Streichle die Stille
Musik fällt in die Hände
wie Schnee
Wäre es die Zärtlichkeit
die die Stille kennt
wie in einen Spiegel
schaut sie dir in die hohle Hand
bis die Wolken erstarren
und die Pappeln
dem Atem anhalten
Streichle die Stille
Sie ist die Schrift
unserer Seele
zart lesbar.
Übersetzt von Ingeborg Lokal und Christa Schmitt
Immer wieder stößt man bei der Suche nach Schriftstellern, die unsere Wahrnehmung der Welt durch ihre Lyrik erweitern, vertiefen, empfindsamer machen, auf Namen, die man noch nie gehört hat. Es müssen nicht unbekannte Schriftsteller sein. Sie können sogar in ihrer Sprachheimat bereits einen großen Ruf haben, nur wir kennen sie kennen sie wegen unserer Sprachgrenzen, vielleicht auch wegen unserer mangelnden Neugier einfach noch nicht. Vor gut achtzehn Jahren erschien im Klagenfurter Wieser-Verlag eine Anthologie, mit der uns Karl Markus Gauß und Ludwig Hartinger mit Autorinnen und Autoren vornehmlich aus südosteuropäischen Ländern bekannt machten, von denen wir wenig oder – in der Mehrheit – noch nie etwas gehört hatten.
Dieses „Buch der Ränder“ gehört zu den wichtigsten literarischen Dokumenten aus jenen Jahren des großen politischen und kulturellen Umbruchs in Europa nach 1989. Und einer dieser für uns bis dahin unbekannten Lyriker ist der 1932 im tschechischen Cernetice geborene Josef Hruby. Während der Zeit des sogenannten „Prager Frühlings“ leitete er die Bezirksbibliothek in Pilsen, verlor diesen Posten aber nach der Niederschlagung des „Reformkommunismus“ durch die Truppen des sowjetisch geführten „Warschauer Pakts“.
Nach dem Ende des „Kalten Kriegs‘ und mit dem Beginn der „Postkommunistischen Zeit“ konnten seine Werke aber wieder in aller Freiheit publiziert werden. Übersetzt wurden Gedichte von Hruby in die englische, französische, italienische, niederländische und deutsche Sprache. „Streichle die Stille/ Sie ist die Schrift/ unserer Seele/zart lesbar“. Mit so wenigen, so klaren, so einfachen Worten kann man beschreiben, was die Schönheit und Essenz von Poesie ist…
Carl Wilhelm Macke
Gauss/Hartinger: Das Buch der Ränder. Lyrik. 1995. 232 Seiten.