Geschrieben am 5. August 2019 von für Litmag, NATUR Special, Specials

Ute Cohen: Die Farbe des Destotrotz

Reglos lockendes Blau

Über Barbara Weitzel und Kornelius Wilkens „Ansichten in stillem Blau“

Mit dem Blau hat es eine besondere Bewandtnis. Es ist eine Farbe, die aufgrund ihrer Eigenschaften als Körperfarbe remittiert sein kann. Man stelle sich ein unsichtbares Wesen vor, das nur sichtbar werden kann, wenn es von einer Lichtquelle bestrahlt wird, da es selbst farblos ist. Das klingt nach Mann ohne Eigenschaften, nach Schattendasein und Mauerblümchen. In Wahrheit – und darum geht es in nachfolgendem Buch – ist es aber Hingabe. Blau zeugt von der Bereitschaft, sich zurückzunehmen, sich zu öffnen für das fließende Licht, das zunächst kalt und penetrant wirken mag, sich dann aber, lässt man es erst einmal zu, heiß die Adern durchströmt. Zum Blaublütler wird man dadurch nicht, wohl aber zum Schimmernden, Glänzenden. Einem Zauber unterwirft man sich, dem man bereits im Althochdeutschen in der Bezeichnung „blao“ zu erkennen glaubte. Trotz dieser metamorphotischen Macht empfinden wir Blau aber als bedrohlich, eisig, giftig sogar. Cyanblau ist einer der beiden Grundtöne des Blau und lässt sofort den Gedanken an tödliches Zyankali aufkeimen. Blau ist bedrohlich in seiner possessiven Wirkung, reizt das ängstliche Gemüt, entspannt zugleich aber die empfängliche Seele. Es ist daher die Farbe der Transformation, ganz Natur auf der einen Seite und hochgradig artifiziell auf der anderen, prädestiniert zur Farbe der Dichter und Denker. Georg Trakl erkor Blau zu seiner Seelenfarbe. Wer das Blaue schaut, tut einen Blick in die Unendlichkeit. Erst wenn man den nervös pulsierenden Körper besänftigt, öffnet sich das Auge für den Wandel. Wer aber wagt es noch das heilige Blau auch nur zu ersehnen, diese „heure bleue“ zu ertragen, die Dunkelheit gewiss nach sich zieht, aber so köstlich im Augenblick sich anfühlt?

Barbara Weitzel und Kornelius Wilkens heißen die zwei, die sich dem Blau ganz unbefangen in die Arme werfen. Weitzel, Journalistin, Bloggerin, Poetin, widmet der Farbe der Dichter seltsam reine Worte, die Kornelius Wilkens, Illustrator, Künstler, blau aus ihren Hüllen und Verpuppungen treten lässt. Während Trakl in seinem „Traum des Bösen“ Blau sorgsam vermeidet, entführt Weitzel in „Ansichten in stillem Blau“ die Farbe aus der hässlichen Stadt, dem „Fastschwarz der Millionen Wirklichkeiten“ in eine zartblaue Seelenwelt. Trakls Blau ist immer ein wenig blümerant, bleu mourant also, ein sterbendes Blau, während Weitzel dem Blau eine liebliche Leichtigkeit abgewinnt. Das wirkt manchmal trotz aller Sanftmut rebellisch: „Blau ist die Farbe auch des Destotrotz“. Deshalb hält Weitzel auch am Prinzip Hoffnung fest, das sie immer und überall sucht und vor allem in der Stille – ja, da hinter dem Horizont! – hinter dem Himmel erkennt. Sie weiß um die Fragilität des Blau, das nur den Blaublinden so mächtig, stark und hart erscheint, während es doch den stillen „Klang der Demut“ abbildet. Eine „eisblaue Warnung“ spricht sie nicht aus, wohl aber einen Appell an die Unsteten, Rastlosen und Hoffnungslosen, die Stille zu ertragen, den Blick im See, der „reglos lockt“ zu versenken, auszuharren und auszuhalten. Allen Widerstreitern des Blau, den Verfechtern einer Verbieteritis – „Das Sichverlieren gehört abgeschafft!“ – versichert sie: „Das Blau weiß, wohin es fliehen und warten kann auf den Mut“.

Und wenn der Mensch, dieses waidwunde Tier, dann doch verzagt, verletzlich das Drama heraufziehen sieht, sollte er sich nicht täuschen. Nicht im Grün, in vermeintlich unberührter Natur wird er Kraft schöpfen können, denn: „Wenn auf dem Mond schon Tücher liegen, Tand und Tetra, wo sollen die unentdeckten Erden denn sein.“ Nein, das Blau möge er in sich hineinfließen lassen, und dieses Blau der Hoffnung in sich hüten, denn Wandel, auch der bleu morose, ist verheißungsvoll. Demütig sollte man sich aber schon zeigen gegenüber diesem Blau, das seine Allmacht zwar selten ausspielt, aber doch mit „Drama in Schwefel“ aufzuwarten weiß. Ein Tor aber, wer glaubt, es gelte ihm, dies Himmelsschauspiel. Das Blau existiert, ganz ohne uns, ergreift uns aber schicksalsmächtig. Weitzel sieht das neidlos, angstbefreit und verliebt sich wie schon Rilke in das Zyklenblau: „wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze“ (Rilke) und plötzlich „scheint das Blau sich zu verneuen“, kein feuerroter Teufelskreis, ein Lebenskreis, ein Lebenslauf!K

Kornelius Wilkens findet für Barbara Weitzels „Ansichten in stillem Blau“ eine begnadete Bildsprache. Die vier Kapitel „Ansichten“, „Vom Blau“, „Stille“ und „Andere Ansichten“ verbildlicht er mit unterschiedlichen Techniken: 1. Tusche auf Gipskarton. Eher monochrom im Farbton Paynes Grey. Feder über Aquarell Format 24 x 30 cm 2. und 3. Federzeichnungen auf Papier mit schwarzer Tusche und nachfolgender Colorierung. Format 24 x 30 cm 4. Acrylmalerei auf Leinwand mit Überzeichnungen mit schwarzer und auch weisser Tusche. Akzente mit Pastellkreiden. Format 30 x 40 cm.

Jawlensky fließt da ein, ein ganz klein wenig aber auch dieses Fra-Angelico-Blau, das glücklich macht und still sein lässt, einen winzigblauen Moment.

Ute Cohen

  • Barbara Weitzel (Text), Kornelius Wilkens (Bilder): Ansichten in stillem BlauGedichte und Bilder.Treibgut Verlag, Berlin 2019. 100 Seiten, Festeinband, 16 Euro. –Zum Blog von Barbara Wetzel „Laufend lesen“.

Ute Cohen lebt als Autorin und Kommunikationsberaterin in Berlin. Sie schreibt für kult, culturmag, Séparée, die Wochenzeitung „der Freitag“ und die Jüdische Allgemeine. 2017 erschien ihr Roman „Satans Spielfeld“ im Septime-Verlag. 2018 war sie mit einer Krimi-Short-Story in Thomas Wörtches „Berlin Noir“ bei culturbooks vertreten. – Ihre Texte bei CulturMag hier.

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