Ars Poetica
Dreißig Meilen zum einzig anständigen Restaurant war nichts, ein Lidschlag im langen stumpfen Starren Wyomings.
Auf halber Strecke schrie der unbekannte, aber schrecklich wichtige Essayist: Stop!
Ich muß da rein; und lief
fünfzehn Meter ins Land,
ehe der Himmel auf ihn stürzte und er gelaufen kam,
rief: Gott – da ist nichts da draußen!
Einmal traf ich einen australischen Schriftsteller, der mir sage, er habe nie kochen gelernt, weil es kreative Energie koste. Am liebsten wäre er stumm gewesen; er stapelte die Seiten; er betrat jeden Tag mit einer Axt.
Gern hätte ich dieses Gedicht klein,
eine Geisterstadt
auf der größeren Karte des Willens.
Dann kannst du mich als Habicht einzeichnen:
ein wanderndes Markierungskreuzchen.
Übersetzung von Karin Graf
Auffallend ist es schon, dass in zwei der bekanntesten und auch umfangreichsten Anthologien moderner Lyrik Dichterinnen kaum aufgenommen worden sind. In dem von Hans Magnus Enzensberger eingerichteten „Museum der modernen Poesie“ (Frankfurt am Main, 1960, 2002) sind drei Autorinnen vertreten (Else Lasker Schüler, Nelly Sachs, Marianne Moore). Und in der „Luftfracht“. Internationale Poesie von 1940-1990, herausgegeben von Harald Hartung sind immerhin (!) Gedichte von sieben Frauen publiziert. Sich auf diese bemerkenswerte Auswahl einen Reim zu machen, bleibt jeder Leserin resp. jedem Leser selber überlassen.
In der „Luftfracht“ ist ein Gedicht der Amerikanerin Rita Dove abgedruckt, das mit einem großen Titel (Ars Poetica) auftritt, hinter dem sich dann Zeilen verbergen, die sich schwer zu einem Ganzen verbinden. Ist es ein Gedicht oder nicht viel mehr eine kleine Erzählung über ein Gedicht? Aber auch als Erzählung fügt sich hier kaum ein Satz zum anderen. Um eine Provokation handelt es sich bei diesem Poem aber auf jeden Fall. Unsere Erwartungen an ein Gedicht werden hier irritierend enttäuscht, aber gerade deshalb kommen wir davon nicht los…
Rita Frances Dove wurde 1952 im Bundesstaat Ohio geboren und hat viele Jahre ihres bisherigen Lebens im Umkreis verschiedener Universitäten verbracht ( u.a. Ohio, Tübingen, Jerusalem, Charlottsville). Eine große Zahl an Lyrikbänden sind von ihr inzwischen erschienen und in den USA gehört sie auch seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Lyrikerinnen. Im deutschsprachigen Raum hingegen ist sie nur wenig bekannt. Aber – siehe oben – zeitgenössische Lyrikerinnen hatten hier bislang ohnehin nie ein großes Echo. Die Lyrik der Nelly Sachs, Ingeborg Bachmann, Rose Ausländer und von Sara Kirsch wurde und wird zwar viel gelesen, aber daneben werden andere Stimmen bislang nur wenig zur Kenntnis genommen. Um eine Zeile aus dem Gedicht von Rita Dove zu variieren: „Gott – vielleicht ist ja doch etwas da draußen“…
Carl Wilhelm Macke
Gedicht ist erschienen in: Rowohlt Literaturmagazin 26. Reinbek, 1990. Übersetzung von Karin Graf. Foto: Wikimedia Commons, GNU License 1.2. Autor: Mareklug, Quelle.