Endlich Tränen der Freude
Verleihung der Hermann-Kesten-Medaille des deutschen PEN-Zentrums an kongolesische Journalistenorganisation.
Donat M’Baya Thsimanga und Tshivis Tshivuadi wa Tshivuadi . Diese kongolesische Namen auszusprechen fällt schwer, geschweige denn, sie zu behalten. Aber den Inhalt ihrer Dankesrede anlässlich der Entgegennahme der ‚Hermann-Kesten-Medaille’ des deutschen PEN-Zentrums in Darmstadt, vergisst man nicht. Jedes Jahr verleiht das PEN-Zentrum, unterstützt von der Hessischen Landesregierung, einen Preis, der Personen oder Organisationen ehren soll, die sich mit Mut und Zivilcourage zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit eingesetzt haben.
Im Jahr 2005 wurde der Preis an die kongolesische Journalistenorganisation ‚Journalist en danger’ vergeben, die in Zentralafrika ein vorbildliches Solidaritäts-Netzwerk für verfolgte Schriftsteller und Journalisten gegründet hat (www.jed-afrique.org). „Ganz besonders möchten wir diese Medaille Franck Ngyke Kangundu, einem kongolesischen Journalisten und seiner Frau Hèlène Mpaka widmen, die beide am 3. November 2005 in Kinshasa vor den Augen ihrer Kinder von mutmaßlichen Auftragsmördern erschossen wurden, um eine unbequem gewordene Stimme für immer zum Schweigen zu bringen….Gleichzeitig möchten wir diese Medaille auch dem Andenken all jener Journalisten und Mitarbeiter widmen, die in den letzten zehn Jahren in der Demokratischen Republik Kongo ermordet oder als vermisst gemeldet wurden… Wir widmen diese Medaille auch dem Andenken unserer Kollegen Mwamba wa ba Mulambo, Mitbegründer von Journalist en danger und früherem Generalsekretär unserer Organisation, der am 2. Dezember 2001 unter bis heute nicht geklärten Umständen ums Leben kam.“
Anwesend waren bei der diesjährigen Preisverleihung im Karolinensaal des Hessischen Staatsarchivs in Darmstadt nur wenige deutsche Journalisten und Berichterstatter, obwohl viele von den Organisatoren eingeladen worden waren. Aber wen interessieren schon an einem sonnigen Herbstmorgen kongolesische Journalisten, deren Namen man sich ohnehin nicht merken kann. Und die Menschenrechte haben in diesen Cash & Carry-Zeiten ohnehin keine Konjunktur. „Ich sage nur China, China, China“ (Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sel.)
In den deutschen Medien stehen in diesen Tagen ganz andere Themen ganz oben auf der Agenda: die Verhandlungen um eine ‚Große Koalition’ zum Beispiel oder die brennenden Autos in den heruntergekommenen französischen Vorstädten. Auch die Abwehrprobleme der Deutschen Elf wenige Monate vor dem WM-Jahr 2006 sind nicht von Pappe. Auch die Schleichwerbung im deutschen Fernsehen bedarf anhaltender Aufmerksamkeit. Aber wann steht je eine differenzierte Berichterstattung über Afrika auf der Agenda deutscher Medien, die über die übliche Katastrophenchronik hinausgeht?
Mit Recht erinnerte der Schriftsteller Uwe Timm in seiner Laudatio auf die Preisträger daran, dass der Kontinent Afrika innerhalb der deutschen Medien kaum wahrgenommen wird. „Wenig wird über jene Kräfte in Afrika geschrieben, die an der Veränderung der Verhältnisse arbeiten“ ( Timm). Wenn man die regelmäßig im Internet veröffentlichten Bulletins der ‚Journalist en danger’ über die Verfolgungen unabhängiger Journalisten in Afrika liest, wird man in Europa und in Deutschland sehr kleinlaut. Sie hätten, so berichteten die kongolesischen Journalisten, vor Freude geweint als sie von dem ihnen zugesprochenen Preis des deutschen PEN-Zentrums erfahren hätten. „Eine legitime Freude für uns, die wir es doch gewohnt sind, Beschimpfungen und Verunglimpfungen zu hören, weil wir uns entschieden haben, unsere Energien darauf zu verwenden, in unseren Ländern eines der grundlegendsten Menschenrechte, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen.
Vielleicht sollte man doch wenigstens versuchen, sich Namen wie die von Donat M’Baya Thsimanga und Tshivis Tshivuadi wa Tshivuadi zu merken. Sie erinnern die Journalisten daran, von Zeit zu Zeit mal wieder die Klagen über die eigenen Berufsmisere etwas zu relativieren. Und die Konsumenten der Medien können lernen, mal wieder über ihren oft peinlich beschränkten Horizont hinauszublicken. Mit den Worten von Johano Strasser, dem Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland: „Die Sache der kongolesischen JeD ist auch unsere Sache: die Verteidigung von Menschenrechten und Meinungsfreiheit.“
Was aber, wenn wir, Leser wie Medienproduzenten, die Verteidigung von Menschenrechten und der Meinungsfreiheit gar nicht mehr als ‚unsere Sache’ ansehen?
Carl Wilhelm Macke!
hier finden Sie O-Ton und Text der Verleihung: radio-luma.de