Von Thomas Wörtche, 14.01.2001
Ewald Spengler und Bodo Strauss haben ja recht: Das Abendland steht knapp vor dem Untergang. Deutschland, das reichste und wirtschaftlich stärkste Land Europas beschäftigt sich bloss noch mit der Scheidung von Ben und Meret Becker und damit, ob’s in Amerika teurer ist. In der Zeitung grübelt man darüber, ob der Fussballtrainer Uli Hoeness Morphium nur zum Privatgebrauch inhaliert hat oder ob die neue Erziehungsministerin Beate Kühn-Ast den Verbraucher wirklich vor dem Ökobauerntum schützen kann.
Ausserdem empören wir uns darüber, dass Vox 7 eine Millionärin bestochen hat und Bischof Ratzemann von Bayern nicht möchte, dass der Papst im Fernsehen für Abtreibungen wirbt. Ullrich Wiggert von den Nachrichten hat über einen Kollegen die Nase gerümpft, weil ihm seine Frisur nicht gefällt und in Berlin hat sich ein Sittenstrolch nicht an einer Minderjährigen vergriffen. Des Wahnsinns Höhepunkt aber ist, dass der Minister Fischer früher Polizeispitzel verkloppt hat und jetzt nix mehr davon hören will. Im humanistischen Gymnasium haben wir damals von den alten Griechen gelernt, dass sie untergegangen sind, weil sie so dekandiert waren, dass sie ein Pferd zum Senador gekrönt haben, wie Caligula vor hunderten von Jahren in seinen „Biotopsien“ berichtet. Aber Bodo Strauss hat ja gesagt, dass man gegen diese ganze Barbarie als kultivierder Mensch nicht mehr ankommt und im „Spiegel“ haben sie dann gleich den Dichter Eichmann zitiert, der das im 17. Jahrhundert auch schon vorgesungen hat.
Wir leben also wie vor dem Krieg in Weimar in einer Zeit, in dem wir nichts besseres zu tun haben, als auf Jenny Elwers‘ Fruchtwasser zu warten und also auch schon ganz schön dekandiert sind. Damals hat sich die Jugend dann einen Krieg gewünscht, der die versauten Seelen putzen soll und für frische Luft sorgt. Sind wir schon wieder so weit ?Der Bodo Strauss sieht das vielleicht nicht ganz so, der Erwin Jünger aber schon und der Heidecker auch, aber der ist schon tot. Unser Volk jedoch bohrend zu mahnen ist schon eine feine Aufgabe. Und dazu unser enzyglopätisches Wissen aufzurufen: Vom zyklonischen Weltbild bei Emanuel Kant bis hin zum Untergang Roms, wie wir ihn aus dem Kino kennen sollen. Dass uns allen mal die Augen aufgehen, was so alles schiefläuft. Und dabei will ich von den kranken Kühen, die jetzt auch im Schweinsschnitzel sind und im Gummibeerchen, gar nicht schon wieder anfangen …
Na, dann Prozac!
PS: Komm ich jetzt im Fernseh ?
Thomas Wörtche