Bei den stillen Büchern
– Zwischen Herbst und Winter wäre da noch die BUCH WIEN 12 (22.-25. November 2012). Ein Messebericht von Senta Wagner.
Was haben die „Rabauken-Reime“ und der „Atlas der Brutvögel Vorarlbergs“ gemeinsam? Geduldig stehen beide nebeneinander im Regal und stechen doch ins Auge wegen ihres speziellen, bibliophilen Aussehens. Anschauen reicht nicht, die wollen in die Hand genommen werden. In dieser kleinen Buchecke im allerhintersten Eck der Messehalle D der Messe Wien dreht sich alles um die Schönheit und ihre Würdigung. Beide Titel gehören zur Riege der fünfzehn schönsten Bücher Österreichs (2011), drei von ihnen sind Staatspreisträger. Hier findet sich also Buchkunst, bei der Innen und Außen der Bücher auf besondere Weise harmonieren was die gestalterische, konzeptuelle und herstellerische Qualität anbelangt. Ein E-Book könnte nie in dieser Hinsicht reüssieren.
Das Befingern der Werke durch die Besucherin bleibt nicht unbemerkt, und ein Hüter der Schönheit lobt ihr Interesse. Man suche schon nach den neuen Hinguckern, erfährt sie. Üblicherweise käme die Jury aber über Einreichungen an die Bücher. Es ist anzunehmen, dass sich alle schön finden.
Preiswürdig sind sie freilich nicht alle, aber sie sind die stillen Stars einer Buchmesse. Und aufregend ist die Vorstellung, wie viele Geschichten in ihnen erzählt, Wissen und Erkenntnisse vermittelt werden. Hilfe! Dieses stets exklusive Angebot des Buches an den Leser, in seine Fantasieräume einzutreten und auf nicht vernetzte Weise zu lesen. Eine Buchmesse bewahrt sich ihren Gestus des Utopischen.
Donauwellen
In diesem Jahr beging der Publikumsevent BUCH WIEN 12 als Paarausgabe aus Internationaler Buchmesse und Lesefestwoche zum fünften Mal die Großtat, 322 nationale und internationale Verlage aus 13 Nationen und deren aktuelle Publikationen zu präsentieren. Dazu kamen etwa 400 Veranstaltungen wie Lesungen und Diskussionen, wo eine Schar Autorinnen und Autoren ihre Neuerscheinungen vorstellte. Als Plattformen dienten sieben Messebühnen und zahlreiche Leseorte verstreut über die Stadt. Das Messeangebot umfasste natürlich Bücher, Comics, Kinderbücher, Reisemedien, Antiquarisches, Hörbücher und digitale Lesewelten.
Für die breit gefächerte österreichische und vor allem Wiener Verlagsbranche dürfte die Teilnahme am Bücherfest inzwischen ein Muss sein. Hier kennt man sich. Allein mit den in Wien beheimateten 612 Verlagen (Stand 2011) würde man die Kapazitäten der Halle D sprengen. Also ist das Weniger das Mehr. Erfreulicherweise konnten daher auch wieder einige Verlage zum Mitmachen bewegt werden, die im letzten Jahr nicht dabei waren, wie der Milena Verlag und der Kyrene.Literaturverlag. Als feste Hallengrößen gelten inzwischen die Literaturverlage Droschl, Residenz, Folio, Czernin, Picus, Klever, Sonderzahl, Jung und Jung, Wieser sowie die Edition Korrespondenzen und die Verlagsgruppe Styria.
Die Anstrengungen, sich auch international zu geben, waren nicht zu übersehen/überhören. Neben der Präsentation von einigen deutschen Verlagsplatzhirschen und diverser Schweizer Verlage hat man schon von Beginn der Buchmessenaktivitäten an einen Blick über die Donau – Inspirationsquelle nicht nur für Claudio Magris – in die weite süd- und südosteuropäische Landschaft geworfen. In diesem Jahr wurde als Kooperationswerk verschiedener Institutionen die Donau Lounge ins Leben gerufen, die sich mit Veranstaltungen dem dortigen und den Verquickungen mit dem hiesigen Kulturland widmete. Man könnte sogar sagen, dass der lange Fluss den gesamten Buchmessenraum D miteinander verband, von ein paar Abweichlern abgesehen.
Höreindrücke
Der Messeschwerpunkt Comics, Karikaturen und Graphic Novels wurde unter anderem von den Verlagen Reprodukt, Luftschacht und Schreiber & Leser bestritten. Nicht zu vergessen, der Krimi: Mit der Kriminalliteratur wurde ein weiterer Schwerpunkt gesetzt, sehr im Vordergrund stand dabei der Regionalkrimi, eine Sparte, die vom kritischen Feuilleton ebenso belächelt wie von seiner Fangemeinde verehrt wird. Der Gmeiner-Verlag etwa klotzt mit mehreren Regalmetern zum Thema Wiener Kaffeehauskrimi. Schreibende im Krimigenre bekommen offenbar schnell den Titel Kultautor/in angeheftet, Nele Neuhaus wird sogar als „Krimikönigin“ tituliert. Es lasen darüber hinaus etliche österreichische Krimiautoren wie Bert Rebhandl, Eva Rossmann, Radek Knapp und Amaryllis Sommerer.
Ein Plus ist immer gut. Es kamen mit 34.000 Besucherinnen und Besuchern mehr Interessierte als im Vorjahr. Einen großen Schwerpunkt stellten erneut die Angebote für Kinder und Jugendliche dar (Stichwort: Horden an Schulklassen). Familienmesse will man sein. Die Leseförderung und die Lust am Lesen sind nach wie vor die Themen, die allen Beteiligten am Herzen liegen. Manch einem Besucher oder einer Besucherin dürften die einzelnen Verlage und ihre Leistungsschauen jedoch schnuppe sein, geschmöckert wird allenthalben an fast jedem Stand, wenn die Bücher nicht gerade eingeschweißt im Regal stehen. Und schließlich – gekauft und gelesen wird, was gefällt. In der Messebuchhandlung sind, das ist der Pfiff vor Weihnachten, alle Messetitel erhältlich.
Neben den stillen gibt es freilich die sprechenden Stars, die Autoren und Autorinnen. Ihr Aufgebot, eine Mischung aus Prominenz und „Geheimtipps“, stellte ebenso einen wesentlichen Faktor für das Gelingen der Buchmesse dar.
Abschließend ein paar Impressionen der Hörbesucherin auf ihrem Pfad von einer Bühne zur nächsten. Vorab: Man kann sich auf der BUCH WIEN nicht verlaufen, man findet alles und die Füße tun nicht weh. Erste Bühne: Clemens Setz („Indigo“) hat die Lacher auf seiner Seite, als er über einen verlorenen Handschuh ernsthaft schwadroniert; nächste Bühne: Tex Rubinowitz liest aus „Rumgurken“, dann spricht er über seine Idiosynkrasien gegen das Mobiltelefonieren und das Geräusch von Trolleys; dritte Bühne: In Sarajevo gab es vor dem Bosnienkrieg eine fantastische Nationalbibliothek (die Vijećnica), nach dem Bosnienkrieg nur mehr ihre Ruinen, die Medien darin sind fast alle verbrannt. Die vorgestellte Textsammlung „Bibliothek Sarajevo“ (Drava Verlag), eine literarische Einkreisung der Stadt, ist ihr gewidmet. Am Wiederaufbau dieses Teiles eines kulturellen Gedächtnisses wird gearbeitet. Nächste Bühne: Martin Walser, kein Kommentar; fünfte Bühne: zweisprachige Lesung des jungen rumänischen Lyrikers und Übersetzers Claudiu Komartin („Und wir werden die Maschinen für uns weinen lassen“); einmal mehr geschieht es mit den Mitteln der Poesie einer postkommunistischen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten; nächste Bühne: Kinderbühne; und auf der Kochbühne wird GEKOCHT. Geschafft, fast sieben Veranstaltungen von 400.
Senta Wagner
Foto Donau: Nationalpark Donau (Quelle).