Geschrieben am 10. August 2011 von für Litmag, Vermischtes

Erotische Gedichte (5): Detlev Meyer

Frohe Botschaft

Im Freudenhaus des lieben Gotts,
da gibt es viele Stuben,
ist Raum für Schwanz,
ist Platz für Votz’,
für Lust mit Maid und Buben.
Das Haus betritt der Christ
erregt, und da die Zimmer
schon belegt, sucht er
sein Heil auf Fluren.
Kniet mal vor der,
beugt sich vor dem –
vor Strichern und vor Huren.
Bi ist die Sexualität,
dreifaltig ist die Güte.
Bet’, daß das Haus noch lange steht,
und daß es Gott behüte!

Da könnten die Herren Bischöfe und Kardinäle wie z.B. Meissner, Krenn, Mixa & Co. noch viel lernen über Christlichkeit, über Güte und Liberalität. (Oder vielleicht auch nicht?) „Im Freundehaus des lieben Gotts, da gibt es viele Stuben (…)“. Jawolll! Genau! Egal ob Hetero-, Homo- oder Bisexuell – das alles ist im wahren Haus des Herrn, der Welt, natürlich. Denn „natürlich“ ist, was in der Natur vorkommt, auch wenn interessierte Kreise uns einreden wollen, es sei nicht „normal“ = nicht der Norm = der Mehrheit entsprechend. Sonst schließlich hätte Gott, so man an ihn glaubt, ja die Welt nicht so erschaffen, wie sie ist. Ebenso unnatürlich wie anormal  hingegen scheint der Zölibat – denn hat Gott nicht auch die vorgenannten Herren und deren Kollegen mit Zeugungsorganen ausgestattet?

Detlev Meyer, 1948 in Berlin geboren und ebendort – viel zu früh – 1999 gestorben, war einer der wenigen offen schwulen Autoren in Deutschland. Er starb an AIDS – in den ersten Jahren des Auftretens dieser schrecklichen Krankheit entblödeten sich nicht wenige Kirchenfürsten, diese Krankheit als gerechte Strafe Gottes („Schwulen-Seuche“) zu betrachten. Da braucht es noch Nachhilfe – „dreifaltig ist die Güte“….

Manfred C. Reimann

Das Gedicht entstammt dem Band: „Darum sollte man im Leben mit dem Dorn nach vorne streben“. Moderne erotische Lyrik. Herausgeber: Manfred C. Reimann, Gesine Karge, Andreas Fischer. Zürich: Walde + Graf 2011. 192 Seiten mit Abbildungen. 19,90 Euro.