat und in McLanes Dialogen zu benutzen, wenn er durch die Tunnel des Flughafens kroch: „They say lightning never strikes twice … they were wrong.“

Frank Sinatra kehr (fast) zurück

Sieht man von Bruce Willis Gastauftritt als John McLane in der „National Lampoon“-Parodie „Loaded Weapon“ (1993) ab, sollte es dann fünf Jahre dauern, bis der Blitz ein drittes Mal einschlug, und das lag daran, dass sich Bruce Willis langsam in Frank Sinatra verwandelte. Immerhin gehen auch eine Handvoll recht guter Blues-Alben auf das Konto von Bruce Willis.

Die ersten beiden Teile hatten die Messlatte für den neuen Actionfilm hoch gelegt und zogen ungezählte zweit- und drittklassige Nachahmer nach sich. Alle Drehbücher für einen dritten Teil lehnte Willis ab. Einer der Entwürfe für einen dritten „Die Hard“-Teil wurde dann später zum zweiten Teil des „Speed“-Franchise, „Speed – Cruise Control“. Doch auch „Die Hard With A Vengeance“ hatte eine Irrfahrt in der Entwicklungshölle hinter sich: In einer Phase sollte das Drehbuch von Jonathan Hensleigh, einem Script-Doktor aus der Lucas/Spielberg-Schmiede, sogar als Teil der „Lethal Weapon“-Serie mit Mel Gibson und Danny Glover benutzt werden.

Trotzdem macht diese zweite „Die Hard“-Fortsetzung vieles richtig. Diesmal haben wir einen heißen Sommertag in New York City. McLane, inzwischen geschieden, noch frustrierter, versoffener und vom Dienst suspendiert, wird auf eine Schnitzeljagd quer durch die Stadt geschickt. Seine Gegner dabei sind Simon Gruber, der von der Nationalen Volksarmee der DDR ausgebildete Bruder von Hans aus Teil 1, und dessen messerschwingender Sidekick Katya. Gespielt werden die beiden, deren Fotos man in jedem Filmlexikon unter dem Stichwort „overacting“ finden sollte, von Jeremy Irons und von Sam Phillips, der Ehefrau des Musikers T Bone Burnett. McLanes Verbündeter ist Zeus Carver (Samuel L. Jackson), der eigentlich einen kleinen Elektronikladen in Harlem betreibt und auf den ganzen Scheiß gar keinen Bock hat.

MV5BOGM0YjM5OWEtMWEwNi00Y2I5LTlkMzItZGYyZjBhNWM3OWFmXkEyXkFqcGdeQXVyMDEwMjgxNg@@._V1_Wieder John McTiernan am Steuer

Regie führte wie im ersten Teil John McTiernan und der zeigte nicht nur außergewöhnliche Perspektiven von New York, die man im Film noch nie gesehen hatte, wie etwa den Tunnel, der die Wasserversorgung der großen Stadt sichern soll. Auch der Stunt, in dem McLane und Carver mit einem Auto von einer Brücke auf einen Tanker „springen“, hinterlässt einen atemlos. Schade nur, dass das Ende bombastisch blödsinnig geworden ist. Auf DVD und Blue Ray von „DHWAV“ gibt es übrigens einen sehr düsteren, alternativen Schluss, der den Kinobossen jedoch zu hart war. Eine Romanvorlage gibt es übrigens nicht, dafür eine recht nette Novelization, die im Ton viel härter als der Film ist und dessen nihilistisches Ende übernimmt.

stirb-langsam-4-0-poster-96c34Niemand konnte ahnen, dass der 1997 im „Wired“-Magazin veröffentlichte Artikel „A Farewell To Arms“ irgendwann einmal zur Vorlage für die nächste Fortsetzung werden sollte. Der britische Journalist John Carlin spielte in dem Stück einen Cyberangriff auf die Vereinigten Staaten durch, der die gesamte Logistik des Landes lahm legen könnte. Zehn Jahre später klempnerte Len Wiseman, der ehemalige Assistent von Roland Emmerich, daraus den vierten Teil des „Die Hard“-Franchise. In Amerika paraphrasierte der Titel das Motto des Staates New Hampshire, „Live Free Or Die Hard“, im Rest der Welt hieß er einfach nur „Die Hard 4.0“.

Zunächst lässt sich der vierte Teil auch recht gut an: McLane grummelt einen Schönling an, der seine Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead) angegraben hat, er ist von seinem neuen Sidekick, dem Hacker Matt – gespielt vom Comedian Justin Long – schwer genervt, es gibt einen unfassbar komischen Gastauftritt des „Jay And Silent Bob“-Regisseurs Kevin Smith. Aber aus dem verwundbaren amerikanischen Jedermann John McLane ist längst ein unbesiegbarer Supermann geworden. In einer Szene fliegt der einst von Flugangst Geplagte einfach so ohne Probleme in einen Heli, am Steuer eines LKW ringt er einen Lockheed Martin F-35B Lightning II-Jet der fünften Generation nieder und sein berühmter Trademark-Spruch, der bisher in jedem Film vorkam, wird vom Lärm der Schüsse übertönt.
Nun ja, der Film ist ab 12 Jahren frei gegeben.

20401199.jpg-r_1280_720-f_jpg-q_x-xxyxxKaum besser als ein Hologramm – oder doch

Alles noch besser als die bisher letzte Episode, „A Good Day To Die Hard“ aus dem Jahr 2013, in dem es John McLane nach Moskau verschlägt, wo sein Sohn Jack (jetzt gespielt vom australischen Star Jay Courtney), ein CIA-Agent unter Anklage steht. Gemeinsam jagen Vater und Sohn den russischen Schurken Yuri Komarov. Und schaffen dabei die Strecke von Moskau nach Tschernobyl – immerhin sportliche 1.000 Kilometer, die größtenteils über Landstraßen führen – in wenigen Stunden.

Der ganze Film ist voll von solchem Blödsinn, die Explosionen und Verfolgungsjagden benutzen erkennbar billige, computergenerierte Effekte. Und vielleicht hätte man auch Bruce Willis durch ein Hologramm ersetzen sollen. Der Mann hat in keiner Szene Bock – und man sieht es ihm an. Nicht einmal Pressearbeit machte er mehr für diesen Film. Und wenn man nach dem Kinobesuch die Hoffnung auf eine erweiterte Blu-ray-Version hatte: Der extended cut ist zwar fünf Minuten länger, dafür Mary Elizabeth Winsteads Lucy komplett entfernt.

Keine gute Voraussetzung für einen sechsten und letzten Teil der Serie, der seit drei Jahren angekündigt ist und entweder schlicht „McLane“ oder „Die Hard: Year One“ heißen soll. Eine Vorlage dafür könnte die acht Hefte lange Comic-Serie sein, die 2009 vom legendären Howard Chaykin („American Flagg!“) und seinem Studio geschaffen wurde. Hier sehen wir einen jungen John McLane, der im New York Mitte der 70er Jahre Dienst schiebt. Die Jahre des legendären Blackout, in denen der Serienmörder Son Of Sam die Stadt unsicher machte und New York eine pompöse 200-Jahr-Feier ausrichtete.

a-million-ways-to-die-hard-9781608879755_lgDie nächste „Die Hard“-Publikation war ein wunderschönes und saukomisches Weihnachtsbilderbuch aus dem Jahr 2017, in dem die Geschichte des ersten Films in Gedichtform nacherzählt wurde:

„’twas the night before christmas,
and up in the tower,
everyone was partying,
except one wallflower.“

Ein Jahr später folgte der großformatige Comic „A Million Ways To Die Hard“. Nach 30 Jahren kehrt John McLane in den Nakatomi Tower zurück und trifft hier auf eine Figur aus seiner Vergangenheit. Und an der Stelle wird es komplett durchgeknallt: Als junger Polizist hat er den Serienkiller Mr. Moviefone entkommen lassen, der für seine Morde berühmte Filme als Vorlage benutzte. Jetzt hat Mr. Moviefone McLanes Ex-Frau Hollie entführt und lockt den Rentner-Cop in eine extrem schräge Falle: Unter dem Haus von Norman Bates schwimmt der „Weiße Hai“ und Batmans Vater raubt unschuldige Kinobesucher aus. Es ist, als hätten die Drehbuchautoren von „Moonlightning“ eine Episode für „Die Hard“ geschrieben.

Eigentlich fehlt nur Frank Sinatra.

Lutz Göllner

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Roderick Thorp: Hartnäckig(The Detective; Dial Press, 1966). Aus dem amerikanischen Englisch von Egon Strohm. Lothar Blanvalet Verlag, Berlin 1968. 522 Seiten.

Roderick Thorp: Stirb langsam (Nothing Lasts Forever; W.W. Norton & Company, 1979). Aus dem amerikanischen Englisch von Cordula Schoop. Verlag Gustav H. Lübbe, Bergisch Gladbach 1989. 200 Seiten.

Walter Wager: 58 Minutes. Macmillan, 1987. 260 Seiten.

Deborah Chiel: Die Hard With A Vengeance (novelization). St. Martins Press, 1995. 233 Seiten.

John Carlin: „A Farewell To Arms“ in Wired Magazin, May 1997

Howard Chaykin (Text), Stephen Thompson und Gabriel Andrade Jr. (Zeichnungen): Die Hard – Das erste Jahr (Die Hard – Year One #1-8; BOOM! Studios, 2009f). Aus dem amerikanischen Englisch von Joachim Körber. Panini Comics, Stuttgart 2011. 192 Seiten.

Doogie Horner (Text), JJ Harrison (Zeichnungen): A Die Hard Christmas. Insight, San Rafael CA, 2017. 32 Seiten.

Frank Tieri (Text), Mark Texeira (Zeichnungen): A Million Ways To Die Hard. Insight, San Rafael CA, 2018. 80 Seiten.

… und weil wir hier so schön unter uns sind: Der Song „Die Hard“ von der Band Guyz Nite ist ein echter Knaller auf jeder Weihnachtsfeier. Besonders wenn der Gastgeber beim Anzünden der Feuerzangenbowle explodiert. „Yippee-ki-yay, motherfuckers!“

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