Geschrieben am 28. November 2012 von für Litmag, LitMag-Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Rainer Malkowski

Fotos

All die nichtssagenden Fotos,
in die wir unsere Liebe hineinlesen,
unsere Erinnerung an Augenblicke,
die nicht auf dem Bild sind.
Ihr Armen,
was tut ihr, wenn wir sterben,
unter Menschen, die nur sehen,
was ihr zeigt?
Reduziert
auf das Sichtbare:
wer könnte so leben.

„Weltlyrik’“ – das klingt nach großer, weiter Welt. Amerika, Karibik, Pazifik, China, Australien, Copacabana, Patagonien, Paris, New Delhi, Sao Paolo. Aber wer verbindet mit Brannenburg, einem kleinen, unbedeutenden Flecken an der bayerisch-österreichischen Grenze, „Weltlyrik“?!

Und Rainer Malkowski (1939-2003), der die letzten Jahre seines Lebens, gezeichnet von einer fortschreitenden Krebs- und Augenerkrankung, dort verbracht hat, war alles andere als ein ruheloser Weltreisender. Ob seine Gedichte in andere Sprachen übersetzt worden sind, weiß ich nicht. Bekannt jedenfalls war er außer in kleineren deutschen Literaturkreisen sicherlich nicht in der weiten Welt.

Malkowski war ein stiller Außenseiter, der sich nicht in den einschlägigen Salons und literarischen Zirkeln aufhielt. In den früheren Jahren war er in der Werbebranche tätig. Aber irgendwann ist er aus diesem oft lauten und aggressiven Gewerbe ausgestiegen, um sich nur noch dem Schreiben von Gedichten zu widmen. Mit größter Genauigkeit, so wie ein Uhrmacher auf das feinste Räderwerk einer Uhr schaut, wollte auch Malkowski mit Worten erfassen, was die Welt, was seine Welt, was unsere Welt im Innersten zusammenhält.

In diesem Sinne war Rainer Malkowski ein „Weltlyriker“, der die Leser seiner Gedichte dabei hilft, sich in der Welt “da draußen“ und der „da drinnen“ auszukennen. Oder, besser formuliert, der mit oft nur wenigen Worten in unsere gewohnte Wahrnehmung der Welt kaum spür- und sichtbare Risse einfügte.

Epitaph für einen leisen Erzieher

Du hast etwas
von mir erwartet,
Aber ich wusste nicht, was.

Irgendetwas
hast du geglaubt,
wird deutlich geschehen.
Eine Zeit später
begann ich,
danach zu suchen.

Das ganze jetzt langsam auslaufende Jahr 2012 über habe ich Gedichte von Rainer Malkowski gelesen. Neugierig auf jeden Gedicht, immer irritiert durch die manchmal mit dem letzten Wort gelungene vollkommene Neudeutung des zuvor Geschriebenen, staunend über diese perfekte Sprachbeherrschung, die uns bekannte Wörter auf einmal vollkommen anders lesen lernt.

Sich zurechtfinden – eine Frage
der Belichtungszeit.
Nicht zu lange hinsehen.
Die Perspektive wechseln.
Bei Verstand bleiben
durch unsteten Blick.

Im Göttinger „Wallstein-Verlag“ liegt eine umfassende Sammlung mit den Gedichten von Malkowski vor („Die Gedichte“, Göttingen, 2009), die von Nico Bleutge mit einem ausführlichen Nachwort gewürdigt werden. „Seine Gedichte“, schreibt Bleutge da, „versuchen nichts Geringeres, als die Essenz der Welt zu erkunden.“ Weltlyrik eben …

Carl Wilhelm Macke

Foto: Homepage der Malkowski-Stiftung.

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