
Hinweise zur Sekundärliteratur
Seit Jahren bibliografiert, archiviert und kommentiert der Ehrenglauser-Preisträger Thomas Przybilka in seinem BoKAS (= Bonner Krimi-Archiv Sekundärliteratur) wissenschaftliche und publizistische Arbeiten aus aller Welt, die sich mit den unendlichen Facetten von Kriminalliteratur befassen. In unregelmäßig regelmäßigen Abständen erscheinen dann seine unschätzbar wertvollen Zusammenfassungen der aktuellen Sekundärliteratur, die jeder zur Kenntnis nehmen muss, der sich auch nur ein bisschen über seine Lieblingsliteratur kundig machen möchte. Ein solcher „Newsletter“ hat leicht einmal 160 bis 200 Seiten; deswegen empfiehlt CrimeMag unregelmäßig ein paar Titel aus dieser Fülle, die uns besonders bemerkenswert erscheinen.
- Bach, Susane (Hg): Gewalt, Geschlecht, Fiktion. Gewaltdiskurse und Gender-Problematik in zeitgenössischen englischsprachigen Romanen, Dramen und Filmen. 2010, 248 S., WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, EURO 24,50
Gewalt und Geschlecht sind Parameter der meisten Wahrnehmungsformen, sie selbst Kernelemente von Narration und bestimmen – bewusst oder unbewusst – unser Denken. Die vorliegende Anthologie widmet sich diesem Spannungsfeld in englischen, irischen, schottischen, namibischen, US-amerikanischen und kanadischen Romanen, Dramen und Filmen und fragt: Welche Normen und Funktionen nimmt geschlechtsspezifische Gewalt in der Literatur ein? Wird sie ideologisiert, psychologisiert, dämonisiert oder idealisiert? Werden gängige Vorstellungen hinterfragt? Wird die gender-Debatte durch Hinzunahme des Parameters „Gewalt“ ergänzt, bereichert, präzisiert, verfälscht oder subversiv unterlaufen? Folgt die Entwicklung erwartbaren Vorstellungen („Mann als Täter, Frau als Opfer“) oder können Literatur und Film neue Muster anbieten. Wenn ja: Können sich diese dann aus dem Korsett der semantischen, epistemologischen, gesellschaftlichen und moralischen Klischees und Vorgaben befreien? Kurz: wo gelingt es der Literatur, Aspekte von Gewalt und Geschlecht neu zu perspektivieren? Wo weiß Literatur mehr oder anderes als die Wissenschaft?
Inhalt: Susanne Bach: Gewalt und Geschlecht in der zeitgenössischen Literatur / Martin Dornberg: Geschlecht und Gewalt. Einige Anmerkungen aus philosophischer und psychologischer Sicht / Bruno Arich-Gerz: Gewalt und Geschlecht in der englischsprachigen Prosaliteratur zu und aus Namibia nach 1990. André Brink, „The Other Side of Silence“, Joseph Diescho, „Troubled Waters“, Brian Harlech-Jones, „A Small Space“ und Neshani Andreas, „The Purple Violet of Oshaantu“ / Susanne Bach: Formen weiblicher Gewalt in Margaret Atwoods „The Handmaid’s Tale“, „Cat’s Eye“ und „The Robber Bride“ / Dorothee Birke & Stella Butter: „Shattering the blood-spattered glass ceiling“. (De-)Stabilisierung der patriarchalischen Geschlechterordnung durch die Figur der Serienkillerin in Literatur und Film / Folkert Degenring: „Women, Aliens and Monsters“. Gewalt und Geschlecht in Iain M. Bank’s „Culture“- und Charles Stross‘ „Laundry“-Romanen / Paul Goetsch: Traumatisierung in britischen und irischen Kriegsdramen seit 1990 / Lars Heiler: „Is This Tragedy?!“ – Remodellierungen von Gewalt und Geschlecht in Paula Vogels „Desdemona. A Play About a Handkerchief“ und Ann-Marie MacDonalds „Goodnight Desdemona (Good Morning Juliet)“ / Sarah Heinz: Mütter, Söhne und Töchter. Gewalt und Geschlecht im Mythos von Cathleen ni Houlihan bei W.B. Yeats und Martin McDonagh / Anja Müller-Wood: „Fire and Rage and Cruelty“. J.G, Ballards faszinierender Blick auf die weibliche Gewalt / Gabriele Rippl: „Naked in the grip of reality“ – A.L. Kennedys Ästhetik der Gewalt / Beiträgerinnen und Beiträger.
Susanne Bach ist Professorin für Anglistik an der Universität Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind englisches Drama, Romane des 19. Jahrhunderts und Gender Studies.
- Close, Glen S.: Female Corpses in Crime Fiction. A Transatlantic Perspective. 2018, XII/261 S., 19 s/w Illustrationen, Palgrave Macmillan (Crime Files) (Springer Verlag), EURO 75,00
This book examines the central significance of sexualized female corpses in modern and contemporary Hispanic and Anglophone crime fiction. Beginning with the foundational detective fictions of the nineteenth century, it draws from diverse subgenres to describe a transatlantic tradition of necropornography characterized by lascivious interest in female cadavers, dissection, morgues, femicide, and snuff movies. Hard-boiled and police procedural classics from the U.S. and the U.K. are juxtaposed with texts by established Spanisch and Spanish American genre masters and with obscure works that prefigure the contemporary transmedial boom in corpse-centered fictions.
Inhalt: Introduction / Necropornography in Modern Crime Fiction / The Hispanic Hard-Boiled / Femicide and Snuff / Conclusion.
Glen S. Close ist Professor für Spanisch an der University of Wisconsin-Madison.
- Düwell, Susanne / Bartl, Andrea / Hamann, Christof / Ruf, Oliver (Hg): Handbuch Kriminalliteratur. Theorien – Geschichte – Medien. 2018, VIII/422 S., J.B. Metzler Verlag (Springer), EURO 89,95
Kleinere Abhandlungen zur Kriminalliteratur im Allgemeinen und Referenzliteratur zu einzelnen Aspekten sowie zu Autorinnen und Autoren des Genres gibt es im deutschen Sprachraum seit einigen Jahren (glücklicherweise) schon mehrfach ( siehe diverse Ausgaben des KTS der letzten Jahre). Jetzt haben die Herausgeber Düwell, Bartl, Hamann & Ruf mit dem „Handbuch Kriminalliteratur“ eine umfangreiche Betrachtung des Genres vorgelegt. Betrachtet werden eine Vielzahl der unterschiedlichen Aspekte des Genres. Zugleich weisen die Essays auf den aktuellen Forschungsstand zur Kriminalliteratur hin. Um der Idee der Herausgeber, das Feld „Kriminalliteratur“ mit seiner Vielzahl der verschiedensten Themen gerecht zu werden, haben sie sich der Mitarbeit zahlreicher Fachleute gesichert. Aber selbst dieses vorliegende umfangreiche Werk stößt naturgemäß an Grenzen. So wird zum Beispiel die (Literatur-)Geschichte der deutschsprachigen Kriminalliteratur, ausgehend vom 17./18. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts beleuchtet, allerdings fehlt zum Beispiel eine Betrachtung der wichtigen und anstoßgebenden englischsprachigen Kriminalliteratur (sowie auch anderer nationaler Kriminalliteraturen). Hinweise auf Vertreter dieser fremdsprachigen Kriminalliteraturen sind selbstverständlich vorhanden, allerdings in den einzelnen der insgesamt 53 Essays verstreut bzw. wird im dritten Kapitel eine Auswahl von 9 herausragenden Vertretern des Genres explizit aufgeführt. Zu dem abschließenden Personen- und Titelindex vermisse ich aber ein Sachregister. Auch hier ist der Leser wieder auf die Überschriften der einzelnen Essays angewiesen, um zu erkennen, ob dort entsprechende Informationen angeboten werden. Alle Essays des in sieben Teilen gegliederten Werkes, werden mit Aufstellungen weiterführender Literatur ergänzt. Die im Anhang aufgeführten „Krimi-Preise und –Institutionen“ hätten ausführlicher sein können – so fehlen zum Beispiel gänzlich Hinweise auf deutschsprachige (Krimi-)Jahrbücher und –Magazine der vergangenen Jahre [eine Kontaktaufnahme mit dem „Bonner Krimi Archiv Sekundärliteratur – BoKAS“ wäre für die Autorin bestimmt hilfreich gewesen]. Bei einer eventuellen Neuauflage dieses an sich begrüßenswerten Kompendiums wäre ein Schließen dieser Lücken zum empfehlen.
Inhalt:
— Vorwort
— I. Literaturwissenschaftlliche Konzepte der
Kriminalliteratur
Metin Genç: Gattungsreflexion/Schemaliteratur / Andreas Blödorn: Narratologie / Michael Homberg: Intertextualität / Elisa Müller-Adams: Genderforschung / Kathrin Schuchmann: Raumkonzepte / Nicola Pethes: Fallgescichten / Metin Genç: Aktuelle Forschungsperspektiven.
— II. Theorien des Kriminalromans
Florian Lehmann: Philosophie / Marcus Krause: Psychoanalyse / Erik Schilling: Semiotik / Patrick Hohlweck: Soziologie / Hania Siebenpfeiffer: Kriminologie / Michael Eggers & Patrick Hohlweck: Wissensgeschichte.
— III. Poetologische Reflexionen
Marcus Krause: Edgar Allan Poe / Stephanie Catani: Bertolt Brecht / Julia Schöll: Arthur Conan Doyle / Christof Hamann: Raymond Chandler / Metin Genç: Dorothy L. Sayers / Jürgen Nelles: Friedrich Dürrenmatt / Jürgen Nelles: Dieter Wellershoff / Ulrich Weber: Patricia Highsmith / Andreas Erb: Bernhard Jaumann
— IV. Zentrale Aspekte
Arne Höcker: Angst/Paranoia / Jill Bühler & Stephanie Langer: Aufklärung / Michael Niehaus: Geständnis / Antonia Eder: Indiz/Indizienprozess / Clemens Peck: Komplott / Susanne Düwell: Rätsel / Julia Menzel: Serie / Jill Bühler & Stephanie Langer: Untersuchung/Ermittlung / Alexander Košenina: Verbrechen / Michael Neuhaus: Verhör.
— V. Zentrale Figuren
Annika Hanauska: Begleiter des Detektivs / Annika Hanauska: Detektiv / Niklas Schmitt: Gerichtsmediziner und
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Spurensicherung / Konstantin Mangos & Chris W. Wilpert: Opfer / Dominik Achtermeier: Polizei / Niklas Schmitt: Richter / Corina Erk: Täter / Corina Erk: Verdächtige.
— VI. Literaturgeschichte der deutschsprachigen
Kriminalliteratur
Ingo Breuer: Kriminalliteratur im 17./18. Jahrhundert / Carsten Zelle: Unkanonische Kriminalerzählungen des 19. Jahrhunderts / Susanne Düwell: Kanonische Kriminalliteratur des 19. Jahrhunderts / Julia Menzel: Periodische Presse und Kriminalliteratur im 19. Jahrhundert / Charlotte Jaekel: Kriminalliteratur von 1900 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs / Christof Hamann: Kriminalliteratur der Weimarer Republik / Christoph Cox: Kriminalliteratur zur Zeit des Nationalsozialismus / Andrea Bartl: Kriminalliteratur seit der Mitte des 20. Jahrhunderts.
— VII. Medien und Krimis
Stefan Neuhaus: Film / Christian Hißnauer: TV / Bettina Wodianka: Hörspiel / Joachim Trinkwitz: Comis/Graphic Novel / Oliver Ruf: Digitale Medien.
— Anhang
Julia Leditzky: Krimi-Preise und –Institutionen / Autorinnen und Autoren / Personen- und Werkregister.
Susanne Düwell ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität zu Köln.
Andrea Bartl ist Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.
Christof Hamann ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität zu Köln.
Oliver Ruf ist Professor für Medien- und Gestaltungswissenschaft an der Hochschule Furtwangen.
- Knight, Stephen: Australian Crime Fiction. A 200-Year History. 2018, IX/301 S., McFarland & Company, US $ 45,00
Im Januar 1788 erreichte die „First Fleet“ den am anderen Ende der Welt gelegenen Kontinent Australien. Passagiere dieser ersten Anlandung waren in England verurteilte Verbrecher und deren Bewacher. Sie sollen als erste Weiße die Küstenregionen des neuen und unbekannten Landes besiedeln. Schon nach knapp zwanzig Jahren erschienen die ersten Geschichten und Erzählungen von Verbrechensliteratur der neuen Kolonie: „Michael Howe. The Last and Worst of the Bushrangers of Van Diemen’s Land“ von Thomas Wells wurde 1818 in Hobart aufgelegt. Stephen Knight legt mit „Australian Crime Fiction“ eine weitere Untersuchung (nach „Continent of Mystery“, siehe Kasten unten) eine erstmals umfassende Geschichte der australischen Kriminalliteratur vor. Neben den in Europa bestens bekannten Namen der australischen Kriminalliteratur, wie Arthur W. Upfield, Peter Corris, Paul Temple oder Garry Disher werden Interessierte hier mit weiteren zahlreichen Autorinnen und Autoren von Down Under bekannt gemacht. Gesichtet und eingeordnet hat Knight 645 Bücher (Verbrechens- und Kriminalliteratur) von 254 Autoren für die Zeit von 1818 bis 2017. Seinen Überblick zur australischen Kriminalliteratur gliedert er in 5 zeitgeschichtliche Teile, „Sections“ genannt, hierin wieder nach Subgenre unterteilt. Ergänzt wird Knights Übersicht und Analyse durch eine überaus umfangreiche Bibliographie der Primärliteratur (gegliedert nach den bereits erwähnten 5 Sections) sowie einen Personen- und Titel-Index.
Inhalt:
— Acknowledgments / Introduction.
— Section 1 – Earliest Stories to the First World War, 1818-1914: Beginnings – Convicts and Bushrangers / Settler and Squatter Crime Fiction / Goldfields Crime Stories / Remembering the Criminal past / City Mysteries / Turn of the Century Crime Fiction.
— Section 2 – Across and Between Two Wars, 1915-1945: Male Authors / Female Authors / Overseas and Touristic Crime Fiction.
— Section 3 – Towards Independence, 1946-1979: The American Private-Eye Model / Other Male Authors / Female Authors / Other Voices.
— Section 4 – Australia Stands Alone, 1980-1999: Private Investigators – Male / Private Investigators – Female / Police – Male / Police – Female / The Crime Novel / Amateur Detectives / Psychothrillers / Indigenous Crime Fiction / Historical Crime Fiction / Other Voices.
— Section 5 – Patterns of the Present, 2000-2017: Private Investigators – Male / Private Investigators – Female / Police – Male / Police – Female / The Crime Novel / Amateur Detectives / Psychothrillers / Indigenous Crime Fiction / Historical Crime Fiction / Other Voices.
— Bibliography (by Sections) / Index.
Professor Stephen Knight ist ein (weltweit) bekannter Fachmann für Englische Literatur und Spezialist für australische Kriminalliteratur. Knight lehrte an Universitäten in Australien, England und Wales. Seit seiner Rückkehr nach Australien ist er Honorary Research Professor an der Melbourne University. Für sein Werk „Continent of Crime“ wurde er mit dem Ned Kelly Lifetime Achievement Award ausgezeichnet.www.profstephenknight.com
- (Die diskutierten Texte stammen u.a. von Margaret Atwood, Chelsea Cain, Patricia Cornwell, Val McDermid, Minette Walters, Helen Zahavi / Filmvorlagen sind u.a. „Basic Instinct“, „Monster“, „NCIS – Naval Criminal Investigative Service“ und „Thelma und Louise“)
Inhalt:
Susanne Bach: Gewalt und Geschlecht in der zeitgenössischen Literatur / Martin Dornberg: Geschlecht und Gewalt. Einige Anmerkungen aus philosophischer und psychologischer Sicht / Bruno Arich-Gerz: Gewalt und Geschlecht in der englischsprachigen Prosaliteratur zu und aus Namibia nach 1990. André Brink, „The Other Side of Silence“, Joseph Diescho, „Troubled Waters“, Brian Harlech-Jones, „A Small Space“ und Neshani Andreas, „The Purple Violet of Oshaantu“ / Susanne Bach: Formen weiblicher Gewalt in Margaret Atwoods „The Handmaid’s Tale“, „Cat’s Eye“ und „The Robber Bride“ / Dorothee Birke & Stella Butter: „Shattering the blood-spattered glass ceiling“. (De-)Stabilisierung der patriarchalischen Geschlechterordnung durch die Figur der Serienkillerin in Literatur und Film / Folkert Degenring: „Women, Aliens and Monsters“. Gewalt und Geschlecht in Iain M. Bank’s „Culture“- und Charles Stross‘ „Laundry“-Romanen / Paul Goetsch: Traumatisierung in britischen und irischen Kriegsdramen seit 1990 / Lars Heiler: „Is This Tragedy?!“ – Remodellierungen von Gewalt und Geschlecht in Paula Vogels „Desdemona. A Play About a Handkerchief“ und Ann-Marie MacDonalds „Goodnight Desdemona (Good Morning Juliet)“ / Sarah Heinz: Mütter, Söhne und Töchter. Gewalt und Geschlecht im Mythos von Cathleen ni Houlihan bei W.B. Yeats und Martin McDonagh / Anja Müller-Wood: „Fire and Rage and Cruelty“. J.G, Ballards faszinierender Blick auf die weibliche Gewalt / Gabriele Rippl: „Naked in the grip of reality“ – A.L. Kennedys Ästhetik der Gewalt / Beiträgerinnen und Beiträger.
Susanne Bach ist Professorin für Anglistik an der Universität Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind englisches Drama, Romane des 19. Jahrhunderts und Gender Studies.