Geschrieben am 8. Dezember 2018 von für Litmag, Specials, Verlust-Special 2018, Verlust-Special DUE

Der Verlust-Wörter-Blues

Jan_Davidsz_de_Heem_004 Still life with lobster 1643. Öl auf Leinwand . 79,2 × 102,5 cm. London, Wallace Collection.

Jan Davidsz de Heem: Stilleben mit Hummer, 1643 (Wiki-Commons)

Wörter, die man nicht mehr hört

Wo sind sie geblieben? „Meine“ vermissten Wörter?
Die so gut wie gar nicht mehr auftauchen.
Außer in meinem Kopf. Aber sonst? Und sind sie zu Recht verlustig?

„ Knicks“  und „ Fräulein“ . Wer braucht den Knicks noch ? Sind ja nicht mehr bei Hofe. Und das ein artiges Mädchen einen Knicks machen soll – undenkbar.
Ein verhuschtes „ Fräulein“ ,meist im Zusammenhang mit „ bitte zahlen“, ab und zu taucht es noch auf. Beide Wörter: kein wirklicher Verlust.

Schon anders bei „ Backfisch“ und „ poussieren“. Wenn heute das Wort„ Backfisch“ fällt, dann auf der Kirmes an der Fischbude. Aber mein Backfisch ist der, bei dem sofort Peter Kraus und sein “ Sugar, Sugar Baby“ aus der Jukebox klingt. 

Ganz klar: Verlust.
„Poussieren“ – allemal schöner als flirten. Ein kleiner Verlust. 

Dabei fällt mir „ die geht jetzt mit dem…“ ein. „Miteinander gehen“ , die klare Botschaft: Dieses/r Mädchen, Junge ist zur Zeit vergeben – Hände weg. Wie heißt das eigentlich heute?

Was ist mit „Kawenzmann“ ?
Alles irgendwie Große und Mächtige war eben ein „Kawenzmann“. Heute kaum noch gehört.

Ganz ganz oft gebraucht:
„ Macker“ und „ Schickse“ . Was für ein Wortpaar! 
Alle Männer, alle Nebenbuhler, alle Unbekannten – die brauchten auch keinen Namen. Es gab doch den „Macker“.
„Der Macker von der Römerstraße …..“ reichte völlig. 
Aber auch: „Mein Macker = Mein Freund“. Höre ich ab und zu noch aus Frauenmund. 
Aber gerne mehr davon. Bitte.
Ganz verschwunden:
 „Schickse“. Bei uns im Ruhrpott derb, aber keineswegs despektierlich für Mädchen. 
„Die Schickse von nebenan…“ Jeden Tag mehrfach gehört, selber gebraucht. 
Einfach mal laut „Schickse“ sagen, dann wird es ganz deutlich – ein richtiger Verlust!

„ Schwofen“ für tanzen. Ganz klar: „schwofen“ hat eindeutig mehr Gefühl als tanzen.

Bis heute in meinem Sprachgebrauch: „Kröten“ = ‚Kinder‘. 
„Weiß du noch wie wir als Kröten….“ Jeder weiß sofort, was gemeint ist. Und höre ich auch im Alltag noch immer aus anderen Mündern. Aber gelesen? Kann mich nicht erinnern, diesen Ausdruck jemals gedruckt gesehen zu haben (nur im Zusammenhang „Kröten = Geld“).
Vielleicht gibt es Worte, die man nicht schreiben, nur sagen kann ? Keine Ahnung. Dieser Ausdruck ist noch kein richtiger Verlust, liegt noch in der Luft.
Alle vermissten Wörter Nostalgie? Gejammer?
Schon möglich.
Früher war eben mehr „ heißa“ (in Abwandlung von Loriot).

grad duden 978-3-411-70384-5.COV_2D_2Rolf Barkowski

 

Rolf Barkowski, Jahrgang 1950, hat mal Sozialwissenschaften & Germanistik studiert, ewiger Student;  hat mal als Gerüstbauer, lange als Briefträger und ganz lange als Sozialarbeiter (offene Kinder-und Jugendarbeit) gearbeitet; ist musikalisch sozialisiert in den 60er Jahren mit den Stones und weißem Blues; hat im Alter den schwarzen Blues entdeckt; ist seitdem regelmäßig in Mississippi bzw. im Süden der USA unterwegs; fotografiert leidenschaftlich gerne; handelt im richtigen Leben seit 30 Jahren mit Antiquitäten und Kunst.
Seine Blues-Festival- und CulturMag-Texte hier. Sein Farewell für L.C. Ulmer hier nebenan im Verlust-Mag DUE.

Anm. d. Redaktion: Empfehlenswerte Lektüre zu diesem schönen Thema – und ein schönes Weihnachtsgeschenk für Sprachfreunde – ist Peter Grafs Was nicht mehr im Duden steht. Nicht zu vergessen, auch seine  Ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch (Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, 2017).

 

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