Geschrieben am 19. Juni 2013 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Gloria Fuertes

Gloria FuertesIch mache Verse, meine Herren!

Ich mache Verse, meine Herren, mache Verse, mag aber nicht leiden, wenn man mich Poetin nennt, trinke lieber einen Wein, so wie die Maurer, hab eine Zugehfrau, die mit sich selber spricht.

Diese Welt, die macht sich ulkig,

Dinge gibt’s, ihr Herren, die trag ich hier nicht vor, Fälle gibt’s doch nicht mal Ställe zum Wohnen für die Armen, ohne Abstandsgeld.

Nach wie vor sind da die Ledigen mit ihrem Hündchen, nach wie vor sind da die Eheherren mit der Geliebten, noch immer sagt den eisernen Despoten keiner was, wir lesen, dass es Tote gab, und blättern um und man tritt uns auf den Nacken, doch niemand steht auf, und der Hass geht um, und wir sagen: das Leben!

All das geschieht, ihr Herren, und ich muss es sagen.

Deutsch von Gustav Siebenmann

 

Man muss nur die Anthologie über „Spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts“, erschienen 1985 bei Reclam in Stuttgart, durchblättern, um eine Ahnung davon zu erhalten, warum Gloria Fuertes das Gedicht „Ich mache Verse, meine Herren!“ geschrieben hat. Nach den Herausgebern Gustav Siebenmann und Josè Manuel Lòpez hat es im ganzen 20. Jahrhundert gerade mal zwei Dichterinnen in Spanien gegeben, die es wert sind durch eine Übersetzung ins Deutsche auch bei uns bekannt zu werden.

Aber diese maskuline Blindheit galt übrigens – jedenfalls bis vor wenigen Jahren – für alle größeren Sprachräume. Diese Einseitigkeit scheint sich in jüngster Zeit etwas abgeschwächt zu haben, aber immer noch ist die „Weltlyrik“ – soweit sie ins Deutsche übersetzt wird – deutlich von Dichtern dominiert.

Ein vorsichtiger Protest gegen diese Ausgrenzung von Frauen aus der Wahrnehmung zeitgenössischer Lyrik hat die 1918 in Madrid geborene und dort auch 1998 hochbetagt verstorbene spanische Lyrikerin Gloria Fuertes formuliert. In den frühen sechziger Jahren mag das poetische Bekenntnis einer Poetin – die nicht so genannt werden wollte – gegen „die Herren“ möglicherweise provokativ gewesen sein, heute aber liest man es nur noch als ein geschichtliches Dokument, dem jeder Konfrontationston fehlt.

Gloria Fuertes hat „Dinge“ noch zurückgehalten, die sie den Herren nicht vorgetragen hat. Von späteren Schriftstellerinnen wurden auch diese Dinge beim Namen genannt. Für den Beginn dieser noch unabgeschlossenen Epoche ist das Gedicht aber ein wichtiges literarisches Dokument.

Carl Wilhelm Macke

Foto Gloria Fuertes: Homepage der Dichterin. Quelle.

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