Geschrieben am 31. Mai 2010 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Dennis Hopper ist tot

Schrei nach Leben samt Todessehnsucht

James Dean, Pop-Art, der amerikanische Traum als Alptraum, Angst und Schrecken in L.A., das Haus in Venice Beach: Dennis Hopper war immer sehr nahe am Puls der Zeit – oftmals schon lange, bevor es die Zeit wusste. Nun ist der Künstler im Alter von 74 Jahren in Los Angeles gestorben. Ein Nachruf von Matthias Penzel.

Die beste Szene in Easy Rider kommt kurz nachdem sie im Knast diesen Motormouth-Typen kennenlernen. Der redet und redet, und was er dann auch noch redet. Am Ende, er hat sie da echt rausgeredet, aus dem Bau – altbekannte Visage beim Sheriff von Hicksville, irgendwo in der Arschspalte der US of A –, da will der Typ sie auch noch überreden, ein Stück des Weges mitzukommen. Mr America, Sunshine-Gesicht, wie man es sofort liebt, lächelt, die Zähne blitzen: bringt eine nette Absage, von wegen, dass man einen Helm braucht und so. Der andere, Grummelsocke vor dem Herrn, einer, den man verehrt, weil er trotz des weniger auffälligen Choppers, mit überhaupt nicht verästelt hochgegabelter Lenkerkonstruktion, sondern am Ende der Vorderradgabel eine Querstange und Schluss, und darauf lehnt er, missmutig hinter Sonnenbrille und unter Hut.

Der also, der sagt dazu, glaube ich, gar nix – und in der nächsten Szene sitzt also Jack Nicholson auf dem Stufensat­tel mit goldenem Baseballhelm und freut sich wie ein Kind. Rauschmittel sind ihm fremd, und als er die nachts am Feuer erstmals inhaliert, auf Anraten in der Lunge hält, bis er fast platzt – Dennis sieht und erwähnt eine Art Blitzen am Himmel –, da redet der schon wieder. Einen langen irren mäanderenden Satz ohne Punkt und Komma, Mann, ein Zeugs ist das… „Wow“ dazu der Nette mit der US-Flagge auf dem Rücken der Jacke. Und Dennis‘ Antwort ist … eine Art Evergreen, gern zitiert, nicht nur unter freiem Himmel.

Überall steht es, jeder weiß es: Wie Marlon Brando hat er sich mit Method-Acting in Rollen begeben, wie ein Besessener ins Leben. Nach einem der zwei Streifen mit James Dean, der Rolle des durchgeknallten Kriegsfotografen in Apocalypse Now wirkte er in einem Film mit Kevin Costner – zum dritten Mal in seinem Leben – in dem „teuersten Kinofilm aller Zeiten“ mit. Costner bekam höhere Gagen, Brando blieb der bessere Schauspieler, Dean der unvergessenere … aber Hopper wird immer unter den außerordentlichen Menschen ein ganz besonderer bleiben.

Warum?

Klar, das Werk, auch das Leben am Abgrund, oft auf der falschen Seite davon, dieser ganze anhaltende Schrei nach Leben, mitsamt Todessehnsucht: geschenkt.

Russisches Roulette mit Dynamitstangen

Oder dass er sich immer sein eigenes Karrieregrab geschaufelt hat und dann da wieder rausgebuddelt: muss man erst so oft machen. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten ganz früh, dann als unerwünschter Schauspieler plötzlich als Regisseur eines Films, der den Labeln nach bis heute von sehr wenigen verstanden wird, Easy Rider. Vor dem Job neben James Dean, das nur nebenbei zu den frühen Troubles, ging er zu einer Audition. Davon gibt es eine Aufnahme, und ich weiß nicht, ob es um Woyzeck oder Endstation Sehnsucht ging, oder er sollte einfach etwas spielen, was ihm gefiel? Jedenfalls gibt es die Aufnahme in einem Dokumentarfilm, und er spielt, wie jemand einen Wutanfall (o.s.ä.) hat, und da schwankt und fällt und schüttelt der sich am Boden, dass einem die Haare zu Berge stehen, wirklich, als hätte er etwas Schlimmeres als einen epileptischen Anfall. Also … dass man dermaßen over the top sein kann…

Was ihn außerordentlich macht, abseits auch von dem Russischen Roulette mit Dynamit­stangen um ihn herum, damals in der Wüste, auch abgesehen von der Niederlage, als Charles Bukowski ihn mit Sean Penn kennenlernte, zwar die Frau von Penn nett fand – Ma­donna –, für den zu schreibenden Film Barfly aber auf keinen Fall einen Regisseur wollte, bei dem ihm – Hank, Bukowski  – das Blut in den Adern fror, wenn er Dennis Hopper nur lachen hörte („That guy can’t even direct traffic!“). Bukowski schrieb daraufhin erst einmal sein Testament neu, denn das, Hopper als Regisseur, ginge ja nun wirklich nicht.

Nee, außerordentlich, davon erzählte in dem Dokumentarfilm eine frühere Freundin oder Frau, außerordentlich bleibt, wie er an sich und seine Sachen glaubte. Er wollte schon früh alles. Und dann von allem mehr. Schrei­ben, malen, Regie führen, produzieren, fotografieren. Er hatte Träume, allerdings, so die Frau, zu dem Zeitpunkt nicht einmal einen Fotoapparat oder je ein Bild geschos­sen.

So ähnlich, dickköpfig wie Zement, mit eigenem Kopf und eisernem Willen hat er auch ein paar gar nicht so sehr beachtete Dinge in seinem Leben gemacht. Irgendwann war zwar überall zu lesen, dass er eine beachtliche Kunstsammlung hätte – voller neuer Klassiker – aber erwor­ben hatte er die Bilder, als sie noch nicht „Sammler­wert“ hatten. Was er irgendwann fotografiert, hat er schon Jahre zuvor: gesehen.

Außerdem hat er in seltsamen kleinen Projekten mitgespielt (sehr low-budget als Vater von Mickey Rourke und Matt Dillon, später  in einem als DVD- statt CD-ROM-Spiel konzipier­ten Black Dahlia-Mystery-PC-Game, schon in der ersten Staffel von 24…) in Rollen, bei denen einem die Haare vereisen, klar.

Er war nicht einmal ein bisschen irre. Er wusste nur, was er wollte … und was er tun wollte, brachte ihm manchmal Aner­ken­nung ein, manchmal nicht, na und? Fuck you, warum sollte man sein Leben so arrangieren, dass es anderen gefällt, wenn es einen so schon genug auf Trab hält?

Matthias Penzel