Wir kennen sie alle (und sie scheinen sich gerade jetzt exponentiell zu vermehren): Menschen, mit denen man sich nicht unterhalten kann, selbst wenn man sich noch so viel Mühe gibt, weil sie jedes Gespräch sofort unter einem endlosen Redeschwall ersticken. Michael Höfler mit einem kleinen Vorschlag zum Umgang mit diesen Zwangsmonologikern.
Ein Phänomen, das ich schon länger zu beobachten glaube, ist das des urbanen Zwangsmonologikers: Zeitgenossen meist männlicher Herkunft in einem Alter, in dem der homo sapiens eigentlich seit Jahrzehnten wissen sollte, dass er sein Gegenüber besser mit Höflichkeit und wohlgewählter Sprache als mit Vehemenz und Sprachgewalt überzeugt, verwickeln einen in einen Monolog. Bei dem, was der einen Besprechende für ein Gespräch hält, kann man in die Atempausen hineinsagen, was man möchte, ohne den Fortgang des Sprechflusses in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Selbst der explizite Hinweis darauf, dass der eigene Redebeitrag keine Berücksichtigung im Redeschwall des Zwangsmonologikers findet, stachelt diesen nach meiner eigenen Erfahrung höchstens an: zu noch mehr dauergeiferndem Meinungsexhibitionismus. (Im Internet fungieren Tastatur, Hochstell- und Enter-Taste als Logorrhoe.)
Das Phänomen wurde durch Pegida, AfD und Co. bekannt, v.a. weil deren monologisierende Protagonisten die Presse (ungedenk der renitenzerzeugenden Wirkung) mit ihren verbalen Schimpfkanonaden belegten. Erstaunlicherweise verstehen sich kommen Zwangsmonologiker untereinander sehr gut klar. Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass für zwei Impulsredner der jeweils andere lediglich Publikum des eigenen Selbstgesprächs ist, und bereits das Ausbleiben handfesten Widerspruchs als Zustimmung verbucht werden kann. Die Frage, wie dann mehrere Zwangsmonologiker gleichzeitig zu Wort kommen können, beantwortet sich damit, dass die einfach parallel sprechen, und jeder den eigenen Impulsschwall lauter hört als den der anderen.
Wie kommt man nun mit einem Zwangsmonologiker ins Gespräch? Am 15. Und 16. Januar habe ich bei der „Strategiekonferenz gegen PEGIDA“ einen Workshop besucht, der sich u.a. mit dem sprachlichen Umgang mit Rechtsextremen beschäftigt hat. Wie es immer so ist, waren die Analysen besser als die Lösungsvorschläge, weil die Einsicht aus den Analysen Zeit benötigt, um sich zu setzen und neue Lösungsideen hervorzubringen. Einig waren wir Teilnehmer uns jedoch darin, dass „gewaltfreie Kommunikation“ geboten sei, womit hier insbesondere gemeint ist, sich auf die Ebene des Gegenübers und seiner Ängste und Aufgewühltheit zu begeben. Wie man gegenüber einem Logorrhoeiker die dafür erstmal nötige Sprechpause erwirkt, um selbst zu Wort zu kommen, ohne dabei selbst aggressiv zu verbalisieren, besprachen wir nicht. Nun fällt mir aber eine Maßnahme ein, die mir bislang unter dem Namen „free hugs“ arg sozialromantisch vorgekommen war. Sie kommt ganz ohne Worte aus und drückt Mitgefühl gegenüber dem Gesprächspartner Verbalneurotiker aus, indem man ihn einfach in den Arm nimmt. Steile These: Durch sein Überraschtsein wird er wenigstens für einen Augenblick verstummen. Möglich, dass dies ein kleines Aufmerksamkeitsfenster öffnet, in das sich ein sorgsam vorbereiteter Monolog hineinsprechen lässt.
Michael Höfler