Geschrieben am 6. Juni 2012 von für Litmag, Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Ernst Jandl

Zentralfriedhof, E.J., Quelle: Wikipedialesen sie/essen sie spinat

Zum zwölften Todestag von Ernst Jandl.

Heute erinnern wir, falls überhaupt die Rede vom Vergessen sein kann, an den Dichter „für alle“ – an Ernst Jandl. Er wurde am 1. August 1925 in Wien geboren und starb in Wien am 9. Juni 2000. Dazwischen war er mal, etwa Mitte der 60er-Jahre, mit seinen experimentellen Gedichten unterwegs in Stuttgart, da saßen mit Reinhard Döhl und Helmut Heißenbüttel die richtigen Kontakte.  Beim Walter Verlag erschien dann 1966 der Band „Laut und Luise“, heute geführt als Grundbuch Nummer 44 der Kooperationsreihe Grundbücher österreichischer Literatur seit 1945. Jandl baute die Bausteine der Sprache ganz „unerhört“ neu zusammen, im Witz lag der Ernst und andersrum. Sein Avantgardismus hat jedenfalls die Dimensionen nicht nur der Poesie kräftig erweitert. Der Lyriker und Vortragskünstler verfasste Sprechgedichte, Lautgedichte, Lesegedichte, visuelle Gedichte, Singgedichte, Prosagedichte, Nonsensgedichte, Kindergedichte, darunter zahlreiche „Evergreens“ (Michael Lentz), siehe unten.

In dem Selbstporträt 1966 fasst Jandl unter Punkt 4 seine Sicht der Dinge zusammen: Ziel meiner Arbeit, heute wie früher, sind funktionierende, lebendige, wirksame, direkte Gedichte, gesteuert von welchem Material immer sie ausgehen und in welcher Form immer sie hervortreten, von dem was in mir an Richtung und Neigung, an Freude und Zorn. Was ich will sind Gedichte die nicht kalt lassen.

(aus: das röcheln der mona lisa, 1990)

 

etüde in f

eile mit feile
eile mit feile
eile mit feile
durch den fald

durch die füste
durch die füste
durch die füste
bläst der find

falfischbauch
falfischbauch

eile mit feile
eile mit feile
auf den fellen
feiter meere

auf den fellen
feiter meere
eile mit feile
auf den fellen

falfischbauch
falfischbauch

eile mit feile
auf den fellen
feiter meere
feiter meere

falfischbauch
falfischbauch

fen ferd ich fiedersehn

falfischbauch
falfischbauch

fen ferd ich fiedersehn
fen ferd ich fiedersehn

falfischbauch
fen ferd ich fiedersehn
falfischbauch
falfischbauch

ach die heimat
ach die heimat
fen ferd ich fiedersehn
ist so feit

(aus: das röcheln der mona lisa, 1990)

 

wanderung

vom vom         zum zum
vom zum         zum vom

von  vom         zu vom

vom vom         zum zum
von  vom         zu vom

vom vom         zum zum
vom zum         zum vom

und zurück

(aus: das röcheln der mona lisa)

 

Literaturhinweise:

Unübertroffen: Ernst Jandl: Laut und Luise. Freiburg: Walter Verlag 1966.
Schön: Die Ernst Jandl Show. Herausgegeben von Bernhard Fetz und Hannes Schweiger. Katalog Wien Museum. Residenz Verlag 2010. 159 Seiten. 22,90 Euro.
Aktuell: Ernst Jandl: der beschriftete sessel. Herausgegeben von Bernhard Fetz und Klaus Siblewski. Salzburg: Jung und Jung Verlag 2012. 256 Seiten. 22 Euro.
Siehe oben: Ernst Jandl: das röcheln der mona lisa. Berlin: verlag volk und welt 1990. 375 Seiten.