September Song
born 19.6.32 – deported 24.9.42
Undesirable you may have been, untouchable you were not. Not forgotten or passed over at the proper time.
As estimated, you died. Things marched,
sufficient, to that end.
Just so much Zyklon and leather, patented terror, so many routine cries.
(I have made
an elegy for myself it
is true)
September fattens on vines. Roses
flake from the wall. The smoke
of harmless fires drifts to my eyes.
This is plenty. This is more than enough.
Septemberlied
geboren 19.6.32 – deportiert 24.9.42
Unerwünscht warst du wohl, unberührbar
nicht. Nicht vergessen
oder übergangen zu gegebener Zeit.
Du starbst, kalkülgerecht. Die Dinge liefen,
wie von selbst, darauf hinaus
Soundsoviel Zyklon und Leder, patentierter
Terror, soundsoviel Routineschrei.
(Ich schrieb mir
mein eigenes Requiem es
ist wahr)
September mästet sich am Weinlaub. Rosen
flocken von der Mauer. Der Rauch
harmloser Feuer zieht mir in die Augen.
Das reicht. Das ist mehr als genug.
Übersetzt von Werner von Koppenfels
„The triumph of Love“ heißt eines der Langgedichte von Geoffrey Hill. Über Seiten zieht sich dieses Poem hin. Die Strophen im englischen Original zu lesen, verlangt schon verdammt gute Kenntnisse dieser Sprache. Selbst ein Muttersprachler dürfte hier Probleme haben, jeden Vers zu verstehen. Und auch in der ganz ausgezeichneten Übersetzung von Werner von Koppenfels muss man einzelne Strophen schon mehrfach lesen, um zu ahnen, was Hill damit wohl gemeint haben mag. Aber ganz zum Schluss, in der allerletzten Strophe, wird die Aussage des Gedichts auf einmal vollkommen klar und eindeutig in seiner ‚Botschaft‘: What ought a poem to be?/ Answer, a sad and angry consolation. /What is the poem? What figures? Say, /a sad and angry consolation. That’s/ beautiful. Once more? A sad and angry/ consolation. In der Übersetzung von Koppenfels: „ Was sollte ein Gedicht sein? Antwort: eine Tröstung/ aus Trauer und Zorn. Was ist/ das Gedicht? Was stellt es dar? Sagt,/ eine Tröstung aus Trauer und Zorn. So ist es/ schön. Das Ganze nochmal? Aus Trauer und Zorn/ eine Tröstung“.
Eine schönere und treffendere Erläuterung über die Vorstellung eines guten Gedichts lass man selten. Wer aber zum ersten Mal Gedichte von Sir Geoffrey Hill liest, wird sich an ihnen häufig die Zähne ausbeißen. Man wird sie als ‚schwer zugänglich‘ erleben. Aber ist das Kriterium für Lyrik? „Zugänglich ist ein nützlicher Begriff für die Durchgang zwischen Supermarktregalen, für Bildungsgalerien, Wahllokale und Bedürfnisanstalten. Für ein Gespräch über Poesie und Poetik aber ist dieses Urteil vollkommen fehl am Platz. Menschenwesen sind schwierig.“ Und ein anderes Mal hat Hill das Verlangen nach Einfachheit dem Verlangen eines Tyrannen gleichgesetzt. „Schwierig zu sein, bedeutet demokratisch zu sein.“
Die Kompliziertheit des Menschen über die Lyrik zu verstehen und den Tyrannen zu widerstehen, ist eine Lebensaufgabe des 1932 in Bromsgrove, Worcestershire, England geborenen Dichters. In diesem Sinne ist auch der „September Song“ von Hill ein „demokratisches“ Gedicht gegen die Banalität des Tyrannen. Schon in der Widmungszeile erkennt man, dass der hier gemeinte Tyrann sehr genau zu benennen ist. Und ohne dass Namen genannt werden, weiß man, wer hier Täter und wer Opfer ist. Ein großes Gedicht, das endlich, Dank dem Übersetzer Werner von Koppenfels, auch in deutscher Sprache lesbar ist.
Carl Wilhelm Macke
Gedicht entnommen aus: Geoffrey Hill: Für die Ungefallenen. Ausgewählte Gedichte 1959-2007. Übersetzt aus dem Englischen von Werner Koppenfels. Hanser Verlag 2014. 176 Seiten. 14,90 Euro. Mehr hier.