Geschrieben am 1. August 2012 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Aktuell: Der Fall Barschel: neue Spuren – neuer Ermittlungspfusch?

Schuhabdrücke auf der Matte

Neue genetische Spuren, die auf mehreren Kleidungsstücken des ehemaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in dem Genfer Hotelzimmer gefunden wurden, heizen die öffentliche Diskussion über die Frage von Mord oder Selbstmord nach fast 25 Jahre erneut an. Von Peter Münder

Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat offenbar wenig Interesse, neuen Spuren im Fall des 1987 in Genf tot aufgefundenen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel nachzugehen. Bereits im April 2008 überließ der beim Auffinden der Leiche beteiligte damalige STERN-Reporter Sebastian Knauer (heute beim SPIEGEL) den Ermittlern ein Paar schwarze, lederne Herrenschuhe der Marke „Ecco“ mit der Bitte um Überprüfung (siehe CULTurMAG vom 1. Oktober 2011). Die Fußabdrücke auf der weißen Matte in dem Badezimmer des Zimmers 317 des Genfer Luxushotels Beau Rivage sind augenscheinlich identisch mit den Umrissen der Schuhsohlen des Journalisten. Knauer hatte in polizeilichen Vernehmungen in Lübeck angegeben, die Matte beim Fotografieren wohl auch betreten zu haben.

Schuhe des Stern-Reporters c) privat

Im Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft zum Todesermittlungsverfahren Barschel von 1998 wird ausgeschlossen, dass die unbekannten Abdrücke von Barschels Schuhe stammen. Die „Abdruckspur auf dem Badewannenvorleger“, so der damalige zuständige leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, „lasse sich nur als Hinweis auf die Anwesenheit zumindest einer weiteren Person am Tatort werten“. Damit werde die These vom Mord an Barschel unterstützt.

Per Einschreiben wurden Knauer jetzt die Schuhe wieder zurückgesandt. Nach Auskunft eines Sprechers der Staatsanwalt Lübeck seien die vorgefunden Spuren auf der Matte „zu schwach“, um sie mit den eingesandten Schuhen zu vergleichen. Dem widersprechen die Fotos aus der Ermittlungsakte, die eindeutig die Umrisse der verdächtigen Tretspuren dokumentieren.

Umriss-Matte Spurenauswertung Staats. LübeckEbenso unsicher ist, ob eine weitere Untersuchung der neuerdings aufgefundenen vier teilweise identischen DNA-Spuren an Barschels persönlichen Gegenständen sowie einem Hotel-Handtuch sichere Ergebnisse bringen kann. Denn selbst offizielle Asservate des Ermittlungsverfahren, die seit 1995 bei der Staatsanwaltschaft Lübeck lagern, wurden offenbar grob regelwidrig behandelt. So „entlieh“ sich der zuständige Staatsanwalt Heinrich Wille sogar das auf dem Bett des Todeszimmer 317 aufgefundene Buch mit Erzählungen des französischen Existenzialisten Jean-Paul Satre für die heimische Lektüre – und brachte dem Beweisstück damit seine eigenen DNA bei. Wille hat das Buch später mit einer Entschuldigung wieder in die Asservatenkammer zurückgebracht.

Peter Münder

Sebastian Knauer (Hrsg.): Barschel – Die Akte. Originaldokumente eines ungelösten Kriminalfalls (Mit einem Vorwort von Erhard Eppler). B&S Siebenhaar Verlag 2009. 471 Seiten. 24,80 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Peter Münder im Gespräch  mit Sebastian Knauer.

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