Der elegante Wüterich
– Am 9. Juni 2013 ist Ian Banks verstorben, jenseits aller U/E-Gehege geschätzt von Lesern, die Intelligenz, Originalität, Eleganz und eine gewisse Komplexität für willkommene Tugenden halten. Ein Nachruf von Lutz Göllner.
Ich bin auf Ian Banks gestoßen, weil ich Bret Easton Ellis’ „American Psycho“ so doof fand. (Ja, gut, es war Satire, aber wer erträgt schon seitenlange Elogen auf Genesis, Whitney Houston und Huey Lewis And The News?)
„Du musst mal ‚Verschworen‘ lesen“, empfahl mir mein Kumpel Bernie, damals Chefredakteur der „Speedline“, des besten deutschen Fachblatts über Comics, „von diesem Schotten, Ian Banks.“ Der Serienkiller als Held war gerade ins Licht der Öffentlichkeit getreteten, als letzter Vertreter einer Genreliteratur, die vom Lonesome Cowboy über den einsamen PI das Hohelied des Einzelgängertums sang. (Und wer wäre nicht gerne so gebildet und könnte so gut kochen, wie Hannibal Lecter?)
Ich war am Haken, denn Ian Banks trieb die Perfidie sehr komisch und sehr brutal auf die Spitze, indem er einen einfachen sprachlichen Kniff benutzte: Immer, wenn der Serienmörder auftrat, wurde der Leser in der zweiten Person Singular angesprochen: mit „Du“.
(Ein Trick, den Jay McInerney – das „nette“ Gegenstück zu Ellis – zuletzte in „Ein starker Abgang“ benutzt hatte; dort war er wegen McInerneys Unfähigkeit, eine Position einzunehmen, allerdings schiefgegangen.)
Ian Banks dagegen war wütend, und er hatte allen Grund dazu. Wütend darüber, dass der Sozialdarwinismus eines Herbert Spencer zur britischen Staatsdoktrin erklärt worden war, wütend darüber, wie die britischen Sozialdemokraten umfielen und sich einem Mann wie Tony „walks like a Tory, talks like a Tory“ Blair unterordneten. Nur um keine falschen Gedanken aufkommen zu lassen: Über Figuren wie den „Arbeiterführer“ Arthur Scargill, der in einer Luxuslimousine vorfuhr, um die streikenden Bergarbeiter in ihr Unglück zu agitieren, machte sich Banks, der als Student auch als Stand-up-Comedian auftrat, ebenso lustig.
Nach dem Studium und einigen Lehr- und Wanderjahren war der 1954 geborene Banks in seine schottische Heimat zurückgekehrt. Mit der Zeit wurde aus dem sozialistischen Internationalisten ein schottischer Separatist. Ich las dann in schneller Reihenfolge zunächst Banks Romandebüt „Die Wespenfabrik“ – ein verstörendes Porträt eines Psychopathen und die britische Variante des lateinamerikanischen „Magischen Realismus“ gleichzeitig – und den autobiografischen Heimatroman „Die Brücke“ (für den ich eine besondere Liebe hege, nicht zuletzt weil ich die Brücke, von der hier die Rede ist, ganz gut kenne). Doch Banks wurde nicht nur vom treudoofen deutschen Feuilleton ignoriert, auch seine Verlage wussten wenig mit dem wortgewaltigen und stilsicheren Wüterich anzufangen: „Die Wespenfabrik“ etwa erschien zunächst nur in der Heyne Science-Fiction-Reihe.
Zugegeben: nicht ganz falsch, schließlich waren die seit 1987 entstandenen „Kultur“-Romane und Erzählungen reine SciFi, in der Banks seiner Eleganz in den Ausführungen anarchistischer Anschauungen Zucker gab. Als SF-Autor wurde Banks, einer der besten zeitgenössischen Autoren Großbritanniens überhaupt, in Deutschland wahrgenommen, aber bis heute sind vier seiner Non-SciFi-Romane nicht übersetzt worden.
Im April 2013 verkündete Banks auf seiner Webseite, dass er unheilbaren Gallenblasenkrebs habe. Wenige Wochen vor seinem Tod heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin Adele Hartley, nachdem er sie „um die Ehre gebeten hatte, seine Witwe zu werden“.
Am 9. Juni 2013 starb Ian Menzie Banks im Alter von nur 59 Jahren.
Lutz Göllner
Lutz Göllner ist Redakteur beim Stadtmagazin zitty und schmutzt nicht. Mehr zu Ian Banks.
Zur Neuausgabe der „Wespenfabrik“ bei Milena. Porträtfoto Ian Banks: © John Foley Opale/Milena Verlag.