Geschrieben am 14. August 2013 von für Kolumnen und Themen, Litmag

Zum Tod von Rolf Schwendter

Rolf SchwendterVom Glück einen Menschen getroffen zu haben

– Vom Glück einen Menschen getroffen zu haben…Das sagt sich so leicht, aber letztlich gibt es immer nur wenige Menschen, auf die dieses Glücksbekenntnis zutrifft. Rolf Schwendter war gewiss so einer.  Von Carl Wilhelm Macke.

Vielleicht bin ich ihm zwei-, drei Mal in meinem Leben persönlich begegnet und jedes Mal war es ein Glückserlebnis. Und immer war es im Umkreis des heute leider fast vollkommen „Sozialistischen Büros“, das vor allem in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versucht hat, zwischen dem Terrorismus der RAF und dem Dogmatismus kommunistischer Sekten so etwas wie einen anti-autoritären Sozialismus zu vertreten. Auch Rolf Schwendter war dieser politischen Idee Zeit seines Lebens immer verbunden.

Keine ungewöhnliche Erfahrung beim ersten Kennenlernen: da steht ein Mensch, der dem zwanghaft ordentlichen Mittelstandsgeschmack herausfordert. Und dann beginnt dieser körperlich etwas unkonventionelle Mann mit den zotteligen Haaren, ausgelatschten Schuhen und den Plastiktaschen an der Hand zu sprechen – und alle etwaigen Vorurteile erweisen sich als vollkommen haltlos, schmelzen augenblicklich dahin.

Der Blick seiner Augen hatte tatsächlich etwas kindliches, neugieriges, sogar schalkhaftes, das auf seine Gesprächspartner sehr einnehmend wirken konnte. Ein dreifach promovierter Intellektueller, der dich nicht von oben herab mit seinem Wissen einschüchtert und zu einem Erstklässler degradiert. Allein diese Erfahrung vermittelt dir schon eine Ahnung von Glück.

Im Vergleich mit seinem Wissen spürst du schnell, wie wenig du ihm doch entgegensetzen kannst und trotzdem sprichst du mit ihm auf Augenhöhe, im besten Sinne von Genosse zu Genosse. Rolf Schwendter konnte gut zuhören, was im linken intellektuellen Milieu keineswegs selbstverständlich ist, und er pflegte im Gespräch noch eine Art alt-wienersche Höflichkeit. Er bewegte sich souverän in allen Epochen der Gastronomie, schien alle Schriften von Ernst Bloch, Thomas Morus, Joachim de Fiore und Franz von Assisi gelesen zu haben, kannte sich aus in der Geschichte des Genossenschaftswesens und der Wiener Arbeiterbewegung, verfolgte mit großer Neugierde und noch mehr Wissen die Diskussionen über Psychiatrie und Anti-Psychiatrie. In der unterdrückten und verfolgten Kultur der Landstreicher und Anarchisten kannte er sich aus wie kein zweiter.

Kurz: Rolf Schwendter  war ein „Kraftwerk der Phantasie“, des Quer- und Vorausdenkens, der neugierig war auf andere, alternative, manchmal auch leicht verschrobene Idee möglichst weit weg vom „Mainstream“. „Hoffnung“, so habe ich es jüngst in „Bentos Skizzenbuch“ von John Berger gelesen, „ist heute eine Schmuggelware, die von Hand zu Hand und von Geschichte zu Geschichte weitergereicht wird“. In dem Sinne war Rolf Schwendter ein großer Schmuggler vor dem Herrn. Solchen Menschen begegnet man nur ganz selten in seinem Leben, vielleicht nur einmal. Ein Glück, jemand wie ihn gekannt zu haben.

Carl Wilhelm Macke

Foto Schwendter: Quelle.

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