Sprache
Die Sprache ist wie Wasser.
Beim Halten verliert man sie,
im Fließen hat sie Bestand,
schenkt eher Leben als Ertrinken,
wäscht keine Flecken aus,
ist der erste Grund, dass alles keimen kann.
Ich bin eine Lawine
zärtlich weiß
stürze ich
dich zu umarmen.
Da man in der „Edition Lyrik Kabinett“ leider überhaupt keine Angaben zu Tzveta Sofronieva findet, bleibt einem nichts anderes übrig als im Internet auf Suche nach weiteren Auskünften zu dieser Autorin zu gehen. Und schnell merkt man, dass die „Lawine“ kein schlechtes Bild ist, um Tzveta Sofronieva zu porträtieren. Lawinenartig stürzen da die Informationen auf den Neugierigen ein. Geboren ist sie 1963 in Bulgarien, lebt aber heute in Berlin. Schreibt auf Deutsch, Bulgarisch und Englisch. Ihren Diplom-Abschluss hat sie als Physikerin gemacht, promovierte in Wissenschaftsgeschichte. Ihr wichtigster „Poesie-Lehrer“ war der Nobelpreisträger Joseph Brodsky. Sieben Jahre lang hat Tzveta Sofronieva als Kulturjournalistin bei „Radio Free Europe‘ gearbeitet. Auch die Liste mit den Namen ihrer kürzeren und längeren Aufenthalte ergießt sich wie eine Lawine auf den Leser: Australien, Griechenland, England, Kanada, USA, Österreich, Bulgarien undundund.
Sieben Gedichtbände hat sie bereits veröffentlicht, einige davon in verschiedenen Sprachen. Seit Mitte der 90er Jahre ist sie maßgeblich an dem Netzwerk „Verbotene Worte“ beteiligt und zeichnet als Initiatoren der Online-Anthologie „119 Web Streaming Supernovapoetry.net“. . „Darüber hinaus gestaltet sie Literaturinstallationen, intermediäre und interdisziplinäre Verbindungen zwischen Wissenschaft, Bildung und Literatur“ (Wikipedia).
Und jetzt also ist eine Auswahl ihrer (auf Deutsch geschriebenen) Gedichte in der inzwischen sehr angesehenen „Edition Lyrik Kabinett“ erschienenen. Die beiden hier ausgewählten Gedichte sind für den gesamten Band eher nicht repräsentativ, weil dort längere, sich auch über Seiten hinwegziehende Langgedichte veröffentlicht sind. Auch experimentelle Gedichte findet man dort. Wunderbar das kurze Gedicht von Tzveta Sofronieva über die Sprache. Man sollte es auswendig lernen …
Carl Wilhelm Macke
Gedichte entnommen aus: Tzveta Sofronieva. Landschaften, Ufer. Lyrik Kabinett bei Hanser, München, 2013. 128 Seiten. 14,90 Euro. Foto: Lothar Deus, Wikimedia Commons, Quelle.