Ausschnitt aus „Vier Quartette“
Zuhause ist da, wo man losläuft. Wenn wir älter werden wird die Welt uns fremder, das Muster vertrackter aus tot und lebendig. Nicht der eindringliche Augenblick isoliert, kein Davor und Danach, sondern ein Leben, das jeden Augenblick brennt und nicht bloß das Leben des einzelnen Menschen sondern das alter Steine, die unentzifferbar sind.
Der Abend im Sternenlicht hat seine Zeit, der Abend im Lampenlicht hat seine Zeit ( Der Abend mit dem Fotoalbum ).
Die Liebe ist am ehesten ganz bei sich selbst wenn Hier und Jetzt keine Rolle mehr spielen.
Alte sollten Entdecker sein.
Hier und dort sind einerlei
Wir müssen still sein und uns still bewegen in eine andere Eindringlichkeit zu weiterer Einheit, vertiefter Gemeinschaft durch dunkle Kälte und durch leere Verheerung, Schrei der Welle, Schrei des Windes, weite Wasser des Sturmvogels und des Tümmlers. In meinem Ende ist mein Anfang.
Übersetzt aus dem Englischen von Norbert Hummelt
Um das Werk, vor allem um die Langgedichte von T.S. Eliot schleiche ich schon seit Jahren herum, ohne eine offene Tür gefunden zu haben. Jeder, der sich für Lyrik interessiert, weiß um die Portalbedeutung besonders von „The waste Land/ Das öde Land“ für die moderne Lyrik des XX. Jahrhunderts. Aber immer wenn ich durch den grandiosen Anfangsvers „Denn du kennst nur einen Haufen zerbrochener Bilder“ mit der Lektüre begonnen habe, haben mich irgendwann der sprunghaft ändernde Rhythmus und die so schwer entschlüsselbaren Bilder an der Lektüre bis zum Ende, bis zur Zeile „Diese Fragmente habe ich gegen meine Ruinen gestützt“ gehindert. Die neue Übersetzung des Gedichts von Norbert Hummelt (Bibliothek Suhrkamp, Berlin, 2008) wird allgemein sehr gelobt.
Vielleicht schaffe ich es jetzt über den Umweg der „Four Quartets’/ Vier Quartette“, ebenfalls ins Deutsche übertragen von Norbert Hummelt. Inspiriert wurde Eliot für diese vier Langgedichte („Bunt Norton“, „East Coker“, „The Dry Salvages“, „Little Gidding“) durch Beethovens späte Streichquartette. „Es liegt eine himmlische oder zumindest mehr als menschliche Freudigkeit über einigen seiner späten Sachen, die einem, stelle ich mir vor, als Frucht der Versöhnung und als Linderung geschenkt wird, nachdem man sehr gelitten hat. Wäre schön, wenn es mir gelänge, davon einiges in Verse zu bringen, bevor ich sterbe.“
Und dieser ja nicht gerade bescheidene Anspruch an sich selbst, Gedichte zu schreiben, die ein angemessenes Echo auf die letzten, großen Streichquartette Beethovens geben, konnte er dann mit diesem Zyklus auch realisieren. East Coker, wie Eliot den zweiten „Satz“ (in der Sprache eines musikalischen Quartetts) nennt und dem die eingangs zitierten Verse entnommen wurden, ist der Name eines kleinen Dorfes im Süden Englands. Die Vorfahren des 1888 in den Vereinigten Staaten geborenen T.S. Eliot stammt aus dieser Gegend. Hier befindet sich auch der Grabstein des Dichters mit dem Motto: „In my beginning is my end – In my end is my beginning“.
Aus einem großen, sich über viele Seiten hinziehenden Langgedicht einzelne Passagen als ‚poetische High-Lights‘ herauszunehmen, ist immer fragwürdig. Manchmal können es aber auch nur einzelne Verse sein, die ein Interesse und eine Neugierde auf das gesamte Werk entzünden. Mir ist es so mit dem 5. Abschnitt in „East Coker“ ergangen. „Home is where one starts from. As we grow older the world becomes Strange…There is a time for the eveningunder starlicht,/ a time for the evening under lamplight…Old men ought to be explorers“. Diese Verse und die gesamten „vier Quartette“ lesend verstehe ich heute, warum mir früher die Gedichte von Eliot nicht viel gesagt haben und warum ich heute immer neugieriger auf sein Werk werde. „Old men ought to be explorers“.
Carl Wilhelm Macke
Ausschnitt entnommen aus T.S. Eliot: Vier Quartette. Four Quartets“. Aus dem Englischen übertragen von Norbert Hummelt. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2015. 93 Seiten. 19,95 Euro. Foto: Wikimedia Commons. Quelle.
Nachsatz zur Reihe “Weltlyrik”: Die fast tägliche Konfrontation mit Nachrichten von verfolgten, inhaftierten oder hingerichteten Journalisten lässt gleichzeitig auch den Wunsch nach anderen Bildern und einer anderen Sprache wachsen. Immer wieder erfährt man auch von Journalisten, die nicht nur über das Dunkle und Böse in der Welt recherchieren, sondern auch Gedichte schreiben. Wie heißt es in einem Gedicht von Georgos Seferis „Nur ein Weniges noch/ und wir werden die Mandeln blühen sehen…“ (www.journalistenhelfen.org).