Geschrieben am 8. August 2012 von für Musikmag

Blitzbeats: Simina Grigoriu, Neneh Cherry & The Thing und Kings of Dubrock

Neue Platten von und mit Simina Grigoriu, Neneh Cherry & The Thing und den Kings of Dubrock, gehört von Christina Mohr.

Simina Gregoriu: Exit CityTechnoider als der zukünftige Gatte

Die Freundin/Geliebte/Partnerin eines berühmten Mannes zu sein, kann Fluch und Segen zugleich sein.So profitiert die in Rumänien geborene, in Kanada aufgewachsene und in Berlin lebende Techno-DJ Simina Grigoriu durchaus davon, im Vorprogramm ihres zukünftigen Gatten Paul Kalkbrenner aufzutreten; die hässliche Kehrseite der Popularität zeigt sich darin, dass die unbestreitbar attraktive Grigoriu im Netz als „Granate“ und „Kalkbrenner-Gespielin“ betitelt wird, die „nicht ohne Grund“ als spannender neuer Act gehandelt wird – um ihre Skills als DJ geht es dabei, wenn überhaupt, nur untergeordnet.

Zum Glück erscheint jetzt ihr Debütalbum „Exit City“, mit dem sich Simina Grigoriu als selbstbewusste und eigenständige Elektronikerin präsentiert. Die Beats sind crisp und knackig – härter und technoider übrigens als beim meistens sehr chillig vor sich hin trancenden Kalkbrenner – Simina steht auf tiefe, rollende Basslinien und prägnant kickende Drums.

Genauso sehr mag sie aber auch eingängige, poppige Melodien, House-, Tribal- und Discoelemente, die „Exit City“ zu einer sehr zugänglichen Platte machen. Gastbeiträge von Bruder Daniel an der Gitarre und Sängerin Mama (zu hören auf der Single „Kokopelli“ und „Wildfire“) sorgen für Abwechslung in Sound und Stimmung.

Simina Grigoriu: Exit City (Susumu Records). Erscheint am 24. August. Zur Homepage von Simina Grigoriu, zum Album Sampler von „Exit City“.

Neneh Cherry & The Thing: The Cherry ThingKrachiges Umfeld

Es ist schon bezeichnend, dass selbst das Presseinfo zu „The Cherry Thing“ nur auf Neneh Cherrys Vergangenheit als Hitsängerin in den 1990ern („Manchild“, “Seven Seconds” mit Youssou N’Dour) abhebt und ihre musikalischen Anfänge nicht erwähnt. Dabei begann die Karriere der Stieftochter von Jazzmusiker Don Cherry äußerst aufregend: sie sang in der Bristoler Postpunkband Rip, Rig & Panic, die experimentellen Jazz, New Wave und Funk mixte und in den frühen Achtzigern drei wegweisende Platten („God“, „I Am Cold“ und „Attitude“) herausbrachte. Nach längerer Veröffentlichungspause – abgesehen von Gastgesang auf Platten der Gorillaz, Speech und ihrem Halbbruder Eagle-Eye Cherry – kehrt Neneh Cherry mit dem skandinavischen Free-Jazz-Trio The Thing zu ihren Wurzeln zurück.

Die acht Tracks auf „The Cherry Thing“ sind allerdings noch radikaler, furioser und wilder als es Rip, Rig & Panic jemals waren und werden „Seven Seconds“-Fans extrem irritieren. Saxophonist Mats Gustafsson und die PercussionistInnen Ingebrigt Haker Falten und Paal Nilssen-Love sind geniale Avantgar- und Dekonstruktivisten, die sich Songs von Don Cherry, Martina Topley-Bird, MF Doom, den Stooges oder Ornette Coleman aneignen, um sie genüsslich zu zerschreddern oder aus dem Prä-Noise-Stück „Dream Baby Dream“ von Suicide ein hypnotisch-intimes Erlebnis zu machen.

Neneh Cherry wirkt übrigens keineswegs wie die nur aus Prestigegründen eingeladene Starsängerin – ihre charakteristisch heisere Stimme fühlt sich im krachigen Umfeld so richtig wohl, ein Eindruck, der sich beim einzigen Deutschland-Konzert von The Cherry Thing in Berlin mehr als bestätigte.

Neneh Cherry & The Thing: The Cherry Thing. Soulfood. Reinhören können Sie hier.

The Kings of Dubrock: FettucciniWundgel in die Haare

Ta-dah! Applaus für die beste Überleitung, bitte! Das erste Album der Kings of Dubrock hieß nämlich „Mondo Cherry“ und war möglicherweise auch Don und/oder Neneh Cherry gewidmet, kann schon sein, denn Jacques Palminger, Viktor Marek und Rica Blunck finden vieles gut.

Auf „Fettuccini“ huldigt das Hamburger Trio unter anderem King Tubby, Adriano Celentano, Fela Kuti und Scatman John, und wie man unschwer erraten kann, passiert das mit typisch Palmingereskem Studio Braun-Humor.

Die Songs haben unwiderstehliche Titel wie „Uhren befummeln die Zeit“, „Unter den Rolltreppen von Paris“ oder „Honk If You Like Dub“ und haben nur wenig mit „Rock“ zu tun, auch wenn der Bandname das suggerieren mag. Dubfans kommen schon eher auf ihre Kosten, denn „Produttionisti Vittorio Marese“ sorgt wie auch bei Knarf Rellöm Trinity oder The Boy Group für enorm groovigen Disco-Electro-Funk mit wummerig-bassigem Dubsound, Rica Blunck ist für „Bellezza Canto“ zuständig.

„Fettuccini“ ist lustig, nicht angestrengt albern, sondern eher freundlich und angenehm verschroben. Jacques Palminger fabuliert, „wir schmieren uns Wundgel in die Haare und gurken zum Strand / Die Hütten brennen, die Haare liegen gut / Erstmal was gegen den Durst, dann immer im Kreis / Wir reiten auf dem Kamm der Welle / Was für eine großzügige Einladung / im Beach Buggy zum Riesenpfirsich.“ („Beach Buggy“).

Die perfekte Sommerplatte für Leute, die eh nicht gern ins Freibad gehen, sondern lieber ein Planschbecken in den Hof stellen und Adriano Celentano hören.

Christina Mohr

The Kings of Dubrock: Fettuccini. Staatsakt.  Mehr zu Staatsakt hier.

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