The Sleepout
Childhood sleeps in a verandah room
in an iron bed close to the wall
where the winter over the railing
swelled the blind on its timber boom
and splinters picked lint off warm linen
and the stars were out over the hill;
then one wall of the room was forest
and all things in there were to come.
Breathings climbed up on the verandah
when dark cattle rubbed at the corner
and sometimes dim towering rain stood
for forest, and the dry cave hunched woollen.
Inside the forest was lamplit
along tracks to a starry creek bed
and beyond lay the never-fenced country,
its full billabongs all surrounded
by animals and birds, in loud crustings,
and sometimes kept leaping up amongst them.
And out there, to kindle whenever
dark found it, hung the daylight moon.
from The Daylight Moon, 1987. (Audioclip)
Die Schlafveranda
Die Kindheit schläft in einem Verandazimmer
in einem eisernen Bett gleich an der Wand
wo der Winter über dem Geländer das Rollo
an seiner hölzernen Spiere schwellen ließ
und Splitter vom Bettzeug Fussel pflückten
und die Sterne über dem Hügel standen;
da war eine Wand des Zimmers der Wald
und alles darin sollte noch kommen.
Atemzüge stiegen hoch auf die Veranda
wenn dunkles Vieh sich an einer Ecke rieb
und manchmal stand trüber aufragender Regen
für Wald, und die trockene Höhle kauerte wollen.
Innen war der Wald lampenbeleuchtet
entlang Pfaden zum sternbesäten Bach,
und dahinter lag das nie gezäunte Land,
seine vollen Wasserlöcher alle umgeben
von Tieren und Vögeln in lauten Krusten,
und zwischen ihnen sprang etwas immer wieder hoch.
Und dort draußen, bereit zu entflammen, sobald
das Dunkel ihn fand, hing der Tageslichtmond.
Übersetzt von Margitt Lehbert
Wer über Les Murray schreibt, wird irgendwann erwähnen, dass er es längst verdient hat, den Literaturnobelpreis zu erhalten. Auch hier soll sofort am Anfang der Wunsch formuliert werden, Les Murray möge doch möglichst bald diesen weltweit bedeutendsten Literaturpreis zugesprochen bekommen. Damit würde er hoffentlich endlich einmal auch außerhalb der kleinen Gemeinde von Kritikern und Lyrikfreunden wenigstens für eine kurze Zeit bekannter werden.
Kann man weiter vom internationalen, stark eurozentrischen oder angloamerikanischen Literaturmainstream entfernt sein, als ein australischer Lyriker, der seine Themen vornehmlich der ländlichen Natur widmet? Aber ihn vorschnell in diese Schublade zu stecken, würde seiner grandiosen Sprachmacht auch nicht gerecht. Man muss schon genauer hinschauen…
Geboren wurde Leslie Allan Murray 1938 in Nabiac, New South Wales/Australien. Studiert hat er an der Universität von Sydney. Seit 1969, also fast einem halben Jahrhundert, widmet er sich ganz der Literatur, vor allem der Lyrik. Auf Deutsch sind bislang zwei größere Bände mit Gedichten erschienen. 1996 der von Margitt Lehbert übersetzte Band „Ein ganz gewöhnlicher Regenbogen“ (1996) und im Jahr 2004, übersetzt von Thomas Eichhorn, der Band „Fredy Neptune“.
Besonders dieser Band zeigt, dass Murray mit einem ‚großen Atem‘ zu schreiben versteht und ähnlich wie Derek Walcott vor großen Versepen nicht zurückschreckt. Da werden sämtliche Register der (englischen) Sprache gezogen, um ein ganzes Jahrhundert in Worte zu übersetzen. Der Literaturkritiker Heinrich Vormweg schrieb über Murray u.a.: “Dichtung ist für ihn fortgesetzte Spiegelung erfahrener Wirklichkeit in der Sprache und das läuft keineswegs unbedingt auf Rühmen und Preisen hinaus, bewirkt nicht nur Demut und Staunen, sondern angesichts von Betrug und Missbrauch, Zerstörung und Leid auch Trauer und Resignation, ja Skepsis und Kritik… Was ist, ist auch wahr. Was immer ihm begegnet, ist für Les Murray Anlaß zum Gedicht“.
Wenn es noch ein bisschen Gerechtigkeit gibt, dann muss Murray endlich den Nobelpreis erhalten. Den haben andere berühmte Schriftsteller auch nicht bekommen, aber die waren eben berühmter als er es – leider – noch nicht ist.
Carl Wilhelm Macke
Nachsatz zur Reihe „Weltlyrik“: Wenn man fast täglich im Rahmen der Koordinierung des Netzwerks „Journalisten helfen Journalisten“ (www.journalistenhelfen.org) mit Mord und Totschlag auf allen fünf Kontinenten konfrontiert wird, dann wundert man sich, warum immer wieder auch verfolgte Journalisten in aller Welt neben ihren Recherchen über korrupte und diktatorische Regime Gedichte schreiben und lesen. Gäbe es sie nicht, es würde uns etwas fehlen – etwas Großes, etwas, das uns leben und träumen, kämpfen und trauern, lieben und verzeihen lässt. Aber Poesie ist aber auch eine große Sprachübung. Ich kann nicht auf sie verzichten. „Sie verlangt tiefe sprachliche Konzentration, und das kommt der Prosa zugute“ (Der polnische „Weltreporter“ Ryszard Kapuscinski). CWM
Foto: Creative Commons 3.0 Attribution: Bjenks at en.wikipedia. Quelle.