So schön, wie eine Depression nur sein kann
Was wollen Frauen: Liebe, Hochzeit, Schwangerschaft, Schuhe, Happy End? Einen wohlig schwarzen Gegenentwurf zu solch pinkfarbenen Prinzessin-Lillyfee-Lebensträumen zeichnet Immy and the City. Von Henrike Heiland
Große Verlage glauben ganz genau zu wissen, was Frauen wollen. Besonders Frauen um die 30, die noch in so einer Art Orientierungsphase stecken. Die wollen nämlich, abgesehen von Handtaschen und Schuhen und einem besseren Job, einen Mann. Mit Hochzeit und Schwangerschaft und was eben so dazugehört. Der Mann würde auch alle anderen Probleme lösen. Er wäre nämlich reich genug, um der Frau Handtaschen und Schuhe zu kaufen. Und natürlich würde er entweder dafür sorgen, dass sie einen besseren Job bekommt oder erst gar nicht mehr arbeiten muss.
Davon also träumen Frauen um die 30, und weil die Verlage das so genau wissen, lassen sie unzählige Bücher produzieren, in denen es genau darum geht: Frau um die 30 sucht und findet den Mann. Hochzeit, Schwangerschaft, Schuhe, Happy End.
Mimi Welldirty, die unter anderem als Graphikerin und Studiomusikerin in Köln lebt und arbeitet, hat nun ein ganz entzückendes kleines Bilderbuch für Frauen um die 30 erdacht. Mimi Welldirty, Jahrgang 76, ist selbst eine Frau um die 30, und ihre Heldin Immy, die in der Großstadt lebt, Single ist und einen beschissenen Job hat, ebenso. Immy ist also genau die Frau, die am Anfang eines der üblichen Frauenromane stehen könnte oder müsste. Aber mit Immy ist das nicht so einfach. Immy gewinnt nämlich jeden Wettbewerb im Depressivsein, nicht zuletzt, weil sie unsterblich in einen leider kürzlich erst verstorbenen Indie-Songwriter verliebt ist. Das kann man auch nicht mit Handtaschen und Schuhen heilen, und schon gar nicht mit einem anderen Mann, wo sollte der auch herkommen in so einer hässlichen Stadt, in der alles grauschwarz ist und sowieso jeder Depressionen hat, nicht nur Immy.
Jeden Tag derselbe stumpfsinnige Wahnsinn
Immys Geschichte ist also schnell erzählt: Jeden Tag derselbe stumpfsinnige Wahnsinn, unterbrochen nur von absurden Träumen und surrealen Wacherlebnissen. Jeder Funken Hoffnung wird im Keim erstickt, was das Loch, in dem sich Immy begraben fühlt, nur noch tiefer werden lässt. Und am Ende gibt es kein Happy End. Also gar keins.
Die deutschen (Original-)Texte sind leider teils etwas unbeholfen, hier und da zu dramatisch, um ins Schwarze zu treffen, oft redundant und zu oberflächlich. Man würde sich eine pointiertere Schreibe wünschen, um Immys Geschichte zu einem perfekten Rundumerlebnis zu machen.
Immy and the City ist aber unterm Strich erst mal ein wohlig schwarzes Gegengewicht zu den pinkfarbenen Prinzessin-Lillyfee-artigen Lebensentwürfen, die sich Frauen um die 30 angeblich wünschen.
Aber dann regt sich die Frage: Wenn die Frau um die 30 also nicht endlich den Kerl bekommt, der ihr aus der Misere, die sich ihr eigenes Leben nennt, heraushilft, weil sie es selbst nicht schafft – endet sie dann wie Immy? Oder ist man mit der Frage jetzt zu sehr auf Intention und Kontext und das alles aus? Immy and the City mag mit einer noch tieferen Depression enden, als sie angefangen hat, aber eine Antwort versteckt sich doch in den Bildern. Die Antwort hat etwas mit dem inneren Kind zu tun, um das man sich kümmern sollte, solange es noch da ist. Und das innere Kind ist nun mal nicht unbedingt eine rosafarbene Prinzessin, die auf den Prinzen mit den Schuhen und Handtaschen wartet. Zum Glück.
Henrike Heiland
Mimi Welldirty: Immy and the City: Depresso to go.
Die traurigste Geschichte der Welt. Graphic Novel.
Atrium 2010. 128 Seiten. 14,90 Euro.