Lies, bis dich der Teufel holt
CrimeMag hat Reinhard Jahn und Bodo V. Hechelhammer – zwei Mister-Dynamit-Experten – gebeten, kurz und bündig über ihre Lektürerfahrungen zu schreiben. Dem sind sie gerne nachgekommen.
Erwachsen werden mit Mister Dynamit
Die Sechziger. Unendlich weit weg. Damals: Die Bondmania mit Feuerball und Du lebst zur zweimal auf ihrem ersten Höhepunkt. Lebensgroße Pappaufsteller mit Connery und seiner Walther PPK im Foyer des Vorstadtkinos, in das ich nicht reindurfte.
Zu jung für Bond.
Aber nicht für Bob Urban. Mister Dynamit. Code 18 statt 007. BND statt Secret Service. Oberst Sebastian statt M, Mercedes statt Aston Martin. Aber mindestens genau so cool wie Bond, der Film-Bond. Der Buch-Bond kam erst später auf die Leseliste, in den smarten, weiß gecoverten phoenix-scherz-shockern mit dem roten Schnitt.
Mister Dynamit gab es als Pabel-Taschenbücher, im Bahnhof und auf dem Kaufhaus-Wühltisch.
Mister Dynamit-Titel hatten diese einzigartige Suggestion: „Morgen küsst euch der Tod“, „Die grausamen Tage“, „Stirb mit mir heut Nacht“. Das war nicht so albern wie die Carter Brown-Schmonzetten bei Ullstein („Ackerbau und Unzucht“, „Falltür, bitte klopfen“, „Drei Unzen Agonie“). Das war echte, harte Männerbuch-Sprache in diesen billigen Pabel-Taschenbüchern. Und man war als Pubertier scharf auf die Frauen, die Urban in jeden Buch zuverlässig flachlegte. Denn da war Urban allen anderen, den Jerry Cottons, Mac Drivings, Cliff Corners und Jo Walkers weit voraus – er ließ nichts anbrennen. Und hatte Spaß dabei.
Die Faszination und die Suggestion hat seitdem nie wirklich nachgelassen. Nicht, als Mister Dynamit in Serie ging und man die Formel schon längst identifiziert hatte: Kalte Kerle, heiße Bräute, starke Sprüche, action is character, Testosteron is King. Und was Kingsley Amis bei Bond als den „Fleming Effekt“ identifiziert hat, das konnte C. H. Guenter mindestens genauso gut – die exakte Benennung von Produkten, Marken und Firmen. Und eins konnte er sogar besser als Fleming: U-Boote, Flugzeuge, Weltkrieg Zwei-Gedöhns immer wieder fast glaubhaft in die Geschichten einbauen.
Alte Verschwörungen, alte Schätze, alte Kameraden – all das ist Urban. Das war Dynamit.
Reinhard Jahn, Jahrgang 55, verantwortlich für krimilexikon.de und die Organistaion des Deutschen Krimipreises, ist Dynamit-Fan der ersten Stunde. C.H. Guenter beim Lexikon der deutschen Krimi-Autoren, vollständige Titelliste inklusive.
Die stille Sehnsucht nach deutschen Heldenfiguren
Von Bodo V. Hechelhammer, Chefhistoriker des BND
Die Idee, einen Film über einen deutschen Agenten zu drehen war Mitte der 60er Jahre naheliegend und vollkommen richtig. Schließlich begeisterten die ersten James Bond-Filme gerade das internationale Kinopublikum, lösten die Euro-Spy-Bewegung aus und Ian Flemings Roman-Adaptionen sollten bis heute faktisch vielfach prägend werden für das »öffentliche« Bild eines Geheimagenten und eines Geheimdienstes. Nicht nur die Idee der Produzenten von „Mister Dynamit – Morgen küsst euch der Tod“ war richtig, auch die Bereitschaft des damaligen BND, eine entsprechende Produktion zu unterstützen. Zumal die Chancen damals tatsächlich gut waren, entstand doch gerade die Mister Dynamit-Romanreihe. Auch die literarische Vorlage des ersten Abenteuers Morgen küsst euch der Tod hatte durchaus Potential und zeigte sich für eine Verfilmung mehr als geeignet, nur die filmische Umsetzung durch Franz Josef Gottlieb führte leider zu einer Katastrophe. Zurück blieb der faktisch einzige Filmversuch, sich dem Thema aus deutscher Sicht einmal zu näheren. Eine vergebene Chance. (Besprechung siehe nebenan in diesem CrimeMag.)
Im BND selbst gab es schon immer eine kleine Fan-Gemeinde der Romanserie. Ja es gibt sie auch heute noch. Ein bisschen versteckter Stolz im Verborgenen für die Abenteuer eines »Kollegen« war und ist nur allzu verständlich. Doch nur wenige kannten die Verfilmung, wenn sie diese nicht gerade selbst zufällig im Kino damals gesehen hatten. Dank der Neu-Auflage und Herausgabe als DVD ist der Film aber bei vielen nun wieder präsenter geworden, nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen schauspielerischen und dramaturgischen Umsetzung. Genau dieses macht gerade den heutigen Kultstatus aus. Ein Film muss nicht perfekt sein, um geliebt zu werden.
Es ist eben kein herausragender Jean-Luc Godard geworden, sondern ein besonderer Franz Josef Gottlieb entstanden. Heute gibt es regelmäßig natürlich nicht öffentliche Filmvorführungen mit abschließendem Grappa-Trinken, natürlich für einen karitativen Zweck. Ebenso aber kommt es immer wieder zu öffentlichen Vorträgen und Filmveranstaltungen zum Thema. (Anm. d. Red: siehe z.B. Alf Mayer im Brecht-Haus, Berlin) Mister Dynamit begeistert noch heute, irgendwie. Denn das Thema Geheimdienst und ein deutscher Agent, das fasziniert immer wieder viele Menschen, auch in Deutschland, trotz des hier vor allem historisch bedingten sehr angespannten Verhältnisses innerhalb der Gesellschaft zu nachrichtendienstlicher Arbeit. Wenn auch, manchmal, entsprechend dem Genre, nur im Verborgenen. Aber vielleicht ist ja im 21. Jahrhundert die Zeit nun wieder reif für einen neuen deutschen Super-Agenten im Kino. Vielleicht für Mister Dynamit »reloaded«. Eine stille Sehnsucht.
Bodo V. Hechelhammer
Seine Artikel bei CrimeMag.