Geschrieben am 5. September 2015 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Hinweis: TV-Serien: Literatur zum Thema und eine Umfrage

Sepinwall_Die Revolution war im FernsehenDie Großen und die Kleinen

Das Monumentalwerk aus dem Verlag Taschen über „Die besten TV-Serien“ (Besprechung in dieser CM-Ausgabe) sollte den Blick nicht darauf verstellen, dass es in überwiegender Mehrzahl die kleinen Verlage sind, die in Sachen Film- und Fernsehliteratur am Ball sind und ein immer weiter schrumpfendes – aber zweifelsfrei für den kulturellen Diskurs wichtiges – Marktsegment am Leben halten. Alf Mayer hat einiges an Literaturhinweisen zusammengestellt, eine Umfrage ausgewertet und natürlich zwischendrin TV-Serien geschaut.

Im Zeitalter der flüchtigen Inhalte, sei es im Kino, wo die „Auswertungsfenster“ nur noch auf dem Papier stehen und in Wirklichkeit Filme nur zwei bis drei Wochen präsent sind, wie dann beim individuell gewordenen Filme- oder Serienschauen auf Tablet, Laptop oder im Fernsehen, zunehmend sogar auf Smartphones (der moderne Konsument scheut ja vor gar nicht szurück), lässt sich den wenigen und hinhaltend tapferen Filmbuchverlegern mit „Simpson“-Erfinder Matt Groening nur wünschen: „Ich kann eine Flutwelle nicht aufhalten, aber ich kann sehr wohl auf ihr surfen.“

Freilich sind die Mittel und Kapazitäten kleiner Verlage begrenzt, die Anforderungen von Rezensionsexemplaren liegen nicht selten deutlichst höher als die Zahl der dann tatsächlich veröffentlichten Besprechungen, was große Verlage gewiss eher wegstecken können. So ist und bleibt es mehr als verdienstvoll, dass eines der grundlegendsten Bücher der letzten Jahre zum Wandel der TV-Serien bei einem Avantgarde-Verlag aus Wiesbaden erschienen ist – bei Luxbooks. Die Rede ist von Alan Sepinwalls „Die Revolution fand im Fernsehen statt“ (The Revolution Was Televised, hier geht es zur CM-Besprechung). Das Monumentalwerk von Taschen wäre ohne die Vorarbeit Sepinwalls kaum denkbar;  seit zwei Jahrzehnten bloggt er mit größter Sachkenntnis aus der TV-Serienbranche, verfügt über beste Kontakte, war oft an den Sets und interviewte das Kreativpersonal hinter vielen avancierten US-Serien. Sein Werk ist ein echter Grundstein, lieferte jede Menge Basisinformationen und Hintergrund. Inzwischen vergriffen, wird es antiquarisch teuer gehandelt. Eine Taschenbuchausgabe wäre eigentlich überfällig, noch hat sich meines Wissens keiner der großen Verlage dafür interessiert. Ein Jammer. Nein, ein strukturelles Problem.

Exkurs: Kein Tag ohne Serien: Eine Umfrage

TV-Serien sind im Alltag der Zuschauer fest verankert. Drei Viertel der Deutschen schauen regelmäßig mindestens eine Serie im TV oder online. Über 80 Prozent der Lieblingsserien der 18- bis 39-Jährigen kommen dabei aus den USA. Das ist eines der Ergebnisse einer im August 2015 veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens Goldmedia über das Sehverhalten in Deutschland. Zum Vergleich: Bei den Über-60-Jährigen beträgt dieser Anteil nur rund ein Drittel; der Rest bevorzugt jeweils Serien aus Deutschland und Europa.

Mit einem Gesamtanteil von 67 Prozent kommen die Lieblingsserien der TV-Zuschauer überwiegend von den privaten Sendern, der Anteil der öffentlich-rechtlichen Sender liegt bei 22, der der reinen Video-on-Demand-Anbieter bei elf Prozent. Letztere sind bei den 30- bis 39-Jährigen und den 18- bis 29-Jährigen mit 26,8 bzw. 23,7 Prozent am stärksten vertreten. Mit Amazon Prime Instant Video (sechs Prozent) und Netflix (drei Prozent) konnten sich erstmals zwei VoD-Anbieter unter die Top Ten der der beliebtesten Serienanbieter platzieren.

Als beliebtestes Serienformat gaben die Befragten mit 26 Prozent die Soap/Doku-Soap an, gefolgt von Krimi/Thriller mit 25 und Comedy mit 13 Prozent. Während drei Viertel der Befragten mindestens eine Serie regelmäßig schauen, verfolgen 38 Prozent zwei bis drei Serien und 23 Prozent sogar vier und mehr. Für 40 Prozent aller Befragten sind die Lieblingsserien ein fester Anker im Alltag. Sie planen ihren Tagesablauf möglichst so, dass sie ihre Serie in Ruhe schauen können. In der Zielgruppe ab 50 Jahre richten sich 44 Prozent danach, bei den 18- bis 29-Jährigen sind das immerhin noch 33 Prozent.

Die jüngeren Zuschauer sind dabei besonders serienaffin: Fast 90 Prozent der 18- bis 29-Jährigen haben eine Lieblingsserie, die einen wichtigen Platz in ihrem Alltag einnimmt. Dabei führt Comedy mit 22 Prozent, gefolgt von Soap/Doku-Soap (14%), Drama, Fantasy und Krimi/Thriller (je 11%).

Keine Liste: Bücher über Fernsehserien

Hier nun eine kleine Übersicht von Büchern zu TV-Serien:

Alan Sepinwall: Die Revolution war im Fernsehen. Essays zu den Fernsehserien Sopranos, Mad Men, 24, Lost, Breaking Bad, The Wire, Deadwood, Buffy, The Shield, u. a. (The Revolution was Televised. The Cops, Crooks, Slingers, and Slayers Who Changed TV Drama Forever). Aus dem Amerikanischen von Tom Bresemann, Christian Lux und Annette Kühn. Luxbooks Luftraum, Wiesbaden 2014. 457 Seiten. 24.80 Euro.

Dominik Graf: Homicide/ Diedrich Diederichsen: The Sopranos/ Tom Holert: Deadwood/ Dietmar Dath: Lost/ Ekkehard Knörer: Battlestar Galactica/ Daniel Eschköter: The Wire/ Sarah Khan: Dr. House/ Bert Rebhandl: Seinfeld/ Thomas Macho: Nip/Tuck/ Simon Rothöhler: The West Wing/ Peter Praschl: Sex and the City/ Stefanie Diekmann: Six Feet Under/ Gertrud Koch: Breaking Bad. Alle Reihe booklet, herausgegeben von Simon Rothöhler, Diaphanes, 2011 bis 2015, je 96 bis 128 S., je 10 €.

Daniela Sannwald: Lost in the Sixties. Über Mad Men. Bertz + Fischer, 2014, 148 S., 9,90 €.

Christine Lang, Christoph Dreher: Breaking Down Breaking Bad. Dramaturgie und Ästhetik einer Fernsehserie. Merz Akademie, Wilhelm Fink Verlag, München 2013, 19,90 €.

Michael Gruteser, Thomas Klein, Andreas Rauscher (Hrsg.): Subversion zur Prime-Time. Die Simpsons und die Mythen der Gesellschaft. 3. Erw. u. überarb. Aufl., Schüren Verlag, 2014, zahlr. Abb., 24,90 €.

Marion Kühn, Verene Schmöller: TV Glokal. Europäische Fernsehserien und transnationale Qualitätsformate. Schüren 2014, 29,90 Euro.

Robert Blanchet, Kristina Köhler, Tereza Smid, Julia Zutavern (Hg.): Serielle Formen. Von den frühen Film-Serials zu aktuellen Quality-TV- und Online-Serien. Schüren, 2011, 448 S., zahlr. Abb., 29,90 €. (Überarbeitete Tagungsbeiträge Uni Zürich 2009, mit teils sehr guten Beiträgen.)

Verena Schmöller, Marion Kühn (Hg.): Durch das Labyrinth von Lost. Die US-Fernsehserie aus kultur- und medienwissenschaftlicher Perspektive. 2. Aufl., Schüren, 2011, 24,90 €.

Tanja Weber: Kultivierung in Serie. Kulturelle Adaptionsstrategien von fiktionalen Fernsehserien. Schüren Verlag, Marburg 2012, 38,00 €

Kathi Gormász: Walter White & Co. Die neuen Heldenfiguren in amerikanischen Fernsehserien. UVK 2015.

Brett Martin: Difficult Men: Behind the Scenes of a Creative Revolution: From The Sopranos and The Wire to Ma d Men and Breaking Bad. Penguin Press 2013.

Dean J. DeFino: The HBO Effect. Bloomsbury Academic , 2013.

Michael Wolff: Television Is the New Television: The Unexpected Triumph of Old Media In the Digital Age. Portfolio 2015.

Robert Thompson: Television’s Second Golden Age: From Hill Street Blues to ER. 1997

Chuck Klosterman: I Wear the Black Hat: Grappling with Villains (Real and Imagined). Scribner 2013.

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