Das Lächeln des Pharao wird uns alle überleben
– Was soll man zu einer Publikation sagen, die nichts anderes ist, als eine in Comicform gegossene Tour durch das vermutlich bekannteste Museum der Welt? Zunächst einmal muss man anerkennen, dass der französische Staat es sich leistet, eine solche Publikation im Rahmen eines Förderprogrammes zu unterstützen. Das ist erheblich mehr, als man im Deutschland des Jahres 2013 erwarten kann – und, da der bekennende Comicfan Peer Steinbrück nicht Kanzler wurde, wird das vermutlich auch so bleiben.
David Prudhomme hat mit »Einmal durch den Louvre« eine schlaue und sympathische Werbung für ein riesiges Museum entwickelt, ein Werk, das es schafft, nicht langweilig zu sein, dem Leser ein paar Dinge über das Museum zu erzählen, aber auch mit scharfem Blick die kleinen Absurditäten eines Museums zu kommentieren.
Das mit der Langeweile ist allerdings so eine Sache: Ein Band, der trotz 80 Seiten in einer knappen Viertelstunde durchgearbeitet wurde, kann kaum langweilig werden, allerdings ist ein derart rasantes Lesen dem Sujet eher nicht zuträglich. Schon der Stil lädt eigentlich nicht zu einem mangamäßig hektischem Lesen ein: Prudhomme hat den Band in einem wunderschönen, weichen, fast verträumten Blei- bzw. Bundstiftstil gezeichnet, abseits dessen, was man bisher von ihm kennt. Weiß und helle Grautöne überwiegen auf den Seiten dieses Buches. Das dürfte einerseits der Innenarchitektur geschuldet sein, denn immerhin werden in einem Museum Bilder gezeigt und da soll die Umgebung möglichst wenig vom eigentlichen Objekt der Begierde ablenken, andererseits funktioniert das in »Einmal durch den Louvre« auch ästhetisch ganz hervorragend, denn tatsächlich hat Prudhomme die Bilder des Louvre mit eigenem Stift kopiert, und durch die starke Desaturierung der Hintergründe wirken die Darstellungen der Bilder umso stärker.
Die formalästhetische Sicht tritt aber in den Hintergrund, wenn man sich auf den Band etwas mehr einlässt und vielleicht mehrfach durchblättert. Dem eiligen Leser werden sicher viele ironische Seitenhiebe oder Kommentare – wobei diese fast immer Bildkommentare sind – entgehen, daher sollte man sich tatsächlich mehr Zeit nehmen, um den Band genau zu betrachten. Prudhomme ironisiert die Verhaltensweisen der Menschen in einem Museum und veranschaulicht, wie die Ausstellung selbst offensichtlich ironische Momente erzeugt, wenn in einer kompletten, antiken Statuensammlung alle Statuen außer der zentralen kopflos sind, während ausgerechnet von der zentralen Figur nur noch der Kopf übrig ist. Vermutlich wird man sich beim Durchschreiten einer Ausstellung solche Fragen gar nicht stellen, daher sind solche Einblicke schön zu entdecken.
Einfach macht es Prudhomme dem Leser dabei allerdings nicht, und das ist gut so. Anstatt den Oberlehrer herauszuhängen und die belustigten Blicke zu erklären, stellt der Autor diese Bilder oft als Beiwerk zu seiner Erzählung dar. Erzählung? Jawohl, es gibt eine. Die ist an zwar dünn und schnell zusammengefasst (Mann sucht Frau, weil sie sich im riesigen Louvre verloren haben), aber mit symbolischen Anspielungen auf Werke, die auf der Suche im Weg hängen oder stehen, so dass man den erzählerischen Moment schnell vergisst.
Ein Comic für Leute, die keine Comics lesen
Tatsächlich ist der Band ein Comic für Leute, die keine Comics lesen. Stilistisch eher cartoonesk semirealistisch, sind es selten Bilderfolgen, die man liest, sondern einzelne Bilder, die als solche allein stehen könnten, wenn sie nicht – wohlgeplant – in Reihe betrachtet, einen Ablauf ergäben. All diejenigen, die mit der gleichzeitigen Verarbeitung von Text und Bild Probleme haben, werden den Band aufgrund seiner Maulfaulheit lieben. Durch die großzügigen Layouts mit oft seitenfüllenden Grafiken, kann man den Band durchaus auch als Cartoon-Sammlung betrachten.
Ich musste stellenweise an die satirischen Arbeiten von Tomi Ungerer denken. Ganz so gehässig böse wie Ungerer ist Prudhomme nicht, aber er steht in derselben Tradition, wenn er so manche menschliche und menschelnde Verhaltensweise auf die Schippe nimmt. Manche Fragen, wie die nach dem, was eigentlich die Mona Lisa sieht, mögen philosophisch unergiebig sein, erlauben aber dem Zeichner mit freundlicher Ironie uns Kunstbetrachter selbst zum Objekt zu machen. Eine andere Sequenz bringt dann all die Absurdität unseres kleinen Lebens auf den Punkt. Ein Besucher wird gezeigt, der eifrig und andauernd die Büste eines Pharao aus allen erdenklichen Blickwinkeln fotografiert. Erst das letzte Panel der Sequenz deutet an, dass das Lächen auf des Pharao Maske auch dafür stehen könnte, dass sie Jahrtausende überlebt hat, während die Knipsereien des Besuchers, inklusive des Besuchers selbst, schon in wenigen Jahrzehnten Staub sein werden.
»Einmal durch den Louvre« ist für mich ein ideales Coffee Table Book, obwohl es eigentlich nicht umfangreich oder großformatig genug ist. Es eignet sich hervorragend, um immer mal wieder reinzuschnuppern und sich an den wunderbaren, präzisen Beobachtungen des Künstlers zu erfreuen. Man wird keine Schenkelklopfer zu lesen bekommen, aber ein feines Schmunzeln stellt sich bestimmt bei der einen oder anderen Seite ein. Als erzählende Bildgeschichte bietet es mir etwas zu wenig, aber als Sammlung kluger Gedanken zu uns Menschen und unserem Umgang mit Kunst scheint es mir sehr, sehr gut.
Hanspeter Ludwig
David Prudhomme (Text und Zeichnung). Einmal durch den Louvre (La Traversée du Louvre). Übersetzt von Ulrich Pröfrock. Lettering: Dirk Rehm. Reprodukt, Berlin 2013. 80 Seiten. 20,00 Euro.