Geschrieben am 16. November 2013 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Zoë Beck & die Polizei

Die Romane von Zoë Beck haben keine klassischen Ermittler-Konstellationen, schon gar keine mit Polizisten. Dass das so ist, hat mit einer Grundentscheidung zu tun, die sich mit einer gewissen Ideologieproduktion von Kriminalliteratur auseinandersetzt. Zoë Beck nimmt das Problem auseinander.

zoe_beck_porträtDie Polizei und ich

Eigentlich habe ich kein besonders stabiles Vertrauensverhältnis zum Freund und Helfer. Das hat mit einigen, ähm, unerfreulichen Erfahrungen in meiner Jugend zu tun, die ich hier jetzt nicht vertiefen möchte, das machen wir mal ein anderes Mal. Aber dann wollte ich ja unbedingt Krimis schreiben, und der Verlag wollte unbedingt, dass die was mit Polizisten zu tun haben. Gut. Die Polizeiarbeit habe ich mir dann eben angesehen. Ich bin im Streifenwagen mitgefahren, ich war mit jemandem von der Spurensicherung unterwegs, hab beim Hundetraining zugeschaut, war in der Rechtsmedizin, hockte mit Kripobeamten diverser Bundesländer Ewigkeiten zusammen, um Dies und Das durchzukauen oder meine Manuskripte zu überprüfen, drang in meinem Rechercheeifer bis zum LKA vor, langweilte mich sogar einige Abende durch die Erzählungen eines SEKlers, ließ mir den Alltag von Staatsanwälten und Haftrichtern erklären. Was man eben so tut, wenn man Kriminalromane schreibt.

Ich habe dann ganz schnell beschlossen, dass ich keine Ermittlerkrimis schreiben will. Das ist nämlich genau die Perspektive auf einen Mordfall, die mich überhaupt nicht interessiert: die Polizeiarbeit, die Anwendung von Recht und Gesetz, die juristische Schuldfrage.

Nachdem ich das einmal beschlossen hatte, nahm mein Kontakt mit Polizeibeamten deutlich ab. In diesem Jahr nahm er unerfreulicherweise wieder deutlich zu. Zum ersten Mal geriet ich in die bayerische Schleierfahndung, und zwei Beamte in Zivil wollten allen Ernstes meinen Käfer mit Drogenhunden abschnüffeln und auf Waffen durchsuchen. Berliner Kennzeichen, das ist natürlich höchst verdächtig, klar. Und in München kann ich sowieso keine zwei Meter fahren, ohne kontrolliert zu werden. Das war auch schon so, als ich dort noch gewohnt habe und kein Berliner Kennzeichen hatte. Das passiert. Das würde eigentlich auch nicht zählen. Aber:

Es ergab sich eine unangenehme Episode mit einem mir unbekannten jungen Mann, der sich zu nächtlicher Stunde an einer Bushaltestelle beim Anblick von mir und meiner Freundin die Hose aufknöpfte, um dann selbstvergessen an einem nichtöffentlichen Körperteil herumzuspielen und – ja. Dies war Anlass, diesmal von meiner Seite Kontakt mit den Freunden und Helfern aufzunehmen. Ebenso ein paar erstaunliche Zugriffsversuche auf unser Geschäftskonto, die weder ich noch mein Mitgesellschafter zu verantworten hatten – wieder musste ich die Ordnungshüter bestellen und Strafanzeige erstatten. Ich kann nicht sagen, dass mir das gefällt: Abgesehen von der ein- oder anderen Ordnungswidrigkeit, die ich gemeinsam mit meinem Käfer auf Autobahnen oder Parkplätzen begehe, halte ich den Kontakt mit der Polizei gern gering, seit ich nicht mehr zu Recherchezwecken dort herumhänge.

Und jetzt muss ich zugeben, dass ich bei meinen Recherchen nicht ganz richtig aufgepasst habe. Ich meine, ich habe schon gemerkt, dass es sich in der Realität nicht ganz so zuträgt wie im Fernsehen. Aber ein bisschen enttäuscht bin ich nun doch. Im Fernsehen zeigen sie nie, wie lange der Papierkram dauert. Da geht man zur Polizeiwache, sagt, was man auf dem Herzen hat, und Heerscharen an Uniformierten sprinten los, um die ganze Stadt nach dem Übeltäter abzusuchen. Ich aber muss erst seitenweise Zeugs ausfüllen, achtzehnfach unterschreiben. Wundert mich nicht, dass der Mensch, der seine Hose nicht zulassen wollte, längst über alle Berge ist, als die Streife sich in Bewegung setzt. Dann bekomme ich in den nächsten Tagen auch noch einen dicken Brief mit vielen Seiten, die ich schon wieder ausfüllen muss, außerdem schreibt man mir kompliziertes Zeug in einem Ton, der vermuten lässt, ich hätte etwas verbrochen. Ich gehe hin, versuche, mich von einem Menschen durch die komplizierten Formulierungen leiten zu lassen, und ende damit, dass ich ihm mehrfach versichere, keine Gräber geschändet oder Häuser niedergebrannt zu haben. Ich bin verstört.

Die nächste Anzeige, zu der man mich unbekannterweise zwingt, stelle ich also online, in der Hoffnung, weniger direkten Kontakt mit Menschen haben zu müssen, die zwar eine halbwegs ähnliche Syntax kennen, die einzelnen Wörter aber semantisch anders belegt haben. Ich bemühe mich um eindeutige und klare, kurze Aussagesätze. Es funktioniert nicht. Seitdem bin ich damit beschäftigt, Aktenzeichen abzuspeichern, Formulare runterzuladen oder online auszufüllen, Screenshots zu versenden, um sie anschließend noch mal auszudrucken und per Post zu verschicken, meine Daten neunundfünfzig Mal zu bestätigen, und ach. Ich hatte mir das ja so gedacht. Ich schreibe denen eine Mail: Hey, jemand wollte mir schaden! Geld und so! Böse! Kriminell! Und dann ruft jemand an und sagt: Hey, Fräulein Beck, wir kümmern uns. Die setzen ihren Hauptkommissar Superhacker an den Fall, und fünf Minuten später hat er raus, wer das war. Die Uniformen rücken aus, Hubschrauber und so, treten Türen ein, fuchteln mit den Waffen, wenden Handschellen an, und gut isses. Abspann. Alle nach dreiundvierzig Minuten glücklich.

Ja, ich bin irritiert. Natürlich weiß ich, dass man den Alltag dieser Berufsgruppe nicht so zeigen kann, wie er ist. Im Krankenhaus geht’s ja auch nicht so zu wie im Fernsehen. Dr. House gibt es gar nicht in Wirklich, und auch die Schwarzwaldklinik war ein Fake. Trotzdem bin ich irritiert. Allerdings darüber, dass so viele von uns über die Polizeiarbeit schreiben. Auf diese idealisierte Art. Auf diese hoffnungsfrohe Weise. So viele Polizeiromanutopien, wie sie jeden Monat frisch auf den Markt kommen – die Hoffnung auf wahre Helden in unserer Gesellschaft ist nicht tot. Das sehe ich jetzt.

Man möge mir verzeihen, dass ich meine Heldinnen und Helden weiter woanders suche. Es mag, wie erwähnt, an meinem erschütterten Vertrauensverhältnis zu dieser Institution liegen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zoë Beck

Zur Homepage von Zoë Beck geht es hier. Foto: © Victoria Tomaschko.

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