Geschrieben am 29. Januar 2014 von für DVD, Litmag

DVD: “Pacific Rim”

Pacific-Rim-PosterMind the Gap

– Auch in einer Spalte zwischen Pepsi und Popkorn kann man Trüffel finden. Christopher Werth entdeckt in Guiliermo del Toros Actionkracher “Pacific Rim” subversive Spuren von Literatur.

Aber alles der Reihe nach. Außerirdisches Leben bedroht die Menschheit. Aber nicht aus dem Weltraum. Die Gefahr lauert seit vielen Millionen Jahren unter der Erde. Es sind Kolonialisten, die schon unzählige Planeten bevölkert haben und für die die Menschheit nur ein kurzlebiges Ungeziefer ist. Sie haben es schon mal versucht und die Dinos geschickt. Das hat bekanntlich nicht auf Dauer funktioniert. Jetzt haben Klimawandel und Umweltverschmutzung optimale Bedingungen geschaffen und sie versuchen es noch mal. Riesenmonster, genannt Kaijus, kommen aus dem Meer und machen Küstenstädte platt. Die Menschheit schließt sich zusammen und baut riesige Kampfroboter, die Jaeger – “Um Monster zu bekämpfen, schufen wir selbst welche.”

Nach ersten Erfolgen beginnen die Kaijus immer stärker zu werden und die Menschheit beschließt, das Jaeger Programm einzustellen und stattdessen gigantische Mauern zu bauen. An der Baustelle so einer Mauer arbeitet auch der Held des Films (Charlie Hunnam). Früher war er mit seinem Bruder zusammen eines der besten Jaegerpiloten-Teams, bis dieser im gemeinsamen Kampf mit einem Kaiju gefallen ist. Der gebrochene, traumatisierte Ex-Jaegerpilot wird von seinem Mentor (Idris Elba) aus dem Baustellendreck gezogen, um mit einer Handvoll verrückter Piloten und schrottreifen Jaegermodellen einen letzten verzweifelten Versuch zur Rettung der Menschheit durchzuziehen: Eine Atombombe direkt in die Spalte zwischen den Erdplatten zu werfen, aus denen die Monster immer öfter auftauchen, um dem Feind endgültig das Licht auszuknipsen. Die Welt ist am Ende – und hier beginnt die eigentliche Handlung des Spektakels.

Nach seinem unglücklich gescheiterten Plan “Mountains of Madness” von H.P. Lovecraft zu verfilmen, drehte Guiliermo del Toro hier nicht einfach den stumpfen Blockbuster, als den die Kritik “Pacific Rim” bezeichnet hat. Er nutzt die besagte tektonische Spalte im Pazifik, den “Pacific Rim” nicht nur dazu, um Monster auftauchen zu lassen, die mit Riesenrobotern rangeln. Durch sie schmuggelte er zum Trotz/Trost eine heimliche Liebeserklärung an einen anderen großen Text von Lovecraft: eine Hommage an den Godfather of Kaijus, den Grandmaster of Schleim, die Mutter aller Wassermonster: den großen Cthulhu.

Er ist ein Teil von Lovecrafts selbst kreiertem Mythos, der bruchstückhaft in unterschiedlichen Gestaltungstiefen über verschiedene seiner Texte verteilt ist und das Grauen hinter der dünnen Folie der Sachlichkeit bildet. Eine eigene Welt mit eigenen Gesetzen, verbotenen Büchern, und Wesen, die von unzähligen Autoren bis heute weiter entwickelt wird. Einer der Stars darin ist Cthulhu – ein mächtiges, riesenhaftes Wesen, das seit vielen Millionen Jahren im Meer vor sich hindämmert, um bei seinem Auftauchen die Herrschaft der “Großen Alten” einzuleiten. Eine Rasse, die viele Sonnensysteme schon bereist hat und unterirdisch versteckt darauf wartet, den blauen Planeten auch noch zu einzukassieren.

Del Toro feiert hier also nicht nur die japanischen Monster- und Roboterfilme seiner Kindheit. Er geht noch weiter zurück zu Motiven des Cthulhu Mythos und spielt bis ins Detail präzise durch, wie die Menschen des 21. Jahrhunderts auf so eine Bedrohung reagieren würden. Brachialer Mythos versus menschliche Kreativität. “Pacific Rim” bietet effizient gebautes, sehr visuelles Storytelling, gebrochene Charaktere, die erst geimeinsam in der Lage sind, sich den Monstern zu stellen. Die Jaeger-Roboter sind jeder für sich phantasievolle, architektonische Kunstwerke. Charaktere mit rauen, vom Kampf gezeichneten Texturen. Farb- und Lichtbestimmung, Effekte, Kostüme und Set Design entsprechen del Toros Anspruch, seiner Liebe und Besessenheit für Details. Wie er sagt: kein Eye Candy, sondern Eye Protein.

Außerdem macht der Film Hoffnung, dass der Regisseur irgendwann die Lücke findet, einen ganzen Lovecraft zu verfilmen. Bis dahin gilt: Lesen. Jeder, der “Mountains of Madness” noch vor sich hat, ist zu beneiden.

Christopher Werth

PS: Hier als besonderer Service des CULTurMAG (sprich: CthulhuMag) die von Michel Houellebecq abgesegnete Auswahl von Lovecrafts meist ziemlich kurzen “Großen Texten”:

Cthulhus Ruf (1926)
Die Farbe aus dem All (1927)
Das Grauen von Dunwich (1928)
Der Flüsterer im Dunkeln (1930)
Berge des Wahnsinns (1931)
Träume im Hexenhaus (1932)
Schatten über Innsmouth (1933)
Der Schatten aus der Zeit (1934)

Pacific Rim. USA 2013. Regie: Guillermo del Toro. Drehbuch: Guillermo del Toro, Travis Beacham. Musik: Ramin Djawadi. Kamera: Guillermo Navarro. Schauspieler: u.a. mit Charlie Hunnam, Idris Elba, Rinko Kikuchi, Ron Perlman

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