re:publica 13 – Drei Tage on/off.
Eine Zusammenfassung von Zoë Beck.
Vom 6. bis 8. Mai trafen sich Menschen, die was mit dem Internet zu tun haben, auf der re:publica 13. Zum siebten Mal findet die Netzkonferenz in Berlin statt, zum zweiten Mal in der STATION Berlin, weil die Teilnehmerzahl so stark angestiegen ist: Mit siebenhundert Besuchern startete man 2007, und nun hatte man um die fünftausend. Von Familientreffen kann trotzdem gesprochen werden, der Eindruck, dass jeder irgendwie jeden kennt, ist geblieben.
Verändert hat sich einiges. Heute gibt es viele große Sponsoren, die klassischen Medien berichten längst nicht mehr so herablassend (wenn auch immer noch häufig genug fehlerhaft), die Veranstaltung ist eine gesetzte Größe. Drei Tage also driftet man durch ein breites Angebot an Vorträgen und Workshops, begegnet Menschen, die man sonst nur virtuell kennt, trinkt viel fritz-kola und Club-Mate und steht für Essen und Klo in langen Schlangen.
Bildschirmnachvollzug
Eine „Gesamtkritik“ zu bringen, dazu waren es zu viele Veranstaltungen, und meine Erwartungshaltung war sicherlich – nun, eben die meine. Viele Menschen, die ich traf, waren zum ersten Mal dort und sahen entsprechend zum ersten Mal jemanden wie Kathrin Passig oder Sascha Lobo ohne einen Bildschirm dazwischen. Die positive Erregung war groß, der Personenkult lebt eben auch hier. Mit Bildschirm kann man noch immer das Gesagte nachvollziehen, nämlich hier:
Frau Passig über T-Shirts, Müesli und Nutzer, die nicht wissen, was sie wollen, es aber erkennen, wenn sie es sehen, und hier:
Herr Lobo mit Überraschungsvortrag ohne funktionierende Technik, was wiederum sehr überraschte.
Kritik
Darf ich mit Gemecker anfangen? Dann haben wir’s hinter uns.
- Zu wenig Barrierefreiheit. Das Internet als „Ort“ gibt Menschen mit Behinderung die Chance, sich frei zu bewegen. Der prozentual signifikant hohe Anteil an Menschen mit Behinderung auf der re:publica spiegelt das. Schade daher, dass beispielsweise die Untertitelung auf Stage 1 häufig hing.
- Zu viele schlecht vorbereitete Moderatoren, und zu viele schlechte Sprecher. Das fehlende Vortragstraining fällt einfach auf. Unsouveränes Gestotter, schlecht sitzende Stimmen, mies strukturierte Vorträge. Eine Wohltat zumeist die englischsprachigen Gäste, die da offensichtlich ganz andere Ansprüche an die eigene Performance haben.
- Die Preise: Klar kostet so eine Veranstaltung Geld. Aber dann, liebe Organisatoren, sprecht nicht davon, wie wohltätig fair die Getränkepreise sind, das waren sie nämlich nicht. Sie waren, sagenwirmal, normal. Aber nicht günstig. Kein Grund, damit Werbung zu machen.
Hohe Bandbreite
Die Bandbreite an Themen war wieder groß, und sie war auch ausgewogen. Nicht jeder Vortrag entsprach ganz den Erwartungen, so gab es beim Thema „Das Buch muss überwunden werden“ so viele Enttäuschte, dass sich die Reihen extrem schnell lichteten, wohingegen Wibke Ladwigs „Decoding a book – Was ist ein Buch?“ (wurde leider nicht aufgezeichnet, hier aber die slideshow) wegen Überfüllung geschlossen werden musste.
Hier ging es denn auch tatsächlich um die Sorte Buch, die die Zuhörer erwarteten, nämlich das literarische Buch, bzw. das Buch als Synonym für „Geschichten“. Beides ein Indikator dafür, dass das Thema „Buch“ ein wichtiges, ein emotionales ist, und dass in diesem Jahr auffallend viele Verlagsmenschen anwesend waren, mehr noch als im Jahr zuvor.
Die Entwicklung weg vom papierenen Trägermedium, hin zu digitalen Produkt, die offenkundige Feststellung, dass Autoren eben Geschichten produzieren und nicht Bücher, und welche soziologische und kulturelle Bedeutung dem Buch als Buch eben zukommt – darüber wollte man lang und breit reden. Darüber und wie das so ist, mit dem eBook und dem eReader und überhaupt, wo man doch meinen sollte, dass diese Themen längst durchgekaut sind. Sind sie nicht.
Spannend vom Thema her „Wie das Internet literarisches Schreiben verändert“, wobei auch dabei der Neuigkeitswert nicht immens groß war, jedenfalls nicht, wenn man sich seit Jahren im Netz herumtreibt, dazu noch schreibend. Aber – schöne Ideen sind dabei.
Interessant der Aufruf, wieder mehr zu bloggen und die eigenen Inhalte stärker an sich zu binden, als sie den Plattformanbietern zu überlassen, auf dass sie dort in der Unauffindbarkeit versinken.
Das Blatt und das Netz treibt natürlich auch nach wie vor sehr stark die Zeitungsverlage um, Lothar Müller von der Süddeutschen Zeitung führte aus, was man alles Schönes mit Papier machen kann.
„Haters gonna hate“, ein T-Shirt, das häufig zu sehen war, und der Titel einer Session, und ja, da denkt man an die sogenannten Trolle, die nicht einmal unbedingt anonym die Freiheit des Netzes zu missbrauchen wissen, indem sie Gerüchte streuen, beleidigen und eben einfach mal hassen. Doch auch da ist man sich einig: Ignorieren ist noch zu viel der Ehre, bleibt doch bei euren ungelesenen Blogs im Neunziger-Jahre-Look und verpasst, was wirklich vor sich geht. Die Session allerdings drehte sich konkret um dieses Kunstprojekt. Wahrscheinlich sind es die Trolle wirklich nicht wert, dass man sie auch nur bedenkt.
Über große Emotionen im Internet, besonders in den sozialen Medien, berichtet Deanna Zandt, die unter anderem die These vertritt: „social media are relationship management tools“, und da hat sie schließlich recht.
Inhaltlich schließt daran Anne Wizoreks Vortrag über #aufschrei und seine Auswirkungen auf die Offlinewelt an.
Neben den mittlerweile üblichen Themen zu Datenschutz und Urheberrecht, Verschwörungstheorien und Katzen (ihr könnt euch ja mal hier durchklicken), wurde eine Art „Gesünder leben als Geek“-Vortrag geboten, hier:
Erik Hersman berichtete von Start-ups und Kickstarter-finanzierten Internetprojekten in Ostafrika:
Überhaupt: noch mehr Afrika und Internet hier:
Ein persönliches Highlight – da ist er wieder, der Personenkult – war Laurie Penny, sie sprach über „Cybersexism“:
Und sicherlich ein allgemeines Highlight: Gunter Duecks „Aufruf zum metakulturellen Diskurs“.
Solche Aufrufe sind immer wichtig, immer spannend und kommen irgendwie immer nur da an, wo sie fast überflüssig oder zumindest redundant sind. So wie aus Laurie Pennys Talk die Männer flüchteten, wird jede Anregung zum Diskurs wieder nur bei denen landen, die ohnehin dazu willens und bereit sind.
Für die re:publica 14 hoffe ich auf ein noch besseres Frauen-Männer-Verhältnis, gerade bei den Speakern (die Organisatoren bemühen sich darum, aber offenbar reichen zu wenig Frauen Themen ein – nehmt das mal als Aufruf!), überhaupt auf mehr neue Gesichter an den Rednerpulten, mehr impulsgebende, kontroverse Sessions. Und bis dahin: Trolle trollen lassen, und mehr Diskurs zulassen.
Zoë Beck
Zur Homepage von Zoë Beck geht es hier. Fotos: © Zoë Beck.